In verschiedenen Waldgesetzen wird ein "naturnaher Waldbau" erwähnt. Gemäss dem Waldgesetz des Kantons Aargau von 1997 gehören dazu "Naturverjüngungen, standortgerechte Baumarten sowie die Orientierung an natürlichen Abläufen". Beim naturnahen Waldbau geht es nicht um Naturschutz, sondern die Anlehnung an natürliche Abläufe garantiert tiefe Kosten und geringe Risiken (welche letztlich auch Kosten sind), und damit wirtschaftlichen Erfolg. In diesem Sinne bedeutet "naturnah" nichts anderes als "biologische Rationalisierung".

Bei der gezielten Naturverjünung erfolgt die Mischungsregulierung zugunsten der gewünschten Baumarten durch eine geschickte Dosierung des Lichtes, nicht durch die flächige Pflege mit dem Gertel.

Traditionelle Waldpflege ist kostenintensiv

Bei der Verjüngung des Waldes und bei der Jungwaldpflege waren – und sind teilweise immer noch – Konzepte verbreitet, welche aus einer Zeit stammen, in der Arbeit sehr billig war, Holz aber noch hohe Erlöse abgeworfen hat. In dieser Zeit waren viele Förster gewohnt, alles selber zu machen, den Wald bis ins Detail zu kontrollieren: Bäume pflanzen, ausmähen, alles Ungeplante wegsäubern, in einem kurzen Eingriffsturnus die Stammzahlen reduzieren. Dieser gut gemeinte Einsatz gemäss damaliger Lehre hat Nachteile. Bezüglich Pflanzungen sind dies:

  • Sehr hohe Begründungskosten.
  • Hohe Folgekosten für die Pflege.
  • Höhere Anfälligkeit auf verschiedenste Risiken.
  • Gefahr, dass Baumarten auf nicht optimalen Standorten eingebracht werden.

Selbstverständlich gibt es Fälle, in denen sich eine Zielsetzung ohne Pflanzung nicht erreichen lässt. Pflanzungen sollte man aber im Bewusstsein der hohen Kosten zurückhaltend anwenden.

Bei der anschliessenden flächigen Pflege besteht folgende Problematik:

  • Das Erdünnern junger Bestände ist sehr teuer.
  • Es besteht die Gefahr, dass die vitalsten Bäume als Protzen entnommen werden.
  • Alle Bäume bekommen gleichmässig Platz, die Erziehung (Qualität) wird schlechter, vitale Bäume werden eher grobastig und dadurch bei späteren Eingriffen entnommen.
  • Die wiederholte (Neu-)Auslese qualitativ möglichst guter, langschäftiger Bäume führt nachweislich dazu, dass der durchschnittliche Baumdurchmesser der Bestände zurückgesetzt wird.

Dies ist vor allem bei reaktionsschwachen Baumarten wie Esche, Bergahorn, Kirsche oder Nussbaum fatal – es gibt viele Bestände, welche trotz oder gerade wegen der starken Pflege ihre Zielsetzung (Durchmesser, Umtriebszeit, Wertleistung) nicht erreichen.

Biologische Rationalisierung

Wie lassen sich nun die natürlichen Abläufe nutzen? Was können wir der Natur überlassen? Dies beginnt mit der Naturverjüngung:

  • Naturverjüngung liefert gratis eine hohe Auslesebasis.
  • Während den ersten 5 bis 10 Jahren entsteht Mischung nicht durch Pflege, sondern hauptsächlich durch die Verjüngungsstrategie mit entsprechender Lichtdosierung. Lichtbaumarten brauchen grössere Flächen und kurze Verjüngungszeiträume.
  • Eine kurze Phase der natürlichen Auslese ist auch für Lichtbaumarten angebracht: Bäume, die sich selber behaupten konnten, haben später bessere Chancen.
  • Es kann sinnvoll sein, Einzelschütze zu platzieren, z. B. für Eiche, Lärche, Föhre. Dies ist manchmal die einzige Möglichkeit, eine frühzeitige Entmischung zu verhindern, allerdings nicht ganz billig.

Im Jungwuchs und in der Dickung laufen – immer noch ohne Eingriffe – folgende Prozesse ab:

  • Die stärksten Bäume setzen sich durch; es passiert eine natürliche Selektion nur nach Vitalität. Dies ist ein entscheidender Vorteil, weil damit klar ersichtlich wird, welche Bäume das beste Zuwachspotential haben.
  • Dank der hohen Dichte bekommen auch diese vorherrschenden Bäume eine genügende Qualität. Eine hohe Dichte ist generell vorteilhaft für die Erziehung der Bäume.
  • Das Erdünnern übernimmt die Natur: Die schwächsten Bäume sterben laufend ab, was die anfangs sehr dichten Bestände rasch übersichtlicher macht.

Konzept an Baumart anpassen

Biologische Rationalisierung lässt sich nicht bei allen Baumarten gleichermassen anwenden. Bei konkurrenzschwachen (Licht-)Baumarten muss man entsprechend früher eingreifen. Abbildung 2 gibt eine Übersicht der Konzepte nach Baumarten.

Bei Esche oder Bergahorn heisst dies zum Beispiel, dass nach 15 bis 20 Jahren erstmals eingegriffen wird, bei Fichte/Tanne nach 20-30 Jahren, bei Buche noch später. Was ist nun mit konkurrenzschwachen Mischbaumarten, welche gemäss Abbildung 2 schon im Alter von 5 bis 10 Jahren Eingriffe benötigen?

