Kleinräumige Gewitterzellen sind durch das sukzessive erweiterte Stationsnetz des hydrographischen Dienstes oder über das neue INCA-Prognoseverfahren der ZAMG (INCA = Integrated Nowcasting through Comprehensive Analysis) oft nur schwer zu erfassen, das heißt der tatsächliche Niederschlagsabsatz wird häufig unterschätzt. Als Eingangsdaten für die hydrologische Bemessung (die Dimensionierung für das 100- bzw. 150-jährliche Niederschlagsereignis im Flussbau und in Wildbacheinzugsgebieten) finden meist die aus Stationsauswertungen und Modellrechnungen abgeleiteten Bemessungsniederschläge des Hydrographischen Dienstes Verwendung.

Wie entsteht Abfluss? Die Einflussfaktoren

Die Vegetationsdecke modifiziert das Abfluss- und Infiltrationsverhalten und beeinflusst die Speicherleistung am Standort. Wälder können bei einem einzelnen Niederschlagsereignis in Abhängigkeit von Baumartenkombination und Dichte des Kronendaches 4 bis 6 mm Wasser im Kronenraum zurückhalten. Für dichtes Grasland liegt dieser Wert bei 1 bis 1,5 mm pro Niederschlagsereignis.

Bei häufigem Auftreten von Starkregen ist die Interzeptionsleistung von geringerer Bedeutung als bei Landregen mit wiederholten Abtrockungsphasen. Unter gleichen Bedingungen steigt die Transpirationsleistung (aktive Verdunstung) an (Abbildung 1).
Je glatter die Oberfläche, umso rascher erfolgt die Abflusskonzentration.

Abbildung 1: Die Beschaffenheit der Oberfläche beeinflusst die Abflussmenge: Von links nach recht: versiegelte Fläche - sehr groß, Vegetationsloser Boden - groß, Grasland - weniger groß, Strauchvegetation – mittel, Baumvegetation/Wald – gering

Besonders bei konvektiven Niederschlagsereignissen wie etwa Gewitterregen entstehen auf glatten Flächen (versiegelte und verdichtete Böden, Flächen mit reduzierter Vegetationsbedeckung, kurze, alpine Rasen, …) deutlich höhere Abflüsse als beispielsweise auf Flächen mit dichter Waldvegetation oder alpinen mit Zwergsträuchern bewachsenen Standorten.

Bei gleichem Niederschlagsangebot weisen Waldböden oder Böden unter alpinen Zwergsträuchern aufgrund der hohen Interzeptions- und Transpirationsleistung meist eine deutlich geringere Vorbefeuchtung auf als Böden unter kurzwüchsigen, oft intensiv genutzten Vegetationsformen, zum Beispiel alpine Rasen oder Weiden.
Dieses höhere Aufnahmevermögen der Böden unter Waldvegetation stellt bei kurzen intensiven Niederschlägen (Gewitterregen) und bei Niederschlägen geringerer Intensität und längerer Dauer eine elementare Einflussgröße für das Abflussverhalten alpiner Einzugsgebiete dar.

Die Infiltrationsrate ist in feinteilreichen, schweren Böden (z.B. Lehm, Ton) deutlich geringer als in groben skelettreichen oder sandig-schluffigen Böden.
Der Anteil an Sekundärporen (Wurzelröhren, Tierröhren etc.) ist in Waldböden im Vergleich zu den umgebenden Nichtwaldflächen deutlich höher. Nach ihrem Absterben wirken Wurzeln oft über Jahre als Dränsysteme und ermöglichen die rasche hangparallele Wasserableitung und die schnelle Versickerung in tiefere Bodenschichten. Schnelle Bodenwasserabflüsse können jedoch nicht als Hauptursache für überregionale Hochwasserereignisse angesehen werden. Van der Ploeg et al. (2000) konnten über statistische Analysen von Pegeldaten einen engen Zusammenhang zwischen zunehmender Versiegelung - also der Ausschaltung der Dränwirkung von Böden – und einer Häufung von Hochwasserereignissen belegen.

