Neue Trends treten oft zuerst im Siedlungsbereich auf. Die Stadtwälder und andere Grün- und Freiräumewerden seit 2000 durch Grün Stadt Zürich bewirtschaftet. Welche Herausforderungen bestehen dabei für das Waldmanagement im städtischen Umfeld und welche Rolle spielt die Planung?

Die Grünflächen in Zürich zu denen Parkanlagen, Villengärten, Strassen- und Alleebäume, Sport- und Spielplätze, Bauernhöfe, Biotope, Bachufer, Friedhöfe und Familiengärten sowie die Stadtwälder zählen, umfassen 3773 Hektare.
Da bei Grün Stadt Zürich alle “grünen Themen“ vereint sind, ist die Zusammenarbeit zwischen den Verantwortlichen für die verschiedenen Grünräume sehr eng. Der vorliegende Beitrag beschränkt sich ausschliesslich auf die Stadtwälder. Auch wenn es sich nur um einen Teil der “Urban Forestry“ handelt, wird deutlich, wie sehr die “Urban Forestry“- Merkmale Multi- und Interdisziplinität, transdisziplinärer Ansatz, Praxisorientierung und gesellschaftliche Relevanz sowie Multifunktionalität auch auf die städtische Waldbewirtschaftung zutreffen.

Urban Forestry beschäftigt sich mit dem Schutz und der nachhaltigen Entwicklung von Gehölzen und Grünräumen im Siedlungsbereich. Dazu zählen u.a. Stadtwald und Parkanlagen.

Herausforderungen im Stadtwald

Die vielfältigen Ansprüche an den Wald forderten von den Forstfachleuten schon immer eine ganzheitliche Sichtweise. Mit dem stetigen Bevölkerungswachstum und der Zunahme der Erholungssuchenden im Wald wird diese Kernkompetenz der Forstfachleute immer wichtiger. Eine wichtige Voraussetzung für “Urban Forestry“ im Hinblick auf einen erfolgreichen Umgang mit den Herausforderungen in den Urban Forests ist die intersektorale und disziplinübergreifende Zusammenarbeit.

In Zürich stellt der Wald die grösste Freizeitarena dar. Die Tätigkeiten der Forstfachleute werden von den Waldbesuchenden genau beobachtet. Einzelpersonen und organisierte Gruppen machen ihre Ansprüche geltend und versuchen, Einfluss auf die Waldbewirtschaftung zu nehmen. Eingriffe im Wald werden zum einen in Form von Anfragen bei Grün Stadt Zürich hinterfragt, zum anderen durch politische Vorstösse oder via Medien. Entscheide müssen permanent erklärt und begründet werden. Die Forstfachleute profitieren jedoch von ihrem Fachwissen und vom guten Image des Waldes. Im städtischen Umfeld beschäftigen sich viele Amtsstellen, Forschungsinstitute, Vereine, Eigentumsvertretungen und Privatpersonen mit Aspekten rund um das Thema Wald. Die Bauten reichen bis an den Waldrand. Der Wald in der Stadt Zürich weist deshalb sowohl räumlich als auch fachlich unzählige Schnittstellen auf. Der Einbezug der relevanten Parteien erfordert viel Umsicht und ein gut funktionierendes Netzwerk.

Die Stadt Zürich erachtet den Prozessschutz als wichtig und hat daher die Waldbewirtschaftung im Sihlwald eingestellt. Auch am Uetliberg hat sie ein Naturwaldreservat eingerichtet. Beide Flächen dürfen aufgrund von Sicherheitsüberlegungen und um sie umfassend zu schützen, abseits der Wege nicht betreten werden. Im stark begangenen Erholungswald jedoch lassen die steigenden Anforderungen an die zu gewährleistende Sicherheit einen Nutzungsverzicht nicht zu.

Der Wald gilt als Naturraum und bildet damit einen starken Kontrast zu den städtischen Grünflächen. Viele Menschen geniessen die Ruhe und die Natur im städtischen Wald. Andere wiederum fühlen sich im Wald unbeobachtet und glauben, - ungestört und ohne zu stören -, Bikepisten oder Waldhütten bauen oder laute Partys veranstalten zu können.

Von den Forstfachleuten erfordert das ständige Beobachtet werden, die vielen Schnittstellen sowie die notwendigen Grundsatzentscheide ein umsichtiges Management, bei dem Massnahmen geplant, realisiert und auch kontrolliert werden müssen.

Welche Rolle spielt die Planung?

