Hirsche und andere Huftiere, aber auch Kleinsäuger sind dafür bekannt, dass sie an lebenden Bäumen streifenartig die Rinde abschälen können. Verletzungen, die dadurch am Baum entstehen, bewirken einen Wachstumsverlust, der vom Verhältnis der Wundgrösse zur Baumgrösse abhängig ist. Kleinere Wunden kann ein Baum überwallen, sodass sich der Wachstumsverlust meist auf eine Wachstumsperiode beschränkt. Grössere Wundflächen führen zu einem stärkeren Wachstumsverlust; gleichzeitig nimmt die Wahrscheinlichkeit einer Pilzinfektion zu. In der Wundfäule liegt denn auch die Hauptgefahr für die Stabilität eines geschälten Baumes und der ökonomischen Entwertung des Holzes.

Schälungen grösseren Umfangs sind in Mitteleuropa fast ausschliesslich auf den Rothirsch zurückzuführen. Besonders in den waldbaulich stark beeinflussten Fichtenwäldern Deutschlands und Österreichs sind Schälungen weit verbreitet und forstwirtschaftlich bedeutsam.

In verschiedenen Untersuchungen liess sich kein genereller Zusammenhang zwischen Rothirschdichte und Schälbelastung finden. Hingegen zeigte sich, dass die Schälbelastung mit zunehmendem Anteil an Fichtenstangenhölzern ohne Bodenvegetation zunahm, in bezüglich Struktur und Artenzusammensetzung natürlichen oder naturnahen Wäldern hingegen niedrig war. Diese Ergebnisse stützen die These, dass Rinde als Ersatznahrung bei insgesamt unzureichendem Angebot von Gras, Kräutern, Zwergsträuchern und Baumtrieben dient.

Situation im Forstkreis Werdenberg

Im Forstkreis Werdenberg treten seit über 30 Jahren Schälungen auf. Seit 1996 hat die Schälhäufigkeit stark zugenommen. Betroffen sind reich strukturierte Wälder mit einem hohen Anteil an Laubbäumen. Das Äsungsangebot ist bereits während einiger Jahre durch gezielte Massnahmen wie der Pflanzung von Verbissgehölzen und der regelmässigen Mahd von Freiflächen zusätzlich verbessert worden. Zudem sind Wald und Wiesen reich verzahnt, sodass den Rothirschen zumindest nachts genügend ungestörte Weideflächen zur Verfügung stehen. Die Schälsituation im Forstkreis Werdenberg scheint damit der oben erwähnten These zuwiderzulaufen.

Ergebnisse der Untersuchung

Im 425 Hektaren umfassenden Untersuchungsgebiet "Mittelwald" in der Gemeinde Gams (Kanton St. Gallen) wurden Stichproben aufgenommen, um allfällige Muster in der Schälhäufigkeit in Abhängigkeit von Baumart, bestandessoziologischer Stellung des Baums, Schälintensität und Entwicklungsstufe identifizieren zu können. Zudem entwickelten die Wissenschafter ein einfaches Vorhersage-Modell für besonders schälattraktive Bestände. Die Untersuchung führte zu folgenden Ergebnissen:

  • ­ Die einzelnen Baumarten zeigen deutliche Unterschiede in der Häufigkeit von Schälungen (Abb. 3). Die Esche wurde mit 77 Prozent weitaus am häufigsten geschält, gefolgt von der Weisstanne mit 44 Prozent der untersuchten Bäume. Die Schälhäufigkeiten von Fichte und Bergahorn sowie der Kategorie "übrige Laubholzarten" lagen bei 20 bis 30 Prozent. Die Buche wurde praktisch nicht geschält.
  • ­ In der Regel wurden unterdrückte Bäume häufiger, vorherrschende Bäume hingegen seltener geschält.
  • ­ An der Esche ist die Schälfläche mindestens viermal so gross wie an den übrigen Baumarten. Die Schälungen betrafen dabei häufig den ganzen Stammkörper, während bei den anderen Baumarten meistens nur die bergseits gewandte Stammseite geschält wurde.
  • ­ Es bestand eine signifikante Korrelation zwischen der Schälhäufigkeit und der Schälintensität einer Baumart, d.h. bevorzugte Baumarten wurden häufiger und intensiver geschält.
  • ­ Zum Zeitpunkt des Schälens befanden sich die meisten Bäume in den Entwicklungsstufen Dickung oder Stangenholz 1. Dabei wurden die Nadelbaumarten in einer späteren Phase der Entwicklung geschält als die Laubbaumarten.
  • ­ Standortseigenschaften als auch anthropogene Strukturen wie Strassen und Gebäude hatten keinen nachweisbaren Einfluss auf die Häufigkeit von Schälungen.
  • Bestände mit hoher Schäl-Intensität sind: Entwicklungsklassen Dickung bis Stangenholz mit einem hohen Anteil (> 50 %) an Eschen und einem niedrigen Anteil (< 20 %) an Buchen