Durch Langzeitniederschläge (Dauerregen) ausgelöste Hochwässer und Schadereignisse haben seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert an Bedeutung gewonnen. Beispiele dafür sind das Pfingsthochwasser 1999 im Westösterreichisch-Bayerischen Raum, das Hochwasser 2002 in Ostösterreich bzw. in Deutschland sowie die Hochwässer 2005 in Westösterreich, 2012 in Kärnten, 2013 in Tirol, Salzburg, Ober- und Niederösterreich.

Während bei konvektiven Starkregen vor allem der Oberflächenabfluss zur Hochwasserentstehung beiträgt, nimmt mit zunehmender Niederschlagsdauer der Anteil von oberflächennahem Zwischenabfluss und Return-Flow am Gebietsabfluss zu.

In den letzten Jahren wurde zwar eine Reihe von Studien zur Verbesserung des Verständnisses über die Entstehung und den Ablauf dieser Zwischenabflussprozessen im Boden und im oberflächennahen geologischen Untergrund durchgeführt, dennoch sind die Kenntnisse über die Abflussvorgänge im Zwischenflächenbereich nach wie vor ungenügend bzw. werden die bei derartigen Ereignissen ablaufenden Abflussprozesse in alpinen Einzugsgebieten oft falsch eingeschätzt.
Am Institut für Naturgefahren des BFW wird daher das Thema "rascher Zwischenabfluss" seit Beginn des 21. Jahrhunderts intensiv beforscht.

Im Rahmen des von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Nationalkomitee Hydrologie Österreichs (IHP), geförderten Projektes „Shallow Interflow“ wurden daher in einer Kooperation des BFW, Institut für Naturgefahren mit der Geologischen Bundesanstalt (GBA, Fachabteilung Geophysik) und dem Technischen Büro für Geologie Dr. Pirkl in fünf Testgebieten (Bromberg, Bucklige Welt (NÖ), Brixenbach (T), Truppenübungsplatz Wattener Lizum (T), Längental (T) und Ruggbach (Vlbg)) umfangreiche methodische Tests und Untersuchungen durchgeführt. Diese hatten zum Ziel:

  • Entwicklung, Adaptierung und Erprobung von Methoden zur Messung des Zwischenabflusses in verschiedenen Substrate.
  • Ableitung von Bandbreiten von Fließgeschwindigkeiten für verschiedene geologische Substrate (über Literaturauswertung und Feldversuche).
  • Erprobung einer Vorgangsweise zur Extrapolation dieser kleinflächig ermittelten Informationen auf alpine Einzugsgebiete und die empirische Umsetzung solcher Punktinformationen in der Regionalisierung.

Die punktuellen Messungen bzw. Messungen auf der Hangskala an gebietsrepräsentativ ausgewählten Standorten umfassten:

  • Niederschlagssimulationen mit Tracereinspeisung, Verfolgung des Wassers und des Tracers im Boden und im Untergrund über TDR und Geoelektrik (Abbildung 1).
  • Punktuelle Tracereinspeisung in Hangschuttkörper mit Temperatur-/Leitfähigkeitsmessung am unterliegenden Vorfluter.
  • Messung weiterer Geoelektrik-Profile und ergänzende aerogeophysikalische Messungen zur Charakterisierung der Untergrundsituation in den Testgebieten.
  • Temperatur-/Leitfähigkeitsmessung mit fallweisen Abflussmengenmessungen an gebietsrepräsentativ ausgewählten Quellen und Gewässerknotenpunkten um die dominanten Abflussbeiträge (Oberflächenabfluss, rascher oberflächennaher Zwischenabfluss, tiefgründiger verzögerter Abfluss) zu differenzieren und Bandbreiten von Fließgeschwindigkeiten abzuleiten.
  • Die Durchführung von bodenphysikalische Analysen an Referenzprofilen.

Geoelektrik liefert viel versprechende Ergebnisse

Besonders mit der Geoelektrik (Erklärung auf wikipedia) konnte die Ausbreitung des Wassers und verschiedener Salztracer im Boden und im oberflächennahen Untergrund sehr gut nachvollzogen werden (Abbildung 2). Tracer sind Substanzen, die in sehr geringen Konzentrationen noch nachgewiesen werden können.

Diese an kleinen Hangausschnitten (Punkte) oder Hängen gewonnenen Ergebnisse wurden über vorhandene und im Zuge des Projektes erarbeitete Kartengrundlagen (Substratkarten, geomorphologische Karten, Oberflächen-Abflussbeiwertkarten, Karten der dominanten Abflussprozesse) auf die Einzugsgebiete extrapoliert und Karten der beitragenden Flächen bei Dauerregen abgeleitet (Abbildung 3).

Zusätzliche Informationen aus Geoelektrik und Aerogeophysik ermöglichten eine exaktere Abgrenzung der Gesteinsformationen und quartären Bedeckungen. So sind z.B. Moränen, Sandsteine und Tonschiefer aufgrund des hohen Feinanteiles oder Anstehendes deutlich erkennbar und damit Bereiche mit unterschiedlichem Abflussverhalten sehr gut differenzierbar.

Die Regionalisierungsansätze wurden in Teileinzugsgebieten erprobt, um Gesamt-Reaktionsmuster der Einzugsgebiete ableiten und besser verstehen zu können. Diese Vorgangsweise ermöglichte überhaupt erst eine Umsetzung der Messdaten für analoge Geländesituationen (Regionalisierung).

Die ermittelten Bandbreiten des Zwischenabflusses (Literaturauswertungen und Felddaten aus den Testgebieten) wurden tabellarisch zusammengefasst und in einer provisorischen Geländeanleitung (Markart et al. 2011) einem größeren Nutzerkreis zugänglich gemacht. Aufgrund dieser Angaben wurde ein Routen des Zwischenabflusses mit reellen Fließgeschwindigkeiten im N/A-Modell ZEMOKOST (Kohl 2011; Genaueres zu ZEMOKOST) möglich, bei den hydrologischen Modellierungen wurden sehr plausible Abflussganglinien und -spitzen erzielt.

Die im Brixenbach und im Ruggbach erzielten Resultate der Feldmessungen und der hydrologischen Modellierungen fließen in die Überarbeitung der jeweiligen Gefahrenzonenpläne durch die WLV bzw. das Amt der Vorarlberger Landesregierung ein.

Literatur

  • Markart G., B. Kohl, B. Sotier, K. Klebinder, T. Schauer, G. Bunza, H. Pirkl and R. Stern (2011): A Simple Code of Practice for the Assessment of Surface Runoff Coefficients for Alpine Soil-/Vegetation Units in Torrential Rain (Version 2.0). Report in the frame of the Interreg-SEE-Project CC-WaterS (WP7 - Water Supply Management Measures, Act 7.1).
  • Markart G., A. Römer, G. Bieber, H. Pirkl, K. Klebinder, C. Hörfarter, A. Ahl, A. Ita, B. Jochum, B. Kohl, G. Meissl, K. Motschka, D. Ottowitz, I. Schattauer, B. Sotier, M. Strasser, K. Suntinger und E. Winkler (2013): Abschätzung der Bandbreiten von Fließgeschwindigkeiten des oberflächennahen Zwischenabflusses in alpinen Einzugsgebieten. Endbericht - 3. Projektjahr an die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Nationalkomitee Hydrologie Österreichs (IHP), ISBN-Online: 978-3-7001-7392-2; doi:10.1553/Shallow