Aussagen zu den Folgen des Klimawandels in Bezug auf die Häufigkeit und Intensität von Naturgefahren-Ereignissen sind umso zuverlässiger, je mehr die Ergebnisse von theoretischen Überlegungen und Modellrechnungen mit dem bisher beobachteten Trend übereinstimmen (Perzl & Walter 2012).

Durch die Handlungen des Menschen sind diese Trends aber verzerrt. Die inhomogene und lückenhafte Dokumentation von Naturgefahren und des Waldzustands schränken ebenfalls zuverlässige Aussagen ein. Daher sind Rückschlüsse auf den Einfluss des Klimas mit großen Unsicherheiten behaftet.

Auch die Beurteilung der Schutzwirkung des Waldes vor Naturgefahren ist noch nicht mit hoher Sicherheit möglich. Erstmals wurden 1995 in der Schweizer "Wegleitung - Minimale Pflegemassnahmen für Wälder mit Schutzfunktion" zusammenfassend Kriterien zur Beurteilung der Schutzwirkung des Waldes veröffentlicht. Diese Richtlinie wurde 2005 neu herausgegeben ("NaiS", Frehner et al. 2005).

Weitere Richtlinien folgten, wie etwa das Schweizer "Sturmschadens-Handbuch" (BUWAL 2000 und BAFU 2008), die französische Richtlinie "Guide des Sylvicultures de Montagne" (GSM, Gauquelin & Courbaud 2006) und die ISDW-Merkblätter (Initiative Schutz durch Wald, BMLFUW 2008) in Österreich. Diese Richtlinien sind nach verschiedenen Konzepten aufgebaut und unterscheiden sich im Detail erheblich (Perzl 2012a).

Noch weitgehend ungeklärt sind z. B. die erforderliche Stammzahl zur Verhinderung von Lawinen in Laubholz-, Lärchen- und Nadel-Laubholz-Mischbeständen bei extremen Schneeverhältnissen (Abbildung 1) sowie der Einfluss des Waldes auf die Größe der Lawinen (Perzl 2012b). In NaiS wird derzeit die Beurteilung der Schutzwirkung des Waldes gegen Steinschlag überarbeitet (Dorren, zit. aus Maier 2011). Solche Richtlinien können am Besten auf der Basis flächendeckender Modellierung potenzieller Naturgefahren-Prozesse eingesetzt werden.

Trends meteorologischer Ursachen für Naturgefahren

Ein Anstieg der Lufttemperatur ist ein gesicherter genereller klimatischer Trend. Eine daraus resultierende Zunahme von meteorologischen Extremereignissen und in der Folge von Naturgefahren ist jedoch fraglich und nicht gesichert (Böhm 2008 und 2012). Es gibt keinen eindeutigen Trend. Die oft kleinräumigen Effekte können nicht zufriedenstellend modelliert werden.

Schneelawinen

Bisher konnte keine Veränderung der natürlichen Lawinenaktivität festgestellt werden (Laternser & Scheebeli 2002, Eckert 2009). Es gab jedoch in den letzten Jahrzehnten überall in den Alpen einen starken Rückgang von Ereignissen mit Personen- und Sachschäden auf Siedlungs- und Verkehrsflächen, und es wurden auch bei sehr gefährlichen Schneeverhältnissen nur wenige Schadenslawinen direkt aus dem Wald dokumentiert (Perzl 2012b).

Grund dafür dürften vor allem die Maßnahmen im Bereich Lawinenverbauung, Aufforstung, Schutzwaldsanierung, Lawinenwarnung und Gefahrenkartierung sein. Teich et al. (2012) konnten für die Schweiz feststellen, dass tendenziell die Anzahl der Tage mit Wetter- und Schneeverhältnissen, die zu Waldlawinen führen, abnimmt.

Durch die Erwärmung sind weniger Tage mit Lawinen im Hochwinter, dafür aber mehr Lawinentage im Frühjahr wahrscheinlich (Martin et al. 2001, Eckert 2009). Diese Modellergebnisse sind aber durch Trendanalysen wenig belegt.

