Um die natürlichen Verjüngungspotenziale des sächsischen Landeswaldes zuverlässig einschätzen zu können, wurden im Jahr 2001 gezielt 700 Vergleichsflächenpaare angelegt. Die in den Jahren 2004 und 2007 erfolgten Wiederholungsaufnahmen von Kontrollzaun und Vergleichsfläche dienten vornehmlich der Abklärung des Wildeinflusses auf die Naturverjüngungen, offenbaren zugleich die beträchtliche Dynamik sich etablierender Verjüngungen.

Das modifizierte Kontrollzaunverfahren versucht der erheblichen Variation von Verjüngung und Wildeinfluss auf kleinen Flächen methodisch gerecht zu werden. Hierzu wird in jedem Bestand ein Set von 15 schematisch verteilten Probekreisen angelegt. Die Auswahl des Vergleichspaares basiert auf den dort erfassten Bodenvegetations- und Verjüngungszuständen. Für das Vergleichspaar werden die beiden ähnlichsten Punkte ausgewählt und einer davon eingezäunt.

Vor der Wiederholungsaufnahme, insbesondere nach dem Sturm Kyrill im Jahr 2007, fand eine Prüfung der prinzipiellen Vergleichbarkeit von Zaun und Kontrollfläche statt. Vergleichspaare mit Schäden am Zaun oder sichtbar unterschiedlichem Kronenschluss wurden nicht aufgenommen. Während nach drei Jahren noch alle Bestände objektiv auswertbar waren, reduzierte sich ihre Zahl nach sechs Jahren auf 373 (53%) Vergleichspaare.

Von der Dominanz der Fichte

Für die Anlage der Vergleichsflächenpaare wurden ältere Bestände mit bereits vorhandener Naturverjüngung ausgewählt. Lediglich in 43 Beständen wurde auf 78 Probekreisen (0,1% aller Probekreise) keine Verjüngung registriert. Obwohl es sich bei den ausgewählten Kontrollzaunbeständen nicht um eine systematische Stichprobe handelt, stimmt ihre Baumartenverteilung recht gut mit den Ergebnissen der Landeswaldinventur überein.

Abweichungen ergeben sich dahingehend, dass Weichlaubbaumarten und Lärchen unterproportional vertreten sind, und Fichtenbestände mit einem Alter über 80 Jahren überrepräsentiert werden. Im Ergebnis liegen gerade einmal 7 % der Kontrollzäune in Buchenbeständen und nur 2 % in Eichenbeständen. Etwa zwei Drittel der Bestände werden von der Fichte und ein Fünftel von der Kiefer dominiert.

Für die repräsentative Stichprobenkonstellation muss das Angebot an Diasporen, vor allem in den Berglagen dementsprechend als eingeschränkt beurteilt werden. Aus dem Zusammenspiel von Samenträgern und Vektoren ergibt sich für die einzelnen Bestände ein aus 2 bis 14 Baumarten bestehendes Verjüngungspotenzial.

Grundsätzlich ist eine hohe Kongruenz zwischen Altbestand und Verjüngung feststellbar. Die in den Berglagen dominierende Fichtenverjüngung ergänzen vor allem Pionierbaumarten, wie Eberesche und Birke. Im Tief- und Hügelland treten deutlich artenreiche Verjüngungen auf. Hier profitiert vor allem die Eiche vom Eichelhäher als Samenverbreiter und stellt in Kiefernbeständen nicht selten die Hauptbaumart der Verjüngung dar.

Bodenvegetation fungiert als Filter

Dagegen findet sich der Rohbodenkeimer Kiefer eher sporadisch unter dem lichten Kiefernschirm wieder. In Kiefernbeständen treten Bestandesstrukturen, in denen sich Verjüngungen spontan etablieren können, bereits im Stangenholzalter auf. Derartige Bestände wurden jedoch nicht einbezogen.

Den entscheidenden Faktor stellen hierbei die Bodenvegetationsverhältnisse dar. Sie beeinflussen maßgeblich die Keim- und Anwuchsbedingungen und filtern so das Samenangebot.

