Im Zuge der Borkenkäferkalamität und des zunehmenden Bewusstseins in der breiten Bevölkerung, dass gesunde und klimastabile Wälder eine große Bedeutung für die Bekämpfung des anthropogenen Klimawandels haben, kam es in den vergangenen zwei Jahren vermehrt zu Anfragen bezüglich des CO2-Speicherpotentials von Aufforstungen. So war beispielsweise eine in NRW LED-Leuchten produzierende Firma daran interessiert, zur Wiederbewaldung von Kalamitätsflächen in der Nähe ihres Hauptsitzes beizutragen, und die nordrhein-westfälische Landesregierung finanzierte eine Erstaufforstung im Münsteraner Umland im Zuge ihrer CO2-Kompensation von Dienstreisen.

Zur groben Abschätzung des CO2-Speicherpotentials stehen aktuell zwei verschiedene Datenquellen und Vorgehensweisen zur Verfügung. Auf der einen Seite können die tradierten Zuwachs- bzw. Ertragstafeln in Kombination mit Holzdichtewerten verwendet und auf der anderen Seite die Daten des Treibhausgasinventars 2017 genutzt werden. 
Zuwachstafeln basieren auf seit dem 19. Jahrhundert von Forstleuten beobachteten, jährlichen Volumenzuwächsen der verschiedenen Hauptbaumarten und Altersklassen. Bis heute sind sie nach wie vor das beste Mittel, um eine nachhaltige Holzentnahme sicherzustellen. Das Treibhausgasinventar 2017 wiederum hat viele Überschneidungen mit Landes- und Bundeswaldinventuren. Für diese Inventuren wird auf sehr vielen vorgegebenen Flächen der Baumbestand vermessen und Holzvolumen bzw. Kohlenstoffvorräte mithilfe von Expansionsfunktionen auf die gesamte Waldfläche hochgerechnet. Neben den aus großräumigen Inventuren nutzbaren Daten bilden vor allem die Daten der forstlichen „Ertragstafeln“ das Geschehen im Wald zumindest näherungsweise so gut ab, dass mit diesen, in Verbindung mit den waldbaulichen Einzelplanungen der Forsteinrichtung, steuerliche Hiebsätze berechnet und von den Finanzbehörden akzeptiert werden. Für die hier vorzunehmenden Berechnungen wurde dieser Genauigkeitslevel als ausreichend angesehen. Für genauere Prognosen über das CO2-Speicherpotential von Wäldern, die über den Detailgrad dieser Datenquellen hinausgehen, wären pro Fläche umfangreiche Erhebungen nötig. Sie waren im vorliegenden Fall in der Kürze der Zeit nicht umsetzbar (siehe auch Fazit). 
 

Benötigte Kenngrößen

Neben der Flächengröße sind geplante Baumartenzusammensetzungen und der Betrachtungszeitraum zwingend benötigte Informationen. Die Substitutionsleistung wird nach Knauf und Frühwald [1] mit 0,6 t C/t C für energetische und 1,6 t C/t C für stoffliche Substitution angesetzt. Dies bedeutet, dass pro Tonne Kohlenstoff in energetisch verwertetem Holz 0,6 t und bei stofflich verwendetem Holz 1,6 t Kohlenstoffemissionen vermieden werden. Des Weiteren muss, wenn der Holzproduktespeicher mit in die Rechnung einfließen soll, eine Annahme über die konkrete Verwendung des stofflich verwendeten Holzes getroffen werden. Hier könnten z.B. auch geplante wertsteigernde Maßnahmen wie Wertastungen in die Bewertung mit einfließen. Bei Ableitungen des Kohlenstoffspeichers aus Holzbiomassewerten wird vereinfachend angenommen, dass Holz über alle Baumarten hinweg zu 50 % aus Kohlenstoff besteht.

