Derzeit ist es aber schwierig, zum aktuellen Biomassepotenzial des österreichischen Waldes eine sachlich fundierte und umfassende Aussage zu erhalten. Zahlreiche Studien laufen oder sind bereits abgeschlossen, die Ergebnisse widersprechen einander zum Teil jedoch deutlich. Das BFW arbeitet momentan an einer umfassenden Studie, die Klarheit schaffen soll.

Der Bedarf ist klar: Ökostromgesetz und Investitionen der Holz verarbeitenden Industrie im In- und Ausland steigern massiv den Bedarf am Rohstoff Holz in Österreich. Der Holzmarkt wandelte sich in den letzten Jahren zu einem Verkäufermarkt, der Preis hat entsprechend reagiert.

Weitere Bedarfsteigerungen stehen mit den laufenden Inbetriebnahmen von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen in den nächsten Jahren an. Laut Studien der Österreichischen Energieagentur wird der Mehrbedarf für die energetische Nutzung zwischen 2006 und 2007 rund 1,3 Mio. Festmeteräquivalente betragen.
Längerfristige Schätzungen sind natürlich schwieriger. Die Steigerung des Bedarfes im laufenden Jahrzehnt kann mit über 4 Mio. Festmeteräquivalenten angeschätzt werden. Ein noch nicht ganz gelöstes Problem ist die Umrechnung von Festmeteräquivalenten in Vorratsfestmeter (Vfm), wie sie die Österreichische Waldinventur ausweist.

Der Mehrbedarf für die stoffliche Nutzung (Sägewerke, Zellstoff, Papier und Platte) ist noch schwieriger anzuschätzen. Um den ausfallenden Import von Sägerund- und Industrieholz ausgleichen zu können, werden in den kommenden Jahren etwa 2,5 Mio. Erntefestmeter (Efm) notwendig sein.

Potenzial = Zuwachs minus Nutzung?

Leider verfallen wir gerne dem Irrtum, den Wald als reine Holzfabrik aufzufassen. Wir verstehen dann unter nachhaltiger Holznutzung die Abschöpfung des gesamten Zuwachses. In Zahlen würde das momentan bedeuten, dass rund 60 % (19 von 31 Mio. Vfm) dieses Potenziales genutzt werden und der Rest nur darauf wartet, endlich aus dem Wald abgeholt zu werden.

So einfach ist das aber nicht: Wir haben es mit einer multifunktionellen Waldwirtschaft zu tun, in der die Nutzfunktion neben einer Reihe anderer Wirkungen des Waldes nur einen Teil ausmacht. Im Wald mit Schutzwirkung können wir die „Holzfabrik“ nur unter bestimmten Rahmenbedingungen anzapfen, von denen der Zuwachs nur eine ist. Selbstverständlich schränken auch Vorgaben des Naturschutzes die Nutzungsmöglichkeiten ein.

Ein weiteres Indiz, dass die Differenz von Zuwachs und Nutzung alleine nicht ausschlaggebend ist: Das Nutzungsverhalten ist je nach Eigentumskategorie stark unterschiedlich. In jenen Wäldern, die ihren Eigentümern als Haupteinnahmequelle dienen, ist die Differenz zwischen Zuwachs und Nutzung um ein Vielfaches geringer als im Kleinwald, wo Einkünfte aus dem Holzverkauf oft nur periodisches Zubrot zum landwirtschaftlichen Erwerb sind oder der Wald Sparkassenfunktion erfüllt (Abbildung 1).

Schließlich muss die Holznutzung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgen. So ist es zum Beispiel in den letzten 25 Jahren zu einer Verschiebung der Nutzungsgewohnheiten in Bezug auf Durchmesserdimensionen gekommen. Stagnierende oder sinkende Holzpreise haben zu einer Verschiebung der Nutzungssortimente in stärkere Dimensionen geführt (Abbildung 2).

