Der Weg zu den Motorsägen von heute war lang und kompliziert, einen einzelnen Erfinder gibt es nicht. Viele Bastler, Praktiker, Techniker und Konstrukteure schufen im Zeitraum von 1857 bis 1910 zunächst die Grundlagen für den Bau der ersten Motorsägen Anfang des 20. Jahrhunderts. Das Schwergewicht der Entwicklung lag naturgemäss in den USA, war doch Amerika schon damals führend in der Mechanisierung. Dort wurden die wundersamsten Ideen geboren, Geräte gezeichnet und konstruiert, vielleicht auch gebaut, aber ihre Bewährung war zweifelhaft und umstritten – der Nachwelt erhalten blieb keine.

So wurde ganz zu Beginn der Entwicklung 1857 eine Maschine beschrieben, die aus einem um einen Baum gelegten Zahnrad bestand. Ein darauf befindliches Messer lief, von einer Kurbel bewegt, um den Baum herum und drang dabei immer tiefer ein. Es bleibt sicher ewig ungeklärt, wie man das Einklemmen verhinderte und eine unfallfreie Arbeit durch Einhaltung einer bestimmten Füllrichtung sicherte.

Ein anderes Gerät, das Hamilton 1861 erfunden hatte, wurde wirklich gebaut und sogar nach Europa in den Schwarzwald exportiert (Abb. 1): Zwei Männer bewegten über eine mit Schwungrädern versehene Welle und ein Zahnradgetriebe eine Sägevorrichtung in Form eines Fuchsschwanzes. Durch Schwenken des Schneidgerätes konnten sie fällen und einschneiden. Das Gerät war schwer, der Transport umständlich und zwei Arbeitskräfte schafften nicht mehr als mit der Axt.

Mit Dampf

Auch die Erfindung des Engländers A. Ransome um 1860 (Abb. 2) beruhte auf dem Fuchsschwanzprinzip. Er wandte aber bereits einen mechanischen Antrieb an: Dampf, erzeugt von einem Dampfkessel mitten im Wald. Verfeuert wurde das reichlich vorhandene Holz. Flexible Druckleitungen versorgten sogar mehrere Geräte. Ein beweglicher und schwenkbarer Fuchsschwanz, fest verbunden mit einem Kolben in einem Zylinder, konnte Bäume fällen und einschneiden. Fast 20 Jahre dauerte die Entwicklung bis zur Einsatzreife, aber danach wurde das Gerät auch tatsächlich während 20 Jahren produziert und verkauft.

Die Trennung von Antrieb und Arbeitsgerät bei Ransome war logisch, denn noch fehlte ein leichter und beweglicher Antrieb. In eine andere Richtung gingen eine Vielzahl von patentierten Konstruktionen: Ketten, vielgliedrig und variabel in der Form, besetzt mit unterschiedlichsten Sägezähnen. Als Antrieb diente ausschliesslich Muskelkraft. Motoren dafür gab es noch nicht und die Kette lief frei, ohne Führung. Die Idee einer Motorsäge war noch weit weg, aber mit der Kette hatte man etwas Bewegliches und Schneidendes gefunden.

Da dachte Jakob Smith aus Des Moines (lowa) schon weiter: er liess die Kette über eine Führungsschiene laufen. Mit Händen und Füssen im wahrsten Sinne des Wortes wurde bei anderen Geräten gearbeitet, bei so genannten Reitsägen in sitzender und bequemer Körperhaltung oder bei der einhändigen Expresssäge einer Wiener Firma – heute eher vergleichbar mit Fitnessgeräten...

Mit Strom

Mit der Erfindung der Elektrizität begann eine neue Phase in der Entwicklung zur Motorsäge. Ein mit Elektroenergie erhitzter Platindraht wurde um einen Baum gelegt und der Baum damit durchgebrannt. Die notwendige Elektroenergie erzeugte eine in respektvoller Entfernung aufgestellte Dynamomaschine. Diese Methode überzeugte sogar die Amerikaner zur praktischen Anwendung.

Ein ähnliches Durchbrennen eines Baumes ergab sich 1910 bei der Realisierung der Idee einer Berliner Firma: Ein Draht, verbunden mit einem Elektromotor, wurde pro Minute 1500 mal hin- und hergezogen; die entstehende Reibungshitze durchtrennte den Stamm.

Die ersten Motorsägen 1905-1925

Nach all diesem Vorgeplänkel nähern wir uns der Geburtsstunde der ersten Motorsäge. Zwar gab es zwischenzeitlich noch etliche Versuche mit Kurbeln, Pressluft-, Elektro- und Benzinmotoren, aber noch waren alle zu schwer, unhandlich und leistungsschwach.