Beispielhafte Berechnung des CO2-Speicherpotentials einer Erstaufforstung

Es folgt eine beispielhafte Berechnung des CO2-Speicherpotentials einer Erstaufforstung im Münsteraner Umland anhand forstlicher Ertragstafeln. Die Erstaufforstung auf einer Fläche von 0,79 ha sollte zu 66 % mit Eichen erfolgen, weshalb eine rechnerische Umtriebszeit von 160 Jahren angenommen wurde. Bei der Abschätzung des Klimaschutzpotentials dieser Maßnahme wurde der Holzproduktespeicher vernachlässigt, da nicht von einer Nutzung des Holzes über den gesamten Zeitraum ausgegangen werden konnte. Für die Baumart Vogelkirsche wurde eine Folgepflanzung nach 80 Jahren angenommen, da diese selten ein höheres Alter erreicht. Für Hainbuche wurde die Umtriebszeit, analog den maximal verfügbaren Ertragstafeldaten, auf 140 Jahren festgelegt. Die Berechnung basiert auf folgende Eckdaten:

Tabelle 1: Baumartenverteilung der Aufforstungsfläche

 

Tabelle 2: Berechnung des Waldspeichers und der Substitutionseffekte

 

Tabelle 3: Ergebnis

Fazit und Einschränkungen

Bei der Betrachtung der Gesamtklimaschutzleistung des Clusters Wald und Holz für NRW in Höhe von 18 Mio. t CO2 / Jahr [1] werden 78 % durch die sogenannten Substitutionseffekte erzielt. In der vorliegenden Berechnung bleibt diese Summe mit 48 % (siehe Abb. 2) deutlich unter dieser Größenordnung zurück. Dies liegt an der nicht eindeutig zu benennenden zukünftigen Verwendung der aufgeforsteten Laubhölzer. Der Tabelle 2 sind die zugrunde gelegten Verhältniszahlen von thermischer zu stofflicher Verwendung, nämlich 60:40, zu entnehmen, welche diese Diskrepanz erklären.  

Sowohl Ertragstafeln als auch die öffentlich verfügbaren Ergebnisse des Kohlenstoffinventars 2017 sowie der Landes- und Bundeswaldinventuren können für eine fundierte Abschätzung des CO2- Speicherpotentials von Wäldern dienen. Einschränkend ist anzuführen, dass die beiden anfangs genannten Datenquellen die Wachstumsraten der letzten Jahrzehnte – im Falle der höchsten Altersklassen sogar des letzten Jahrhunderts – widerspiegeln und aufgrund der geänderten Rahmenbedingungen einer Anpassung bedürfen. Neben den unterschiedlich hohen und wachstumsfördernden Stickstoffeinträgen ist hier vor allem die sich seit 1990 abzeichnende Klimaveränderung mit stetig steigenden Durchschnittstemperaturen und extremen und wachstumshemmenden Witterungserscheinungen anzuführen. Die extreme Hitze und Trockenheit der Jahre 2018, 2019 und 2020, die zu stagnierenden teils ausgebliebenen Zuwächsen der Bäume führte, ist in der o.a. Betrachtung noch nicht eingeflossen.

Des Weiteren liegt den o.a. Schätzungen zur Substitutionsleistung die heutige Verwendung von Holzsortimenten zu Grunde. Während das Baumwachstum angesichts der wahrscheinlichen Zunahme von Hitze- und Dürresommern im Berechnungszeitraum von 160 Jahren unter diesen Umständen vermutlich überschätzt wird, dürften Substitutionseffekte durch technologische Entwicklungen – wie beispielsweise der heute schon verfügbaren „Baubuche“ – sowie Änderungen in Bauverordnungen zunächst unterschätzt werden. Es ist zu hoffen, dass wir es weltweit schaffen, die Energie Schritt für Schritt und näherungsweise zu 100 % aus regenerativen Quellen zu erzeugen. Dann könnte es aber sein, dass die Substitutionseffekte in den betrachteten 160 Jahren teilweise wieder abnehmen, wenn etwa Zement völlig klimaneutral hergestellt werden könnte. Dennoch verbliebe ein enormer Vorteil des Baustoffes Holz gegenüber Zement / Beton bestehen, da ja die Bäume beim Aufbau dieses „Werkstoffes“ der Luft klimaschützend CO2 entziehen. Die hier beschriebenen Schätzungen sind entsprechend als eine grobe Richtschnur zu verstehen und nicht als exakte Vorhersagen der Zukunft.

[1]    M. Knauf und A. Frühwald, Beitrag des NRW Clusters ForstHolz zum Klimaschutz. Münster: Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen, 2013. [Online]. Verfügbar unter: www.wald-und-holz.nrw.de/fileadmin/Publikationen/Broschueren/Broschuere_Studie_Klimaschutz_Langfassung.pdf