Die durch den Menschen bewirkten Auswirkungen auf die Vegetation und die Landnutzung und in Folge auf die Abflussbereitschaft werden aus Oberflächenabflussbeiwertkarten ersichtlich (Abbildung 2).

Erosion – Feststofftransport

Im geneigten Gelände steigt die Fließgeschwindigkeit von wenigen Zentimetern je Sekunde bereits nach kurzer Distanz durch die Konzentration des Abflusses in den Tiefenlinien auf Dezimeter je Sekunde an. Vegetationsfreie Flächen und Standorte mit reduziertem Deckungsgrad (< 80 % im alpinen Gelände) werden aufgrund der kinetischen Energie des Niederschlages bei Gewitterregen rasch dichtgeschlämmt und anschließend erodiert. Durch zunehmende Versiegelung und Reduktion der Bodendeckung als Folge intensiver Nutzung kommen Vorfluter immer häufiger und rascher an die Grenzen ihrer Aufnahme- und Transportkapazität. Die Bereitschaft zur Seiten- und Sohlenerosion nimmt zu.

Gut strukturierte Waldbestände und alpine Zwergstrauchheiden (zum Beispiel Alpenrose, Heidelbeere) weisen meist eine sehr raue Oberfläche auf. Durch die große Oberfläche und den stockwerkartigen Aufbau (Baumschicht, Kraut-/ Zwergstrauchschicht, Moosschicht, Humusauflage und Mineralboden) wird die Abflussbildung gebremst. Daher wird die Hochwasserspitze in bewaldeten Einzugsgebieten verzögert und ist gegenüber waldfreien Flächen deutlich niedriger.

Ein geschlossener Bergwald ist ein ausgezeichneter Schutz der Böden im Gebirge gegen flächenhaften Bodenabtrag (Breitsameter 1996). Der messbare Abtrag aus voll bewaldeten Gebieten entsteht primär in den Rinnen und Gräben sowie den unmittelbar angrenzenden steilen Ufereinhängen. Die Bäume "armieren" zusätzlich mit ihrem Wurzelgeflecht den Oberboden (Stichwort: bewehrte Erde), vergleichbar mit einfachen technischen Verbauungsmaßnahmen, und stabilisieren wesentlich die Hänge.

Hydrologische Modellierung

In der Praxis werden praktikable, nachvollziehbare Modelle zur Bemessung von Hochwasserabflüssen in unbeobachteten Wildbacheinzugsgebieten unter Einbeziehung hochwertiger und verbesserter Felddaten benötigt, um realitätsnahe Ergebnisse (Abflussspitze, Fracht) zu erzielen. Als Anwender bewegt man sich dabei im Spannungsfeld zwischen:

  • den empirischen Faustformeln, die nicht mehr dem Stand der Forschung entsprechen,
  • der Extremwertstatistik (Extrapolation langjähriger an Pegeln gemessenen Abflussereignisse). Derartige Angaben stehen allerdings für Wildbäche kaum zur Verfügung.
  • Und der Anwendung von Niederschlag-/Abflussmodellen (N/A-Modellen) an Gewässern ohne Direktmessung.

Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von N/A-Modellen, die teils schwer zu parametrisieren sind und oft aufwendig für das jeweilige Untersuchungsgebiet kalibriert werden müssen. Daher wurde in den letzten Jahren am Institut für Naturgefahren des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) das Modell ZEMOKOST - Zeller modifiziert von Kohl und Stepanek (Kohl 2011) entwickelt. Die wichtigsten Eingangsparameter sind anhand der "Geländeanleitung zur Abschätzung von Oberflächenabflussbeiwerten" von Markart et al. (2004) leicht zu erheben. Geländeanleitung und ZEMOKOST sind mittlerweile als Standardwerkzeuge in der Praxis etabliert, sie sind kostenlos über das Institut für Naturgefahren des BFW erhältlich.

Abflusssteuerung durch Maßnahmen in der Fläche

Viele der notwendigen flächenwirtschaftlichen Maßnahmen, mit denen die Waldwirkungen zur Reduktion des Abflusspotenzials optimal genutzt werden, sind hinlänglich bekannt.