1906 bauten sich Ingenieure eines Holzuntemehmens – der Potlach Lumber Company in Potlach/Idaho – aus Motor, Schwert und Kette selber eine Motorsäge. Obschon sehr einfach, funktionierte sie zur vollen Zufriedenheit ihrer Konstrukteure. Später wurde das Gerät von Charles Wolf entdeckt, einem vielseitigen amerikanischen Erfinder und "Leonardo da Vinci" des 20. Jahrhunderts. Er hatte Strassen, Brücken, U-Bahnen gebaut und war am ersten amerikanischen U-Boot beteiligt. Er verbesserte die Säge weiter zur Produktionsreife in grösseren Stückzahlen und verschiedenen Ausführungen, darunter eine für den Waldeinsatz mit E-Versorgung über einen Generator.

Die Anerkennung für die erste erfolgreiche Motorsäge im Wald gebührt jedoch dem schwedischen Ingenieur Alexander von Westfeld. Als Antrieb diente der 1889 von Söhnlein entwickelte 3-Kanal-2-Takt-Ottomotor. Die "Sector" (Abb. 3) wurde ab 1912 konstruiert und wies folgende Merkmale auf: Verbrennungsmotor, biegsame Welle zur Kraftübertragung und U-förmiger Bügel zur Kettenführung mit Traggestell. Die biegsame Welle wurde später durch eine Kardanwelle ersetzt.

Bei einer offiziellen Prüfung vor einer schwedischen Kommission 1917 fiel die Motorsäge durch laufende Ausfälle aller möglichen Baugruppen glatt durch. Alexander von Westfeld liess sich aber nicht entmutigen. Weitere Verbesserungen führten zum Einsatz der Motorsäge und der Produktion sogar in Deutschland bis Mitte der 20er-Jahre.

Andere Entwicklungen von Zweimannsägen waren die finnische Arbor, die österreichische Sylva, die Gerber aus Schweden und die Rinco aus Polen – sie setzten sich infolge hohen Gewichts und geringer Leistung bis auf die Rinco nicht durch.

Die Ära der Zweimannsägen 1925-1960

Eine grundlegende Änderung trat erst ein, als in Deutschland die jungen Firmen Stihl und Dolmar die ersten Zweimannsägen mit Verbrennungs- und E-Motor in grösseren Stückzahlen produzierten und zum Einsatz brachten. Die Geräte setzten sich mit geringerem Gewicht und höherer Leistung gegen Zweimannsägen namhafter Firmen wie NSU (mit der Zweizylinder- Motorsäge mit Boxermotor "URAL" 4 10), Festo und Rinco durch (Abb. 4).

Aus den genannten Gründen konnten sich in den USA zahlreiche Konstruktionen von Zweimannsägen nicht durchsetzen. Infolge ihres hohen Gewichts setzte man sie einfach auf Motorradbeiwagenfahrgestelle – eisenbereift als Bügelsäge und gummibereift als Schwertsäge. Trotzdem blieben sie viel zu schwerfällig.

Die Mitte der 30er-Jahre wurde von entscheidenden Innovationen der Firma Stihl geprägt:

  • Leichtbau durch den Einsatz von Elektron (Legierung aus Aluminium und Magnesium)
  • Fliehkraftrutschkupplung
  • Schwungmagnetzündung (Abb. 5).

Auch für die Entwicklung der Einmannsägen lässt sich nicht ein einzelner Erfinder nachweisen. Vermutlich wurde die Idee während des Zweiten Weltkrieges (1939–1945) geboren. Die Amerikaner bereiteten sich von England aus auf die Invasion in Frankreich vor. Kluge Militärs vermuteten, dass sich die Deutschen mit Panzersperren aus eingegrabenen Baumstämmen verteidigen würden. Also sorgten die Invasionstruppen vor und landeten mit für damalige Verhältnisse "kleinen" Einmannsägen, die dafür geeignet waren, Schneisen für die nachrückenden Truppen zu schneiden. Als energetische Basis dienten vor allem die von der Firma Mc Culloch für militärische Zwecke gebauten Verbrennungsmotoren.

Nach Kriegsende blieb der amerikanische Kontinent Schwerpunkt der Produktion von Einmannmotorsägen, während Europa sich erst von den Folgen des Zweiten Weltkrieges erholte und zunächst die Zweimannsägenproduktion wieder aufnahm. Die ersten amerikanischen Einmannsägen wurden nach Nordeuropa geliefert und fanden dort bald Nachahmer.

Siegeszug der Einmannsägen ab 1950

In Mitteleuropa nahm Stihl um 1950 mit der BL (B = Benzin, L= leicht) als erste Firma die Produktion von Einmannsägen auf. Mit 16 kg war das Gerät aber noch immer ziemlich schwer. Zu dieser Zeit vollzogen die Amerikaner bereits den nächsten Schritt mit den getriebelosen, direktangetriebenen und lageunempfindlichen Einmannsägen. Trotzdem hatten in Europa die Motorsägen im Wald noch nicht den Durchbruch geschafft. Erst als sich die Militärs für die Einmannsägen entschieden, wurden viele Forstleute überzeugt. Mit den jetzt ebenfalls getriebelosen und lageunempfindlichen Rex (Solo), Contra (Stihl) und Taifun (Dolmar) kam der Durchbruch (Abb. 6 oben).