Im gleichen Bestand verschiedene Konzepte anwenden

Die Antwort liegt in einer zeitlich gestaffelten Wahl der Z-Bäume, in einem räumlichen Nebeneinander der Konzepte, welche nicht flächig angewandt werden, sondern bezogen auf den Einzelbaum (Abb. 1). In einem Jungbestand geht es darum, das vorhandene Potential zu erkennen und angepasst an den Waldstandort Ziele festzulegen. Nicht alles was selber kommt, ist automatisch geeignet, und nicht alles Seltene muss a priori gefördert werden. Ein Förster, welcher bereits gezielt verjüngt hat (z. B. auf die Lichtbaumart Lärche) wird die Entwicklung aufmerksam verfolgen. Gegenüber früher ist folgende Erkenntnis befreiend: Wir brauchen nicht 500 Lärchen pro Hektare, sondern maximal 100. Bereits 20 pro ha sind eine schöne Anzahl für einen späteren Mischbestand.

Beispiel

Angenommen, wir haben eine Hektare Jungwald aus Naturverjüngung, bestehend aus Buche mit Gruppen von Fichte und einzelnen Lärchen, Föhren und Eichen im Alter von 5 Jahren, zu Beginn der Dickung:

  • In einem ersten Schritt geht es nur darum, einzelne Exemplare der gewünschten Lichtbaumarten zu fördern. Dies sind z.B. 20 Lärchen und je 10 Föhren und 10 Eichen.
  • Es handelt sich um eine positive Auslese. Wichtig ist, nur mindestens herrschende, vitale Bäume der Oberschicht zu fördern.
  • Der ganze restliche Bestand wird bewusst nicht behandelt. Dort entwickeln sich spätere Z-Bäume der Baumarten Fichte und Buche (Abb. 3). Welche einzelnen Bäume dies sein werden, brauchen wir noch nicht zu wissen. Hier läuft das Konzept Fichte bzw. Buche.
  • Keine negative Auslese. Sträucher oder Weichlaubhölzer erst entnehmen, wenn sie Konkurrenten eines Z-Baumes sind. Starke Zwiesel oder Protzen sind als stabile Gerüstbäume positiv zu werten. Daneben hat es ja noch genügend schöne Bäume, wenn man in Endabständen denkt (Abb. 2).
  • Es braucht keine Reservebäume im Halbendabstand. Die Auslese nur vitaler, herrschender Bäume ist Garant für eine hohe Erfolgsquote der Z-Bäume.
  • Abstände sind zweitrangig; wichtiger ist der herrschende, vitale Baum, welcher auch entsprechend stabil ist. Grundsätzlich sollten Z-Bäume nicht zu nahe beieinander stehen. In unübersichtlichen Dickungen ist es effizienter, einmal einen Baum mehr zu fördern, als in eine Optimierung der Abstände zu investieren.
  • Der dichte Füllbestand bzw. die Konzepte Fichte/Tanne und Buche liefern ein Maximum an Energieholz und Vornutzungen.

Bei den konkurrenzschwachen Baumarten in unserem Beispiel sind weitere Eingriffe in einem kurzen Turnus von 4 bis 6 Jahren erforderlich. Beim zweiten und dritten Eingriff geht man gleich vor wie beim Ersteingriff; es werden dieselben Bäume konsequent gefördert.

  • Die bereits geförderten Bäume sind gut erkennbar, weil ja nur dort eingegriffen wurde.
  • Das Absägen der Konkurrenten auf Arbeitshöhe erleichtert es zusätzlich, die Z-Bäume beim nächsten Eingriff zu finden (Abb. 4).
  • Damit lassen sich die Absichten früherer Eingriffe nachvollziehen. Dies erlaubt eine Erfolgskontrolle der waldbaulichen Tätigkeit mit einem Lerneffekt.
  • Fichte und Buche bleiben weiterhin unbehandelt.

Beim vierten Eingriff kommt die Auslese bei Fichte dazu. Das 25-jährige Stangenholz enthält nun Z-Bäume, welche bereits viermal gefördert wurden (Lärchen, Föhren und Eichen), sowie Z-Bäume mit erst einer Behandlung (Fichten), während innerhalb von Buchen-Gruppen noch keine Auswahl der Z-Bäume stattgefunden hat.

In unserem Beispiel gibt es mit diesem gestaffelten Vorgehen aufgrund der Ansprüche der Lichtbaumarten zwar vier Eingriffe, aber der Bestand wird erst nach und nach mit Z-Bäumen "bestückt". Im Füllbestand erfolgen keine Eingriffe. Diese Pflege ist weniger schematisch und hat viel mit Beobachten zu tun. Es braucht die Bereitschaft, sich in dichten Beständen mit der Motorsäge zu bewegen, und zwar mit ausgeschaltetem Motor: Wer sich im Jungbestand stets einen Weg freisägt oder alle Bäume grob aufastet, um Übersicht zu schaffen, verursacht unnötige Kosten und lenkt ab vom waldbaulich Wesentlichen. Beim hier vorgestellten Konzept muss auch das Potential des Einzelbaumes richtig eingeschätzt werden können (Alter, Durchmesser, soziale Position, Reaktionsfähigkeit). Dies setzt sehr gute Baumartenkenntnisse voraus.

Erfahrungen aus verschiedenen Beständen zeigen, dass auf diese Weise wertvolle Mischbestände mit einem Aufwand von Fr. 2000.- bis 3000.-/ ha bis zum ersten kostendeckenden Eingriff möglich sind.

 

(TR)