Ein weiteres langfristiges Zukunftsszenario ist eine erhöhte Grunddisposition für Lawinen durch mehr Schnee und Starkschneefall (Laternser & Schneebeli 2003) in den Hochlagen, dafür eine abnehmende Grunddisposition in den tieferen Lagen durch weniger Schnee und mehr Regen im Winter. Kurz- bis mittelfristig (in den nächsten Jahrzehnten) wird auch eine Zunahme der Schneefallmenge in den Nordostalpen erwartet (Soncini & Bocchiola 2005).

Überflutung, Muren und Rutschungen

In den Alpen konnte in den letzten 30 bis 40 Jahren eine leichte Zunahme der Häufigkeit und Intensität von Hochwasser festgestellt werden (ONERC 2008). Es gibt aber keinen langfristigen Trend, und es ist ein Einfluss der Landnutzung auf diesen mittelfristigen Trend möglich. Die wenigen Studien auf Basis systematischer Beobachtung zeigen – obwohl das der medialen Wahrnehmung widerspricht – keinen Trend bei den Murereignissen (ONERC 2008). Für Rutschungen gibt es keine geeignete Datenbasis.

Den wenigen Modellrechnungen zufolge führt die Erwärmung zu einer Bodenstabilisierung (Dehn et al. 2000, Bathurst et al. 2005, Jomelli et al. 2009). Gefahren in diesem Zusammenhang sind zunehmendes Geschiebepotenzial durch das Auftauen des Permafrostes in den Hochlagen und die Zunahme des Oberflächenabflusses durch die Bodenversiegelung.

Felssturz und Steinschlag

Klimatische Auslöseursache für Felssturz und Steinschlag sind vor allem Frostwechsel. Aufgrund des Datenmangels gibt es nur wenige Trendaussagen. Untersuchungen in der Schweiz (Stoffel et al. 2005) lassen auf eine Zunahme der Steinschlagaktivität in Wärmeperioden und von großen Felsstürzen aus den Hochlagen nach überdurchschnittlich warmen Sommern in den Alpen schließen (Abbildung 2).

Gründe dafür sind das Auftauen des Permafrostes in den Hochlagen und ein verstärkter Frostwechsel. Die Österreichische und die Schweizer Waldinventur weisen aber in den letzten drei Inventurperioden noch keine Zunahme der Anzahl geschädigter Stämme aus.

Waldentwicklung und Schutzwirkung

Die Daten der Österreichischen und der Schweizer Waldinventur und Arealstatistik (Bebi et al. 2009, Duc & Brändli 2010) sowie lokale Fallstudien (z. B. Lardelli 2003) zeigen eine Zunahme der Schutzwaldfläche, der Bestandesdichte und damit auch der Schutzwirkung des Waldes. Es ist in den Alpen in den letzten Jahrzehnten auch zu einer Verdichtung des Waldes an der Waldgrenze, nicht jedoch zu einem erheblichen Anstieg der Waldgrenze gekommen (Stützer 2002, Zimmermann et al. 2006, Stepanek et al. 2009).

Die Lage der oberen Waldgrenze hängt in den Alpen stark von der Landnutzung (z. B. Almwirtschaft) ab, so dass sich ein Klimawandel nicht oder nur stark verzögert auswirkt. Langfristig muss diese Verdichtung des Waldes nicht zu einer besseren Schutzwirkung führen, und der Klimawandel birgt - vor allem in Wechselwirkung mit menschlich verursachten Waldgefährdungen - Gefahren für die Nachhaltigkeit der Schutzwirkung.

Bei der Zunahme der Waldfläche handelt es sich überwiegend um "Randlinieneffekte". Das sind kleinflächige Zunahmen, die langfristig keine deutliche Erhöhung der Schutzwirkung mit sich bringen. Oft handelt es sich um monotone Fichtenaufforstungen zwischen Waldrand und Flur in tieferen Lagen.

Die Verdichtung des Waldes kann lokal auch eine Folge von Pflegerückständen sein, die zu Stabilitäts- und Erosionsproblemen führen können, und in Verbindung mit dem Wildeinfluss den waldbaulichen und zeitlichen Handlungsspielraum einengen. Dichte Baumholzbestände sind etwa gegen Steinschlag sehr wirksam. Dieser Zustand lässt sich jedoch nicht dauernd erhalten.