Von besonderer Bedeutung sind eine ausreichende Waldausstattung und eine entsprechende räumliche Verteilung der Waldflächen im Einzugsgebiet. Vorfluter nahe Waldbestände tragen meist mehr zur Hangstabilisierung und zur Pufferung des Abflussgeschehens bei als Vorfluter ferne Waldbestände. Wichtig ist eine optimale Waldstruktur (stufiger Aufbau, ein Überschirmungsgrad von 0,7-0,9 mit ausreichender Bodenbedeckung durch Vegetation).

Entscheidend ist außerdem die Sorgfalt im Forststraßenbau: Abflusskonzentrationen vermeiden, ausreichend dimensionierte Auslaufsicherungen bauen und pflegen. Als einfaches Rechenschema gilt, dass die Inanspruchnahme von einem Hektar für den Bau einer Forststraße etwa fünf Hektar Waldfläche hydrologisch optimiert werden müssten, um die hydrologische Verschlechterung durch den Forststraßenbau auszugleichen.

Sorgfältige Holzernte, bodenschonende Bringung und Belassen des Schlagabraumes im Bestand zur Erhöhung der Bodenrauigkeit, Freihaltung von Berggräben, Ein- und Ausläufen an den Forststraßen sind Pflicht. Viele Schadereignisse an tiefer liegenden Infrastruktureinrichtungen nehmen ihren Ausgang an verlegten Durchlässen.

Gezielte Waldbewirtschaftung in steilen Grabeneinhängen

Waldbestände sind nur begrenzt in der Lage, den Wassermehranfall aus darüber liegenden waldfreien Bereichen (versiegelte Flächen, Wiesen, Weideflächen,…) zu puffern. Erfolgt die Abflusskonzentration bereits in den darüber liegenden Bereichen, wird der darunter liegende Wald oft einfach linear durchschnitten und kann seine hydrologische Aufnahmefähigkeit nur begrenzt entfalten.

Insbesondere im raumrelevanten Bereich gilt es, das Risiko von Verklausungen in den Gräben - ein wesentliches Murenpotenzial - so gering wie möglich zu halten (Abbildung 3). Daher wird die gezielte Waldbewirtschaftung in steilen Grabeneinhängen, um Verklausungs- und Wildholzpotenziale zu vermeiden, eine zentrale Herausforderung der näheren Zukunft sein.

Literatur

  • Breitsameter, J. (1996): Untersuchungen zum Feststoffaustrag aus unterschiedlich dicht bewaldeten Klein- einzugsgebieten im Flysch und in den Kalkalpen der Tegernseer Berge. Forstliche Forschungsberichte München – Schriftenreihe der Forstwissenschaftlichen Fakultät der Universität München und der Bayr. Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, Bd. 154.
  • Kohl, B. (2011): ZEMOKOST – Entwicklung eines praktikablen Niederschlag-/Abflussmodells zur Modellierung von Hochwasserabflüssen in Wildbacheinzugsgebieten unter Einbeziehung verbesserter Felddaten. Dissertation, Fakultät für Geo- und Atmosphärenwissenschaften, Institut für Geographie, Universität Innsbruck.
  • Markart, G.; Kohl, B.; Sotier, B; Schauer, T.; Bunza, G.; Stern, R. (2004): Provisorische Geländeanleitung zur Anschätzung des Oberflächenabflusses auf alpinen Boden-/Vegetationseinheiten bei konvektiven Starkregen (Version 1.0). BFW-Dokumentation, Nr.3.
  • Van der Ploeg, R.R.; Ilsemann, J.; Hermsmeyer, D.; Machulla, G. (2000): Eine geänderte Landnutzung in der Nachkriegszeit als Mitverursacher der Hochwasserprobleme in Deutschland? In: S. Heiden, R. Erb und F. Sieker (Hrsg.): Hochwasserschutz heute – Nachhaltiges Wassermanagement. Erich Schmidt Verlag, Berlin, 151–180.