Auf der Grundage des Waldentwicklungsplanes (WEP) der Stadt Zürich erarbeitete Grün Stadt Zürich einen integralen Betriebsplan Wald in dem wichtige Grundsätze festgelegt sind:

  • Der Wald soll beispielsweise als Kontrast zur hektischen Stadt eine Ruheinsel bleiben.
  • Zugleich soll er ein attraktiver Erholungswald sein.
  • Deshalb soll im Wald so wenig Infrastruktur wie möglich, aber auch soviel wie nötig zur Verfügung stehen.
  • Um möglichst viele der zahlreichen Ansprüche erfüllen zu können, setzt Zürich auf eine multifunktionale Waldbewirtschaftung.

Der integrale Charakter des Betriebsplanes zeigt sich darin, dass einerseits die vorhandenen Ansprüche für wichtige Themen ausformuliert und ausdiskutiert werden und andererseits die für das Management der vielen Schnittstellen pro Thema und Fläche relevanten Grundlagen zusammengetragen und wo nötig, Prozesse zum Einbezug von Partnerorganisationen formuliert werden. Eine gute und konsistente, vorausschauende Planung ist als Argumentationsbasis für die zahlreichen Entscheide ebenso wichtig wie bei der Kommunikation der Massnahmen.

Forstliche Planungen erstrecken sich über einen langen Zeitraum. Deshalb kann die Aktualität im einen oder anderen Fall die Planung überrollen. Planungsinstrumente sollten deshalb so gestaltet sein, dass neue Entwicklungen rasch abgebildet werden können.

Beispiele für Herausforderungen

Die Stadt Zürich lebt “Urban Forestry“ bereits seit vielen Jahren.Neben der Bewirtschaftung der Stadtwälder und der anderen Grünräume geht es auch um das Management der vielfältigen Ansprüche und Bedürfnisse der Bevölkerung, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen.

Öffentlichkeitsarbeit bei Holzschlägen

Im städtischen Umfeld fehlt oft das Verständnis für forstliche Massnahmen. Um das zu ändern, finden regelmässig Führungen zu forstlichen Themen statt. Im Winter werden z.B. Holzschläge mit einer öffentlichen Exkursion begleitet. Damit kann vor Ort erklärt werden, welche Massnahmen aus welchem Grund ergriffen werden und wie wichtig das Beachten der Absperrungen bei Holzerntearbeiten ist. Alle auf dem Stadtgebiet geplanten Holzschläge werden im Internet publiziert. Der Verweis auf diese Öffentlichkeitsarbeit nimmt den Reaktionen aus der Bevölkerung schon viel Wind aus den Segeln. Allerdings kann auch eine offensive Informationspolitik Reaktionen nie ganz verhindern.

Finanzielle Abgeltung für ein attraktives Erholungsangebot

In einigen Stadtquartieren stellen Privatwälder den nächstgelegenen Erholungsraum dar. Grün Stadt Zürich setze sich gemeinsam mit den Verschönerungsvereinen dafür ein, dass auch diese Wälder für die Erholungssuchenden attraktiv sind. Die wertschätzende Zusammenarbeit mit den Privatwaldbesitzenden ist hierbei zentral. Die Leistungen, die sie für die Öffentlichkeit erbringen, werden von der Stadt abgegolten. Noch fehlt die finanzielle Abgeltung dieser Zentrumsleistung vonseiten Kanton und Bund. Eine solche wäre gerechtfertigt, da auch viele Auswärtige Erholung im Stadtzürcher Wald suchen.

Städtische Holzenergieposition

Aufgrund der naturnahen Bewirtschaftung nimmt der Laubholzanteil in den städtischen Wäldern stetig zu. Damit fällt viel Energieholz an, das möglichst in der Stadt abgesetzt werden soll. Unter der Leitung des Städtischen Umwelt- und Gesundheitsschutzes wurde eine städtische Position zur Holzenergie erarbeitet, wobei strenge Anforderungen an Holzheizungen in städtischen Bauten festgelegt wurden. Grün Stadt Zürich setzte sich dafür ein, dass die Verwendung von Waldenergieholz auch in städtischen Bauten möglich bleibt. In Anlagen, die auf Prozessenergie mit hohem Temperaturniveau angewiesen sind, zum Beispiel beim Stadtspital Triemli, werden nun Hackschnitzel aus dem Stadtwald eingesetzt.

