Nachhaltigkeit ist eine rein menschliche Dimension. In der Tierwelt gibt es dieses Denk­muster nicht, daher können wir uns von ihr nichts abschauen. Die Menschen müssen sich also eigene Ge­danken machen, was der Forstbranche angeblich sehr leicht fällt. Die Forstleute haben die Nachhaltigkeit ja erfunden und stecken sie seit Jahrhunderten gerne in die Denkweise der Altersklassenwirtschaft. Ist das noch zeitgemäß?

Dieser Artikel beschränkt sich bewusst auf die ökonomische Fragestellung der Nachhaltigkeit. Nicht weil der Autor ein unverbesserlicher Gläubiger der Kielwassertheorie ist – sämtliche Wirkungen des Waldes werden optimal durch die rein ökonomisch orientierte Bewirtschaftung erfüllt, sondern weil die Österreichische Waldinventur (ÖWI) dafür eine sehr gute Datengrundlage liefert.

Waldflächenentwicklung – nachhaltig, ja aber …

Ein sehr einfacher Weg, die Nachhaltigkeit des österreichischen Waldes nachzuweisen, ist seine Waldflächenentwicklung. Seit Bestehen der ÖWI nimmt die Waldfläche kontinuierlich zu. Das ist schon einmal eine gute und beruhigende Basis – für den Wald.

Diese Entwicklung geht aber auf Kosten anderer Landnutzungsformen, vor allem der Landwirtschaft, die im gleichen Zeitraum rund 400.000 ha verloren hat (Abbildung 1). Dafür können viele Ursachen genannt werden (z.B. gesteigerte Flächenproduktivität, Preisentwicklungen, …). Und es gibt verschiedene Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit im ländlichen Raum (z.B. Entsiedelungsgebiete, …). Die Frage nach einer umfassenderen Nachhaltigkeit kann daher nicht eindeutig mit "Ja" beantwortet werden.

Die Waldflächenentwicklung gibt auch keine Auskunft über die Nachhaltigkeit der Holzpotenziale. Hier nutzt die Forstwirtschaft seit langer Zeit ein sehr einfaches Modell - den Altersklassenwald. Er bringt Ordnung in das Durcheinander der Natur und erlaubt eine rasche Übersicht für die zukünftige Entwicklung über Umtriebszeiten hinweg.

Besonders einfach ist das Normalwaldmodell: Nachhaltigkeit ist dann gesichert, wenn alle Altersklassen gleich große Flächen haben. Gängige Hiebssatzformeln berücksichtigen diesen "anzustrebenden" Zustand in Form eines Ausgleichszeitraumes. Natürlich gelten diese Zusammenhänge nur innerhalb einer Betriebsklasse mit definierter Baumart und Umtriebszeit. Trotzdem ist es interessant, die Altersklassenverteilung im gesamten österreichischen Ertragswald dieser Modellvorstellung gegenüber zu stellen.

Vorher sollte aber noch geklärt werden, in welcher Form die ÖWI die Flächen der Altersklassen erhebt. Das klingt zunächst ganz einfach, ist es aber nicht. Unsere Taxatoren erfassen auf einer Probefläche von 300m² die Alterklasse(n) nach ihrer Überschirmung. Dabei kommt es oft vor, dass auf dieser Fläche Bäume aus verschiedenen Altersklassen stehen (48% der Probeflächen).

In dem Fall hat der Taxator die Möglichkeit, mehrere Altersklassen auf einer Fläche anzugeben. Diese Altersklassenflächen können als "ideelle Flächen" bezeichnet werden, da sie keine Bewirtschaftungseinheiten dar­stellen. Größere zusammenhängende Flächen mit nur einer Altersklasse bezeichnen wir als "reelle Flächen".

Die ÖWI hat in einer Spezialauswertung den Anteil des Altersklassenwaldes am Gesamtertragswald mit 51% ermittelt (siehe ÖFZ 12/2011 und 1/2012). Nur in diesem Teil wird also dem Modell entsprechend gewirtschaftet, im restlichen Wald werden kleinflächigere Nutzungsformen bevorzugt, die letztlich die Flächen der ideellen Altersklassen bilden.

Eine weitere Eigenheit der ÖWI-Erhebung sind die Blößen und Lücken. Sie beschreiben Flächen im Ertragswald, auf denen keine Bäume stehen. Entweder sind das frische Schläge, die als Blößen taxiert werden, oder es sind Lücken im Bestand, die durch Vornutzungen, Absterben und Umfallen einzelner Bäume, dichter Gras- oder Strauchwuchs usw. entstehen können.

