Der Wald ist mit seinem reichhaltigen Angebot an Sinnes- und Gefühlseindrücken ein gerne aufgesuchter Raum. Waldpädagogische Einrichtungen, vor allem auch Walderlebnispfade, sind gefragt und werden insbesondere von Familien wie Naturfreunden besucht. Diese Angebote sind grundsätzlich für jedermann zugänglich, oftmals wurden beim Bau aber nicht die Bedürfnisse aller Besuchergruppen berücksichtigt. Menschen mit Behinderung – ob sie beispielsweise auf eine Gehhilfe oder einen Rollstuhl angewiesen oder blind sind – können diese Angebote daher nur mit Unterstützung nutzen.

Am Anfang war die Idee

Um möglichst allen Menschen einen Zugang zu den Wonnen des Waldes zu gewährleisten, entstand am Walderlebniszentrum (WEZ) Gramschatzer Wald schon 2013 die Idee eines barrierefreien Walderlebnispfades. Der Standort bot sich an, da die hier schon vorhandene Infrastruktur, wie beispielsweise Parkplätze oder die behindertengerechte Toilette, mit genutzt werden können. Der Walderlebnispfad sollte Menschen mit den unterschiedlichsten Behinderungen den Erlebnisraum Wald eröffnen und gleichzeitig für "normale" Besucher interessant sein. Anregungen holte sich das Team bei den Kollegen in Baden-Württemberg: Am Haus des Waldes in Stuttgart war bereits 2015 ein Walderlebnisweg barrierefrei fertiggestellt worden.

Unterstützung vom "Fach"

Gleichzeitig war schnell klar, dass ein solcher Pfad nur erfolgreich werden kann, wenn behinderte Personen bei dessen Entwicklung beteiligt werden. Da es in Würzburg eine ganze Reihe von Einrichtungen für Menschen mit Behinderung gibt, fanden sich schnell interessierte und engagierte Unterstützter. Bei der Planung gab es zahlreiche Tipps verschiedener Institutionen, beim Bau unterstützen regelmäßig eine Rollator-Fahrerin, ein Blinder und ein Rollstuhlfahrer mit ihren Erfahrungen und Hinweisen.

Barrierefreiheit hat viele Gesichter

Barrierefreiheit fängt schon mit der Länge des Weges an. Gerade für ältere oder gehbehinderte Menschen sind lange Distanzen eine große, oft sogar eine nicht zu bewältigende Herausforderung. Dem wurde die Weglänge von SINNESWANDELN angepasst. Der Weg ist 1,1 km lang und weist nur eine sehr geringe Steigung auf. Gleichzeitig laden viele Bänke und sogar eine Sitzgruppe zum Rasten ein. Als Belag des Weges dient Mineralbeton mit einem hohen Anteil an Feinmaterial, der mit einer Walze mehrfach verdichtet wurde. Damit ist gegen Bremsen oder gar Steckenbleiben wie auf herkömmlich geschotterten Waldwegen vorgesorgt und der Weg auch mit Rollstuhl und Rollator gut befahrbar. Damit dies auch so bleibt, muss der Weg im Sinne der Barrierefreiheit dauerhaft unterhalten werden.

Der Pfad ist als Rundweg angelegt und sollte idealerweise im Uhrzeigersinn erkundet werden. Als Wegführung für sehbehinderte Gäste wurde am rechten Wegesrand ein Leitsystem aus Planken und Handläufen angebracht (Abb. 2). Entlang der Planken am Boden können sich blinde Besucher mittels Langstock orientieren. An den Handläufen sind Hinweise auf den Wegeverlauf oder die Stationen angebracht. Auf allen Schildern sind die Objekte erhöht und damit gut zu ertasten. Zusätzlich werden die Hinweise in Blindenschrift angeboten (Abb. 3).

