Standortsfaktor Klima ist dynamisch

Abb. 1 - Automatische Wetterstationen liefern Daten zum besseren Verständnis der Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf den Wald.
Bei der Charakterisierung eines Waldstandortes sind Aussagen zum Klima unerlässlich. Naturräume mit ähnlichem Klima und typischen Vegetationsausprägungen wurden in Ostdeutschland durch die Kombinationen von Höhenstufen und Klimafeuchtestufen beschrieben. Diese forstliche Klimagliederung (siehe Abb. 2) wurde in Eberswalde und Weimar unter der Leitung Kopp und Schwanecke ab den 1960er erarbeitet und bis Ende der 1980er Jahre weiterentwickelt. Die Rahmenwerte zur Beschreibung von Niederschlag, Temperatur und Vegetationszeitlänge (Tage > 10 °C) entstammen der Klimaperiode 1901–1950.
Den allgemein registrierten klimatischen Veränderungen entsprechend, weichen die Klimagrößen der aktuellen Periode von 1971–2000 von den bislang beschriebenen Werten ab. So stiegen vor allem im Bereich des Tief- und Hügellandes die Jahresmitteltemperaturen deutlich an. Bei den Jahresniederschlägen ist in den meisten Regionen eine Absenkung der Obergrenzen zu verzeichnen.
Das in der forstlichen Standortserkundung bis vor kurzem als weitgehend konstant angesehene Klima muss künftig in seiner Dynamik betrachtet werden, da insbesondere mit der Baumartenwahl fast immer über Ereignisräume von weit mehr als einem Jahrhundert entschieden wird.
Klimaprognosen in die Betrachtungen einbeziehen

Abb. 2 - Forstliche Klimastufen spiegeln in Sachsen den Höhengradient des Landes vom trockeneren Tiefland im Norden bis zu den feuchten Kammlagen des Erzgebirges im Süden wider. Vergrößerung auf Klick.

Abb. 2 - Forstliche Klimastufen spiegeln in Sachsen den Höhengradient des Landes vom trockeneren Tiefland im Norden bis zu den feuchten Kammlagen des Erzgebirges im Süden wider. Vergrößerung auf Klick.
Bei der Erarbeitung einer neuen, dynamisch anwendbaren, Klimagliederung wurde an dem bewährten vegetationsökologischen Ansatz festgehalten. Die Vegetationszeitlänge und die klimatische Wasserbilanz während der Vegetationszeit sind dabei die pflanzenphysiologisch wirksamen Hauptbezugsgrößen.
Die klimatische Wasserbilanz ist die Differenz aus dem Niederschlag und der aus Sonneneinstrahlung und Lufttemperatur resultierenden maximal möglichen Verdunstung einer bestimmten Vegetationsdecke. Gebräuchlich ist die Betrachtung einer Grasdecke als Referenzgröße für die Verdunstung.
Der neue Gliederungsrahmen (siehe Abb. 3) kombiniert Klassen der klimatischen Wasserbilanz während der Vegetationszeit mit Klassen der Vegetationszeitlänge. Die Klassengrenzen der beiden Parameter entsprechen dem natürlichen Auftreten bestimmter Leitwaldgesellschaften. Sie wurden aus dem BERN-Modell (siehe Kasten) abgeleitet. Den Klimaklassen lassen sich demnach Leitwaldgesellschaften zuordnen.
Um sowohl das aktuelle Klima (1971-2000), als auch die Werte zum Ende dieses Jahrhunderts (2091-2100) einzubeziehen, reicht die Spanne von "stark subozeanisch & winterkalt" bis hin zu "subkontinental & submediterran". Zur Beschreibung des zukünftigen Klimas wurden die vom Sächsischen Landesamt für Umwelt und Geologie (LfUG) für Sachsen zur Verfügung gestellten regionalen Klimaprognosen (B1-Szenario der ECHAM5-Simulation) verwendet.
Altbekanntes schwindet, Neues kommt
Das derzeit gegebene Basisklima der Periode 1971-2000 (siehe Abb. 4) reicht von Gebieten mit einer negativen klimatischen Wasserbilanz von weniger als -25mm pro Vegetationszeitmonat in Nordwest-Sachsen bis zu den blau gekennzeichneten Bereichen des südlich gelegenen Erzgebirges. In den sächsischen Mittelgebirgen ist die klimatische Wasserbilanz in der Vegetationszeit positiv.
Der prognostizierte Temperaturanstieg und die tendenzielle Verminderung von Sommerniederschlägen führen jedoch bis zur Periode 2091-2100 zu einer großflächigen Zunahme von Regionen mit einer negativen klimatischen Wasserbilanz. In weiten Teilen des sächsischen Tieflandes werden subkontinental/submediterrane Klimatönungen erstmalig auftreten. Bei Vegetationszeitlängen > 190 Tagen sinkt die klimatische Wasserbilanz vielerorts unter -25mm pro Vegetationszeitmonat (dunkelrote Bereiche). Auch in den Gebirgslagen nimmt die Vegetationszeitlänge zu und die klimatische Wasserbilanz ab. Die Verhältnisse entsprechen somit den heutigen Bedingungen im nördlich angrenzenden Hügelland.