Bedauerlicherweise geht das mit einer Abnahme der Vornutzungen einher. Die Bestände sind dichter und instabiler gegenüber Sturm und Schneebruch geworden. Diese Entwicklung ist in den Betrieben über 200 ha festzustellen, im Kleinwald haben diese wirtschaftlichen Überlegungen nicht Platz gegriffen.

Durchforstungsreserven und -rückstände

Der Anteil der Vornutzung an der Gesamtnutzung ist nicht nur in letzter Zeit zurück gegangen, er ist insgesamt relativ gering. Als Faustzahl des Waldbaues wird oft 30% Vornutzungsanteil genannt. Abbildung 3 zeigt die tatsächlichen Anteile für die letzten 25 Jahre, gegliedert nach Eigentumskategorien, die deutlich unter diesem Wert liegen. Die ÖWI 2000/2002 beziffert die Durchforstungsreserven mit 75 Mio. Vfm, wobei sich 65 % davon im Kleinwald befinden. Es ist nicht einfach festzustellen, in welchem Zeitraum diese Reserven nachhaltig genutzt werden könnten.

Um die bei der Nutzung der Durchforstungsreserven entstehende Zuwachsentwicklung prognostizieren zu können, bedarf es einer Waldwachstumsmodellierung. Nur so kann abgeschätzt werden, in wievielen Jahren diese Reserven abgebaut werden könnten, ohne den Zuwachs negativ zu beeinflussen.

Bringbarkeit beeinflusst stark das Nutzungsverhalten

Klarerweise beeinflussen die Bringungskosten das Nutzungsverhalten. Dies war wegen der ungünstigen Holzpreisentwicklung der letzen Jahrzehnte besonders bedeutsam. Wertet man das Verhältnis zwischen Zuwachs und Nutzung nach der Hangneigung, ergibt sich im Großwald ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Nutzungsprozent und der Hangneigung. Während die Werte im günstigeren Gelände bis 30 % sogar knapp über 100 % liegen, also mehr als der Zuwachs genutzt wird, erreichen sie in Steillagen nur rund 65 % (Abbildung 4).

Holz- und Biomassenstudie des BFW

Es ist also klar: Eine Abschätzung der nutzbaren Holz- und Biomassenpotenziale erfordert mehr als nur die Ermittlung von Zuwachs und Nutzungskennziffern. Daher hat das Lebensministerium (BMLFUW) das Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) im Herbst 2006 mit einer umfassenden Studie beauftragt, die unter anderem folgende Gesichtspunkte berücksichtigt:

  • Prognose des Waldwachstums für die nächsten 20 Jahre unter verschiedenen Nutzungsszenarien,
  • Ermittlung der Ernte- und Rückungskosten zur Beurteilung der ökonomischen Nachhaltigkeit,
  • Ausformung der Probestämme in handelsübliche Sortimente und Biomassenkompartimente,
  • Preisszenarien für Holz und Biomasse,
  • Einschränkungen der Nutzbarkeit der Biomasse wegen Beachtung der ökologischen Nachhaltigkeit,
  • Einschränkungen der Nutzbarkeit durch Berücksichtigung von Naturschutzaspekten,
  • Zusätzliches Aufkommen von neuen Energieholzflächen.

Grundlage der Studie muss eine umfassende Abhandlung des Begriffes der Nachhaltigkeit sein. Es gibt dabei unterschiedliche Ansätze, die auch weit über den Rohstoff Holz in Richtung ländliche Entwicklung gehen könnten. Die BFW-Studie beschränkt sich auf die Rohstoff-, Zuwachs-, Vorrats- und Wertnachhaltigkeit sowie die Erhaltung des Nährstoffpotenzials.

So umfangreich diese Studie auch sein wird, sie kann die Bemühungen zur tatsächlichen Mobilisierung des nachhaltig nutzbaren Potenziales nicht ersetzen. Alle Anstrengungen dazu sind zumindest genauso wichtig wie die Ermittlung des ökonomisch und ökologisch nachhaltig nutzbaren Potenziales.