Bewilligungen für Jugendpartys

Jugendliche, die den Wald für Partys nutzten möchten, bekommen unter bestimmten Bedingungen eine Bewilligung. In Übereinstimmung mit den Planungsgrundlagen wurden von Grün Stadt Zürich einige Plätze im Wald und in Parkanlagen festgelegt, wo Jugendpartys ermöglicht werden können. Der WEP half bei der Argumentation, die Jugendpartys nicht mitten in für Natur und Wild wichtigen Gebieten zu erlauben. Die Bewilligungserteilung wird seit 2012 von einer Arbeitsgruppe eng begleitet.

Zusammenarbeit mit der Forschung

Immer wieder werden Forschungsprojekte an Grün Stadt Zürich herangetragen, oder Grün Stadt Zürich lässt wichtige Fragen durch die Forschung klären. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit und die unterschiedlichen Denkmuster von Fachleuten aus der Forstwirtschaft und aus der Landschaftsarchitektur ergaben für beide Seiten gute Impulse.

Erlebnispfade

Um einen Tafelwald im Wald zu vermeiden, sollen solche Pfade digital realisiert werden. Der Lehrpfad „“Unterwegs zu den Eiben am Uetliberg“ wurde als Erweiterung der “ZÜRI Z FUSS“ des Tiefbauamtes auf digitaler Basis von Grün Stadt Zürich eingerichtet. An einigen Orten im Wald greifen Kunstwerke ein Thema des Pfades auf. Streckenführung und Informationen zum Pfad können über den Online-Stadtplan abgerufen werden oder sind als gedruckter Plan erhältlich.

Anlagen für den Mountainbikesport

Grün Stadt Zürich entwickelte am Uetliberg bereits seit 2000 mit allen betroffenen Parteien eine tragfähige Lösung für die damals neue Trendsportart Mountainbike. Dazu wurde eine Diskussionsgruppe eingerichtet, die den Prozess bis heute begleitet. Die Stadt Zürich stellte als erste Gemeinde der Schweiz der Bevölkerung einen Biketrail zur Verfügung. Mittlerweile gibt es im Zürcher Stadtwald vier Mountainbikeanlagen: drei Trails und einen Pumptrack.

Erholungsmonitoring

Der Anteil der Bewegungen mit dem Fahrrad an den Gesamtfrequenzen aller Erholungssuchenden auf dem Wegenetz am Uetliberg erhöhte sich zwischen 2006 und 2012 von knapp 10% auf 20 bis 25%. Die Nutzung des Biketrails Triemli hat sich mittlerweile bei rund 35.000 bis 40.000 Abfahrten pro Jahr stabilisiert. Daraus lassen sich folgende Schlüsse ziehen:

  • Die alten Probleme lassen sich auch mit dem Bau von Biketrails nicht vollständig aus der Welt schaffen
  • Neue Angebote schaffen neue Bedürfnisse
  • Viele Bikende möchten sich nicht illegal verhalten und schätzen die legalen Angebote wie den Biketrail Adlisberg

Zurzeit wird deshalb in einer interdepartementalen Zusammenarbeit von Grün Stadt Zürich mit dem Tiefbauamt ein städtisches Mountainbikekonzept erarbeitet, in das die wichtigen Anspruchsgruppen einbezogen werden.

Erkenntnisse

Die Beispiele zeigen, dass sich die zahlreichen komplexen und bereichsübergreifenden Fragestellungen rund um den Wald nur mit einer themenübergreifenden Zusammenarbeit lösen lassen. Diese gelingt nur, wenn miteinander geredet und zugehört wird, Ideen ausgetauscht werden und die Partnerorganisationen eingebunden werden. Bei der Lösungsfindung gilt es, in einem ersten Schritt zu erkennen, welche Themen und Parteien für das zu lösende Problem relevant sind. Funktionierende und partnerschaftliche Netzwerke sind daher sehr hilfreich und tragen dazu bei, niemanden ausser Acht zu lassen.

Die Waldbewirtschaftung in den Städten steht unter dauernder Beobachtung, hat viele Schnittstellen und erfordert manchmal auch Grundsatzentscheide. Massnahmen müssen gut begründet und breit abgestützt sein. Für die Forstbranche ist deshalb wichtig, sich aktiv und mit überzeugenden Argumenten einzubringen. Durchdachte und aufeinander abgestimmte Planungsinstrumente bieten wertvolle Argumentationshilfen, um in der Tagesaktualität das eigene Tun nachvollziehbar erklären zu können. Zusammen mit dem forstlichen Fachwissen sind sie wichtige Eckpfeiler für ein gutes Management der Erholungsaktivitäten im Stadtwald.