Neben dem durch die artspezifische Lichtdurchlässigkeit der Baumkrone, etwaige Störungen und waldbauliche Maßnahmen bestimmten Lichtangebot wirken vor allem die Standortsverhältnisse auf ihre Artzusammensetzung ein. In den Kontrollzaunbeständen lassen sich drei wesentliche Verjüngungshemnisse feststellen:

  • Him-, Brombeere und Landreitgras profitieren im nordwestlichen Tiefland von ehemals hohen Baseneinträgen und auch im stärker agrarisch genutzten Hügelland von den aktuellen Stickstoffeinträgen.
  • Seegrassegge, Pfeifengras und Adlerfarn treten auf stau- und grundwasserbeeinflussten Standorten häufig auf. In Verbindung mit einer forstwirtschaftlich geprägten Baumartenzusammensetzung oder -struktur, die von der natürlichen Waldformation oftmals weit entfernt ist, entfalten sie ihre das Aufwachsen von Verjüngung hemmende Konkurrenzkraft.
  • Dichte Decken des Wolligen Reitgrases. Die für natürliche Fichtenwälder in den Hoch- und Kammlagen namensgebende Art profitierte von den erheblichen Kronenverlichtungen und stark versauerten Oberböden aufgrund der Schwefelimmissionen in den 1970er und 1980er Jahren. Unterstützt wurde diese Entwicklung noch durch die fehlende Verjüngung der Eberesche aufgrund hoher Wildbestände.

Ab Stiefelhöhe konkurrenzstark und stabil

Entsprechend der vorherrschenden Bodenvegetationsdecken sind vor allem die im Tiefland und den oberen Berglagen vorgefundenen Verjüngungen relativ stammzahlarm (<1000 bis <5000 N/ha) und unterscheiden sich damit deutlich von den stammzahlreichen Fichten-, Buchen- und (Rot-)Eichenverjüngungen, die bei entsprechend günstigen, überwiegend vegetationsfreien Anwuchsbedingungen auftreten.

Mit Ausnahme relativ weniger Bestände im Hügel- und Bergland, auf denen der Verjüngungsschub erst im Beobachtungszeitraum einsetzte oder anhielt, nahmen die Verjüngungsdichten im Beobachtungszeitraum ab. Betrachtet man einzelne Baumarten so gilt diese Aussage insbesondere für die sonstigen Hartlaubbäume (Ahorn) nicht. Und auch hinsichtlich der einzelnen Höhenstufen muss klar unterschieden werden.

So erscheint die Verjüngung etwa ab Stiefelhöhe dauerhaft etabliert und gesichert zu sein. Die Abnahme der Verjüngungsdichten findet dagegen fast ausschließlich bei Pflanzenhöhen unter 40 cm statt. In erster Linie spiegelt dies naturgemäß das Aufwachsen der Verjüngungen wieder. So tauchen etwa bei der Buchenverjüngung Verluste in der unteren Höhenstufe als Gewinn in höheren Klassen auf.

Andererseits nehmen in der Mehrzahl der Fichtennaturverjüngungen die Dichten in den Höhenstufen unter 40 cm ab, ohne daß in den oberen Höhenstufen entsprechende Zunahmen verzeichnet werden können. Die ausgeprägte Sommertrockenheit im Jahr 2003 hat wahrscheinlich bedeutend zum Vergehen der Fichtenverjüngung beigetragen.

Die geschilderte Dynamik lies sich ebenso innerhalb wie außerhalb der Kontrollzäune finden. Sie sind das Ergebnis der Konkurrenz sowohl innerhalb der Verjüngung, als auch zwischen Schirmbestand und Verjüngung. Mit Blick auf die kleinen Vergleichsflächen müssen auch noch kleinstandörtliche Unterschiede und zufällige Effekte hinsichtlich des Samenangebotes in Kalkül gezogen werden.

