"AA_WSL01" steht in blauer Farbe auf einer unscheinbaren Tanne im Ramerenwald von Birmensdorf bei Zürich (Abb. 1). Aus ihren Samen und Nadeln stammt die DNA für das erste entschlüsselte Weisstannen-Genom, also ihr vollständiges Erbgut. Die bei uns einheimische Tanne (Abies alba) ist weltweit erst die sechste Nadelbaumart, von der die Genomsequenz bekannt ist. Diese zu entschlüsseln war keine geringe Herausforderung, denn Nadelbäume besitzen ein enorm grosses Erbgut mit vielen sich wiederholenden, ähnlichen DNA-Abschnitten.

Das machte die Sequenzierung zu einem Kraftakt, der nur dank internationaler Zusammenarbeit möglich war. Insgesamt entzifferte das Forschungsteam 18 Milliarden Basenpaare – die einzelnen Bausteine der Erbsubstanz. Das sind sechsmal mehr als im menschlichen Genom vorkommen. Auf Papier ausgedruckt würde das über 3,5 Millionen Seiten A4 mit 10-Punkt-Calibri-Schrift und je 2 cm Rand ergeben! Es ist nicht schwer zu erahnen, dass dafür sehr leistungsfähige Computer und eine lange Rechenzeit notwendig waren.

"Es ist wie ein riesiges Puzzle, das man ohne Vorlage zusammensetzt", erklärt Mit-Autor Felix Gugerli von der WSL, der mit seinem Team die Schweizer Seite des internationalen Konsortiums vertritt. "Wir haben jetzt ein umfassendes, wenn auch weiterhin unscharfes Bild des Weisstannen-Genoms." So sind jene Teile des Erbguts gut beschrieben, die Gene beinhalten – also Erbinformation zur Herstellung von Eiweissen mit bestimmten Funktionen. Dazwischen liegen aber zu einem grossen Teil sich wiederholende, fast identische Abfolgen von Basenpaaren ohne genetische Information. Um aus diesen Puzzleteilen ein Gesamtbild zu arrangieren, kommt erneut viel Arbeit auf die Forschenden zu.

Für jeden Standort die richtige Tanne

Der Aufwand lohnt sich, denn ein entschlüsseltes Genom hilft dabei, die genetische Vielfalt innerhalb der Art zu verstehen, um beispielsweise zu beantworten, welche Bäume an welchen Standorten besonders gut gedeihen. Darüber hinaus haben Christbaum-Züchter ein Interesse daran, Bäume mit erwünschten Eigenschaften wie langer Haltbarkeit der Nadeln auszuwählen. Mit einem Blick auf die Gene kann man die Eigenschaften bereits an Jungpflanzen erkennen und muss sie nicht erst einige Jahre wachsen lassen. Das geht deutlich schneller als mit aufwändigen Pflanzversuchen.

Ab dem 18. Jahrhundert war die Weisstanne der Christbaum schlechthin, bis sie von der besser haltbaren Nordmanntanne aus der weihnächtlichen Stube verdrängt wurde. Wachsende Bedeutung bekommt die Art heute im Waldbau als Folge des Klimawandels, und zwar als Ersatz für die wirtschaftlich bedeutsamen Fichten und Buchen. Sie werden in einem wärmeren und trockeneren Klima voraussichtlich schlechter gedeihen als die Tanne. Bisher war die Weisstanne ihnen gegenüber im Nachteil, auch weil ihre jungen Triebe den Rehen ausserordentlich gut schmecken.

Der teure und aufwendige Schutz der Weisstanne vor Verbiss lohnt sich eher, wenn Förster dank Erbgutanalysen die optimalen Bäume für den geplanten Standort auswählen können. Schon heute verfolgen viele Förster die Strategie, reine Bestände aus gleichaltrigen Fichten in Mischwälder aus Fichte, Tanne und Buche umzuwandeln. Somit ist die Entschlüsselung des Giga-Genoms der Weisstanne eine Investition für eine wichtige Waldbaumart der Zukunft und damit für eine nachhaltige Waldwirtschaft.

Nähere Informationen finden Sie im Beitrag: Den Tannen-Genen auf der Spur.

(TR)