Die tatsächliche Altersklassenverteilung

Wie in Abbildung 2 eindeutig gezeigt, weicht die aktuelle Altersklassenverteilung massiv vom Normalwaldmodell ab. Ist die Nachhaltigkeit daher gefährdet? Darauf kann ich keine kurze Antwort geben, ohne viele mögliche Wanderungen zwischen Altersklassenflächen detaillierter zu beschreiben. Diese Wanderungen sind jedenfalls nicht so einfach, wie es das Normalwaldmodell unterstellt, wo die höchste Altersklasse in 20 Jahren komplett genutzt wird, um dann die ehemalig erste Altersklasse zu ersetzen.

Wanderungen zwischen Alters­klassen entstehen durch:

  • Älterwerden der Bäume
  • Endnutzungen (großflächig, kleinflächig und einzeln)
  • Vornutzungen
  • Waldzu- und -abgänge

Durch das Altern der Bäume wandern sie nach 20 Jahren in die nächste Altersklasse. Darüber hinaus können sich Lücken schließen, damit nehmen ihre Flächen ab und die der jeweiligen Altersklasse zu. Endnutzungen finden in vielen Altersklassen statt. Wenn wir nur die reellen Flächen betrachten, so sind dies die Altersklassen ab 60 Jahren. Wenn wir aber auch die ideellen Flächen hinzunehmen, so werden manchmal bei flächigen Nutzungen jüngere Altersklassen mit genutzt. Diese Endnutzungsflächen wandern bei größeren Nutzungen zunächst kurz in die Blöße und dann in die erste Altersklasse.

Bei Schirmverjüngung gibt die ÖWI die Verjüngung unter Schirm nicht als eigene Altersklasse an, weil sonst die Gesamtschirmfläche über 100% wäre. Solche Flächen können daher auch "direkt" von einer hohen Altersklasse nach der Räumung in die zweite Klasse wandern. Bei Einzelstamm-Endnutzungen entstehen zunächst Lücken. Diese wandern später in die erste oder zweite Altersklasse. Vornutzungen reduzieren die Fläche der jeweiligen Altersklasse ebenfalls zugunsten der Lücken, die sich dann wieder schließen.

Waldzu- und -abgänge spielen in Österreich für die Altersklassenbewegungen eine untergeordnete Rolle. Sie können in allen Altersklassen zu Veränderungen führen. Am stärksten sind die Zunahmen in der ersten und zweiten Altersklasse bei Neubewaldung.

Die aktuelle Altersklassenverteilung kann langfristig so erhalten bleiben, ohne dass es zu Nutzungsengpässen in Altersklassen kommen wird:

  • Die abnehmende Größe der Altersklassen ab 60 Jahre ist durch die unterschiedlichen langen Umtriebszeiten bedingt. Die etwas größere Klasse > 140 entsteht, weil hier mehrere zwanzigjährige Klassen zusammengefasst sind. Das wird auch in Zukunft so bleiben, ohne eine nachhaltige Nutzung zu gefährden. Die zweite Altersklasse muss größer als die erste sein, weil zusätzlich zum Wandern aus der ersten Altersklasse zum Beispiel bei Räumungen Flächen "direkt" in die zweite Klasse wandern.
  • Es ist wahrscheinlich, dass die dritte Altersklasse in 20 Jahren etwas höher als die aktuelle sein wird. Dies stellt aber für die nachhaltige Nutzung kein Problem dar.
  • Die derzeitige Altersklassenver­teilung liefert also keinen Grund zur Sorge, die nachhaltige Nutzungsmöglichkeit könnte in den nächsten 100 Jahren durch eine ungünstige Altersklassenentwicklung gefährdet sein.

Alternativen zum Altersklassenmodell

Trotz alledem stellt sich die Frage, inwieweit das Denken in Altersklassen überhaupt ein geeignetes Werkzeug zur Beurteilung der Nachhaltigkeit ist. Die Komplexität der möglichen Wanderbewegungen zeigt eindeutig, dass dieses Modell, wenn es an die österreichischen Gegebenheiten angepasst wird, leider nicht einfach ist. Die zunehmend kleinflächigeren Bewirtschaftungsformen stellen die einzelbaumweise Betrachtung immer mehr in den Vordergrund. Damit taucht auch die Frage auf, inwieweit ein Bestandesalter noch sinnvoll angegeben werden kann. Dadurch wird aber auch die Verwendung der Ertragstafeln als Planungsgrundlage immer problematischer.

Die Forschung hat in den letzten Jahrzehnten mit altersunabhängigen Einzelbaumwachstumsmodellen (z.B. PROGNAUS) Alternativen zu den Ertragstafeln entwickelt, die auch in der Lage sind, mögliche Klimaänderungen mit einzubeziehen. Die Praxistauglichkeit dieser Modelle ist jedoch noch nicht im vollen Umfang gegeben.