Abb. 4 - Klimakarten für Sachsen: subozeanische Klimate im Erzgebirge verschwinden und für das Tiefland zeigt die Prognose subkontinentale/submediterrane Bedingungen.
Wechselwirkungen von Standortsfaktoren
BERN-Modell (Bioindikative Ermittlung der Regenerierungspotenziale in Naturräumen): Das BERN-Modell ermittelt die Existenzmöglichkeit einer Pflanzengesellschaft als fünfdimensionalen Zugehörigkeitsraum zu den leicht veränderlichen Standortparametern Basensättigung, C/N-Verhältnis, Bodenwassergehalt, Vegetationszeitlänge und klimatische Wasserbilanz in der Vegetationszeit.
In der BERN-Datenbank sind hierzu für bisher 1.450 Pflanzenarten die fundamentalen Nischen aus Standortangaben historischer Vegetationsaufnahmen bestimmt worden. Die Pflanzenarten kamen in Deutschland und Südeuropa vor 1960 in natürlichen Pflanzengesellschaften auf annähernd unveränderten Standorten vor.
Das BERN-Modell wurde an der Gesellschaft für Ökosystemanalyse und Umweltdatenmanagement mbH (ÖKO-DATA) in Strausberg entwickelt.
Die Forstwirtschaft der Gegenwart steht vor der Aufgabe, bereits heute bei allen Waldbestände betreffenden Maßnahmen, von der Bestandesbegründung bis zu den Pflegekonzepten, diese Veränderung der Klimaverhältnisse zu berücksichtigen.
Neben dem Klima gibt es jedoch noch weitere wichtige Standortsfaktoren wie zum Beispiel die physikalischen und chemischen Bodeneigenschaften oder die durch das Relief geprägte Hydrologie des Standortes. Zwischen all diesen Standortseigenschaften bestehen wechselseitige Beziehungen. So ist zu erwarten, dass der Klimawandel auch Veränderungen einzelner Bodeneigenschaften und hydrologischer Bedingungen bewirken wird. Diese können die Wirkungen des Klimas auf das Ökosystem puffern oder auch verschärfen.
Die Auswirkungen auf die Konkurrenzverhältnisse innerhalb der Waldgesellschaften und das Vorkommen und die Wuchsleistung einzelner Baumarten sind noch schwieriger vorherzusagen. Folgerungen hinsichtlich der Vitalität und des Vorkommens heimischer Baumarten bergen erhebliche Unsicherheiten, insbesondere, wenn diese auf wenigen Standortsfaktoren beruhen und sich die fundamentalen Nischen der Arten nicht berücksichtigen lassen.