Wildeinfluß - nicht leicht in Zahlen zu fassen

Die skizzierte Verjüngungsdynamik galt es bei der zahlenmäßigen Gegenüberstellung von Kontrollzaun und Vergleichsfläche entsprechend zu berücksichtigen. Für jedes Vergleichspaar wurden der Verlust von Baumarten außerhalb des Zaunes und/oder ein ausschließliches Ankommen von neuen Arten innerhalb des Zaunes als negativer Einfluss des Wildes auf die Artenzusammensetzung bewertet.

Zur Betrachtung des Wildeinflusses auf die Höhenstruktur wurde aus den registrierten Verjüngungsanteilen in den einzelnen Höhenstufen ein Index berechnet. Ein negativer Wildeinfluss wird konstatiert, wenn sich innerhalb des Zaunes in stärkerem Maße Verjüngungsanteile in Höhenstufen oberhalb 40 cm Höhe verschieben, als dies auf der Vergleichsfläche der Fall ist.

Die prüfende Betrachtung einzelner Vergleichsflächenpaare ohne erkannten Wildeinfluß bestätigte die Schwierigkeiten beim "Messen“ der Auswirkungen von Wildverbiß. Die witterungs- und konkurrenzbedingten Stammzahlabnahmen, zufälliges Ansamen und kleinststandörtliche Wuchseffekte treten trotz der aufwändigen Flächenanlage auf und lassen sich mit der gewählten Methode nicht zuverlässig ausschließen.

Verbißerhebungen

Über Verbißerhebungen lässt sich die Nutzungsintensität der Verjüngung durch die verbeißenden Schalenwildarten zuverlässig wiedergeben. Diese unterliegt im Wesentlichen der Relation zwischen Wilddichte und dem witterungs- und waldstrukturbedingtem Äsungsangebot. Da Verbiß größeren jährlichen Schwankungen unterliegen kann, lassen sich dessen Auswirkungen kaum sicher abschätzen.

Unsicherheiten können aus einer vollständigen Äsung von Keimlingen und der differenzierten Verbissgefährdung der Baumarten herrühren. Letztere variiert auf den Vergleichsflächenpaaren beträchtlich. Ahorn, Eiche, Hainbuche und Kirsche sind in der Regel beliebte Knospennahrung. Dominieren sie in der Naturverjüngung werden sie jedoch spürbar weniger verbissen. Andernorts können auch überwiegend verschmähte Lärchen stark verbissen werden, wenn sie als Hauptbaumart die alleinige Knospennahrung darstellen.

In die Fläche getragen

In Abhängigkeit von der vorherrschenden Waldstruktur zeigte sich ein differenzierter Einfluss des Wildes auf die Höhenstruktur und Artzusammensetzung der Verjüngungen.

So tritt vornehmlich in Regionen mit artenreichem Samenpotenzial auch ein Einfluß des Wildes auf die Artzusammensetzung auf. In den höheren Berglagen, in denen die Fichte nicht selten über 95% der Bestockung einnimmt, bleibt die Artenzusammensetzung dagegen überwiegend stabil. In den artenarmen Fichtenverjüngungen fällt auch die stark verbissene Ebereschenverjüngung nur selten total aus.

Der Einfluß auf die Höhenstruktur scheint vor allem in den stammzahlarmen Verjüngungen höher. In der Kombination beider Bewertungen ergeben sich Situationen, in denen beide Effekte gleichgerichtet diagnostiziert wurden, oder aber der Einfluß auf Artzusammensetzung oder Höhenstruktur überwiegt.

Die registrierten Veränderungen der Arten- und Höhenstruktur werden zu einer Gesamtbewertung des Wildeinflusses kombiniert. Aus den lokalen Beurteilungen werden regionale Abweichungen vom Gesamtdurchschnitt abgeleitet.

Wenngleich sich im Vergleich zu den Bedingungen vor 1990 das Verhältnis zwischen Wilddichte und Äsungskapazität so verbessert hat, dass vielerorts kein negativer Einfluß festgestellt werden konnte, weist die Karte dennoch auf lokale Probleme hin. Die tendenzielle Übereinstimmung des Musters aus Revieren mit geringem und hohem Einfluss mit den entsprechenden Streckenzahlen unterstützt die Beurteilung des Wildverbisses.