Ein Beispiel dafür ist der im Rahmen des Projektes MANFRED untersuchte Steinschlag-Schutzwald Kilknerwald im Montafon. Das einschichtige schwache Fichten-Baumholz hat einen Vorrat von 869 Vfm/ha und eine Stammzahl von 1160 Stämmen/ha. Der mittlere h/d-Wert von 99 zeigt, dass die hohe Dichte auf Kosten der Stabilität entstanden ist (Maier 2011).

In den steilen Lawinenzügen, Rinnen und Steinschlaggassen ist aber keine generelle Verdichtung des Waldes belegt. Im Waldgrenzökoton werden weiterhin Extremereignisse (zum Beispiel Frost) in Verbindung mit menschlichem Einfluss die Ausbreitung des Waldes nach oben behindern (Wieser 2012).

Waldlawinen und Schneebruch durch mehr Nassschnee

In Österreich besteht ohne Schutzwirkung der Bestockung und von Schutzbauten auf etwa 512.000 ha Wald die Möglichkeit von Lawinenanbrüchen (13 % der Waldfläche). Betroffen von einem Rückgang der Grunddisposition für Lawinenanbruch durch die Erwärmung wären vor allem heute sub- bis mittelmontane Waldflächen, auf denen es bereits jetzt wenig Lawinenaktivität gibt (Perzl & Walter 2012).

In den heute hochmontanen bis tiefsubalpinen Lagen könnten höhere Temperaturen, ein höherer Regenanteil am Winterniederschlag und stärkere Strahlung im Frühjahr häufiger zu Nassschneesituationen führen, bei denen die Schutzwirkung des Waldes vor Lawinen geringer ist (Abbildung 3) und die Schneebruchgefahr steigt (Perzl & Walter 2012).

Bodenversiegelung und Klimawandel fordern erhöhte hydrologische Ausgleichswirkung

Die in den letzten Jahrzehnten verbesserte hydrologische Ausgleichswirkung des Waldes wird durch die sukzessiv weitere Verschlechterung der hydrologischen Bodeneigenschaften der umgebenden Landbedeckungseinheiten, beispielsweise Versiegelung, wieder ausgeglichen (Stepanek et al. 2009).

Auf tiefer liegenden Standorten mit geringmächtigen Böden besteht die Möglichkeit, dass durch eine Zunahme der Temperatur und eine Abnahme des Sommerniederschlags die Anzahl der Monate mit einem Defizit in der Wasserversorgung steigt (Markart et al. 2012). Dieser Trockenstress und die Verschiebung der Konkurrenzfähigkeit können langfristig eine Entmischung an Nadelholz bewirken, die Stabilität reduzieren und die Schutzwirkung von sub- bis tiefmontanen Beständen herabsetzen.

Wildeinfluss gefährdet die natürliche Anpassung an den Klimawandel

Außerdem verschlechtert der Wildeinfluss direkt und indirekt durch den Verlust von Laubholz besonders in den höheren, von Nadelholz dominierten Lagen die Qualität und Schutzleistungen des Waldbodens (Prietzel & Ammer 2008). In vielen Schutzwaldbeständen in Bayern, der Schweiz und in Österreich ist nicht ausreichend Verjüngung vorhanden. Vor allem die Entmischung durch den selektiven Verbiss und die damit verbundene Einengung der Artenvielfalt und der genetischen Diversität können langfristig die Widerstandsfähigkeit des Waldes gegen Folgen des Klimawandels und damit indirekt auch die Schutzwirkung herabsetzen.

Durch die Zunahme von Siedlungs- und Verkehrsflächen auch in den steilen Hanglagen wird immer mehr Wald zum Objektschutzwald. Ohne Gegenmaßnahmen nimmt daher die Wahrscheinlichkeit für Schäden durch Naturgefahren zu, auch bei gleichbleibender Häufigkeit und Stärke prädisponierender und auslösender meteorologischer Ereignisse.