Gesegnet und geweiht

Anfang 2016 waren die Früchte der dreijährigen Arbeit endlich zur Ernte bereit: SINNESWANDELN wurde eröffnet. Dabei waren viele Menschen mit Behinderung, Vertreter aus Politik und Gesellschaft sowie Fördervereinsmitglieder. Eine Dekanin der evangelischen Kirche und ein Pastoralreferent von katholischer Seite segneten die Nutzung und die Nutzer des Pfades und wünschten viele bereichernde Begegnungen zwischen Menschen mit und ohne Behinderung. Anschließend wurde das grüne Band – als Symbol zur Freigabe des Weges – durchschnitten (Abb. 4).

Stationen

SINNESWANDELN besteht aus insgesamt fünf Stationen. An der Station "Tasten" steht das Fühlen im Vordergrund. Der Baum kann hier mit den Händen als Kunst- und Nutzwerk der Natur begriffen werden. Kann man die Eiche an ihrer Rinde ertasten? Auf einer Baumscheibe können wir mit unseren Fingern die Jahrringe zählen – auch bequem vom Rollstuhl aus (Abb. 5). Wie fühlt sich ein alter Baum im Vergleich zu einem jüngeren an? Und wie geht der Baum unter der Erde eigentlich weiter? Auch der Waldboden bietet für unsere Füße besondere Erlebnisse – auf dem Barfußpfad.

Bei der Station "Lauschen" erleben wir die heilende Ruhe des Waldes. Vogelstimmen, Windrauschen, knackende Äste – das alles und noch viel mehr wird uns überraschen. Die Waldliegen laden zum Ausruhen und Genießen der Waldruhe ein. Doch der Wald kann auch Töne produzieren; lauschen wir ihnen am Hörrohr. Oder wollen wir lieber das Baumtelefon ausprobieren? Besonders attraktiv ist hier das "große Waldbett", das mit Hackschnitzeln aufgepolstert ist und zum Ruhen auf dem Waldboden einlädt.

An der Station "Riechen und Schmecken" können wir den Wald auch mit Nase und Mund erleben: Neben den wunderbaren natürlichen Frühlings-, Sommer- und Herbstdüften lassen uns Duftorgeln noch andere intensive Naturgerüche in den Wald zaubern und genießen. An Infotafeln lernen wir bald essbare Kräuter, Pilze und Bäume kennen.

Im Wald ist was los – viele Tiere, Pflanzen und andere Lebewesen fühlen sich hier wohl. An der Station "Sehen" können wir durch den Stangenwald wandeln (Abb. 6), mit Hilfe der Sehrohre die Umgebung erkunden oder Tierspuren stempeln.

"Alle Sinne" spricht die letzte Station auf unserem Weg an. Können wir auf dem Wackelbrett die Balance halten? Oder den höchsten Punkt am Kletternetz erreichen? Auch beim Zielwerfen sind unsere Sinne gefragt – vor allem wenn wir das "blind" versuchen.

Zwischen oder auch bei den Stationen befinden sich neben den Ruhebänken immer wieder Tastbäume. Idee ist es, die Baumarten hier fühlend zu erkunden (Abb. 7). Zudem können wir in der Nestschaukel einen Blick in die Baumkronen werfen oder die Sinne baumeln lassen.

Es gibt noch viel zu tun

Der barrierefreie Walderlebnispfad SINNESWANDELN steht nun allen Besuchern zur Verfügung. Das Projekt selber ist damit noch nicht abgeschlossen. Das Team des Walderlebniszentrums Gramschatzer Wald sieht nicht nur die regelmäßige Betreuung des Pfades und dessen Instandhaltung als seine Aufgabe. Ganz ausdrücklich gehört die fortlaufende Verbesserung und Ergänzung zu den zukünftigen Herausforderungen. Noch vorhandene Hürden sollen verringert oder beseitigt werden, neue Aktivitäten den Pfad attraktiv halten. Dabei sind die Besucher gefragt! Wer Anregungen oder Verbesserungsvorschläge hat, kann diese gerne dem WEZ-Team mitteilen – denn nur so lassen sich alle Barrieren im Sinne der Inklusion beheben. Bleibt nur noch zu hoffen, dass dieses Beispiel auch in anderen Regionen Bayerns und darüber hinaus Schule machen wird.