Die Konstruktionen, speziell die Motoren, wurden laufend weiter verbessert, sodass die Motorsägen ihre Dienste bald nicht nur im Profibereich (Wald, Sägewerke, Holzhöfe) verrichteten, sondern auch im Handwerk, im Gewerbe und bei anderen Bedarfsträgern (Hilfswerke, Feuerwehren) zum Einsatz kamen. Danach folgten Motorsägen für den Hobbybereich, Garten und Freizeit. Gleichzeitig entwickelten sich auch die Elektrosägen weiter, sodass auch sie nicht mehr nur im Profibereich (220/380 V Drehstrom) eingesetzt wurden, sondern auch als leichte E-Motorsägen (220 V Wechselstrom) mit maximal 2 kW Leistung für einfache Nutzungsmöglichkeiten. Eine Vielzahl von Firmen erkannte diese neuen Chancen auf Produktion und Absatz und produzierte vorwiegend für den Hobby- und Semiprofibereich. Zusammen mit den traditionellen Motorsägefirmen entstand ein Markt, der alle Ansprüche hinsichtlich Preis/Leistung/Qualität erfüllt (Abb. 6 unten).

Sicherheit und Komfort

Ab Mitte der 60er-Jahre gingen die Finnen dazu über, die Motorsägen sicherer, leichter, bedienbarer, umweltfreundlicher und auch formschöner zu machen. Die Erfindungen von Stihl, Kettenbremse und Vibrationsdämpfung, sind heute für jede Motorsäge vorgeschrieben. Hinzu kommen verstärkter Leichtbau durch Einsatz von Hartplasten (Solo), mengenregulierbaren Ölpumpen, Kat (Stihl), Einhebelbedienung, einfache Kettenspannung und elektronische Zündung.

Trotz aller Fortschritte in Technologie und Produktion blieb Spielraum für Einzelentwicklungen. Aus der Not geboren entwickelte 1960 in Ostdeutschland ein einfacher Maschinenbaumeister eine Zweimannsäge aus einem Motorrollermotor mit Kickstarter, 3-Gang-Schaltgetriebe, Handkupplung und aussen liegender Standmagnetzündung zum Fällen und Einschneiden. Noch voll funktionstüchtig gehört sie heute zu den seltensten und wertvollsten Motorsägen (Abb. 7).

Eine weitere Ausnahme, wenn auch im Stückzahlbereich von ca. 10'000 Stück angesiedelt, blieb die 1975/76 produzierte bisher einzige Motorsäge mit Rotations-(Wankel)motor: die KMS 4 von Dolmar. Die Vorteile waren ihre Vibrationsfreiheit und der damit verbundene einfachere Aufbau. Die Abdichtung zwischen Zylinderwand und den Kanten des dreieckigen Kolbens war aber den Profibedingungen nicht gewachsen. Leider wurde die Entwicklung nicht weiterverfolgt und die Produktion eingestellt. Verkaufte Sägen wurden zurückgenommen und umgetauscht. Heute ist die KMS 4 ein begehrtes Sammlerobjekt (Abb. 8).

Inzwischen ist die Entwicklung zur Verbesserung der Motorsägen weitergegangen: einfachere Zündelektronik, Modifikationen am Doppelmembranvergaser, Starterleichterungen durch Vorpumpen (Primer), Dekompressionsventile und Veränderungen am Reversierstarter, Turbo Luftreinigung (Jonsered, Abb. 9) sind Merkmale – nicht nur bei Profisägen. Umweltfreundlicher, das heisst entgifteter Sonderkraftstoff steht bei den Werkstätten zur Verfügung; doppelt so teuer wie Normalkraftstoff wird er von etlichen Forstverwaltungen subventioniert.

Den Anfang machten umweltfreundliche 4-Takt- Motoren bei den antriebsähnlichen Freischneidern. Stihl brachte schon vor Jahren praxisreif den 2-Takt-Motor mit Getrenntschmierung heraus – zur gegenwärtigen Markteinführung jedoch zu teuer (Stand: 2002). Dolmar liess sich von Porsche einen kleinen 4-Takt-Motor für Motorsägen bauen, seine Markteinführung steht ebenfalls noch aus. Wie die Motorsäge der Zukunft aussehen kann, zeigt uns Stihl mit seiner "Stihl 2000" (Abb. 10).

Resümee

Trotz Einsatz von Harvestern und Prozessoren wird die Motorsäge ihre Stellung im Wald behalten, in allen anderen Bereichen sowieso. Die Motorsäge von heute ist zu einem High-tech-Produkt geworden: geschrumpft auf eine überschaubare Grösse von durchschnittlich 40x30x30 cm, mit Material aus der Luft- und Weltraumfahrt, einem Leistungsgewicht unter 2 kg/kW, dem Speed von Formel-1-Rennwagen und der Präzision von Schweizer Uhren.

 

(TR)