Die Verkehrssicherungspflicht besagt, dass derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft, unterhält oder in seinem Verantwortungsbereich andauern lässt, die allgemeine Rechtspflicht hat, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um die Schädigung anderer möglichst zu verhindern.

Was darunter im Einzelnen zu verstehen ist, wurde im Laufe der Zeit von den Gerichten entwickelt, da eine gesetzliche Regelung dazu fehlt. Dabei muss beachtet werden, dass eine hundertprozentige Sicherheit nicht möglich ist und auch nicht erwartet werden kann. Es muss somit nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden.

Der Verkehrssicherungspflichtige hat nur diejenigen Gefahren zu beseitigen oder vor ihnen zu warnen, die für einen durchschnittlich sorgfältigen Benutzer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzustellen vermag.

Sowohl das allgemeine Lebensrisiko, die Frage der Zumutbarkeit für den Verkehrssicherungspflichtigen unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Angemessenheit des Kosten- und Personalaufwands sowie Belange des Natur- und Umweltschutzes setzen der Verkehrssicherungspflicht Grenzen. Die an einen Verkehrssicherungspflichtigen zu stellenden Anforderungen sind somit immer auch das Ergebnis einer Interessenabwägung im Einzelfall.

Nachfolgend kann daher nur unter Einbeziehung ergangener Rechtsprechung die derzeitige Rechtslage allgemein dargestellt werden (Details entnehmen Sie bitte dem Originalartikel). Dies ist allerdings kein Garant dafür, dass in einem vergleichbar oder ähnlich gelagerten Fall jedes Gericht so entscheiden würde.

Verkehrssicherungspflicht für Bäume an öffentlichen Straßen

Rechtsprechung zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht

Soweit Bäume nicht dem Straßengrundstück zuzuordnen sind, ist für die Verkehrssicherheit der Waldrandbäume der Baumbesitzer zuständig. Praktisch heißt dies für den Waldbesitzer, dass er dafür Sorge tragen muss, dass von seinen Bäumen keine Gefahren oder Schäden für andere ausgehen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich bereits im Jahr 1965 zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht geäußert.

Ein BGH-Urteil von 2012 bestätigt, dass der Eigentümer des an einer öffentlichen Straße liegenden Waldgrundstücks mit Rücksicht auf den Straßenverkehr verpflichtet ist, schädliche Einwirkungen auf die Verkehrsteilnehmer durch umstürzende Bäume zu vermeiden. Er ist verpflichtet, den Baumbestand so anzulegen, dass er im Rahmen des nach forstwirtschaftlicher Erkenntnis Mögliche gegen Windbruch und Windwurf gesichert ist. (Waldwege sind mangels entsprechender Widmung keine öffentlichen Straßen nach dem Straßen- und Wegerecht.)

Eine regelmäßige Kontrolle der Bestandesränder auf ihre Verkehrssicherheit ist notwendig. Die Rechtsprechung verlangt hierzu eine sorgfältige äußere Besichtigung, die der Gesundheits- und Zustandsprüfung des Baumes dient. Diese Sichtkontrolle erfolgt grundsätzlich vom Boden aus. Erst wenn sich im Rahmen der Sichtkontrolle besonders verdächtige Umstände zeigen, ist eine eingehend fachmännische Untersuchung notwendig. Die FLL-Baumkontrollrichtlinie gibt einen Überblick, worauf bei den Regelkontrollen insbesondere zu achten ist.

Häufigkeit der Baumkontrollen

Der BGH hat sich in seinen Entscheidungen nicht auf ein bestimmtes Kontrollintervall festgelegt. Er weist darauf hin, dass es sich auch bei der Frage der Häufigkeit der Baum- kontrollen jeweils um eine Einzelfallentscheidung handelt.

Aus Gründen der Rechtssicherheit und der derzeit nicht gefestigten Rechtsprechung empfiehlt der Staatsbetrieb Sachsenforst für seinen Bereich zweimal jährlich Kontrollen entlang öffentlicher Straßen durchzuführen. Diese sind für grössere Bestände/Bestandesränder in ihrer Ausführung praktikabel und wenig fehleranfällig. Differenzierte Kontrollintervalle nach der FLL-Baumkontrollrichtlinie können sich hingegen bei kleineren sowie überschaubaren Beständen anbieten. Bei der Festlegungen, welchem Zeitintervall der Baum/ Baumbestand unterliegt, bedarf es einer ausführlichen Dokumentation.

Beweislast, Dokumentation und Versicherung

Grundsätzlich obliegt es dem Geschädigten, die schuldhafte Pflichtverletzung des Schädigers nachzuweisen. Im Rahmen der Verkehrssicherungspflichtverletzung gilt jedoch der Anscheinsbeweis. Praktisch bedeutet dies, dass der Geschädigte nur eine mangelhafte Kontrolle des Waldbesitzers behaupten muss. Der Waldbesitzer seinerseits muss diesen Anschein erschüttern, wenn er dem Schadensersatzanspruch entgehen will.

Daher ist es wichtig, dass die ordnungsgemäße Durchführung der Baumkontrollen nachweisbar dokumentiert wird. Werden Schadensfälle angezeigt, sollte stets das Beweismaterial, wie abgebrochene Stämme und Äste, gesichert werden (entsprechende Aufbewahrung, Fotos erstellen), um sich nicht dem Vorwurf der Beweisvereitelung auszusetzen. Der Waldbesitzer kann sich gegen Haftpflichtschäden, die aus dem Besitz, dem Betreten und der Bewirtschaftung, einschließlich einer möglichen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ergeben, versichern.

Verkehrssicherungspflicht im Wald

Waldwege

Das Betreten des Waldes erfolgt auf eigene Gefahr (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Waldgesetz für den Freistaat Sachsen – SächsWaldG und § 60 Satz 1 BNatSchG).

Nach einen BHG-Urteil von 2012 sind dem Waldbesitzer Baumkontrollen wie bei Straßenbäumen auch an stark frequentierten Waldwegen nicht zumutbar. Die Verkehrssicherungspflicht des Waldeigentümers wird darauf beschränkt, dass er grundsätzlich keine Vorkehrungen gegen die typischen Gefahren des Waldes (z. B. Natur des Waldes: herabhängende Äste, Trockenzweige, Wurzeln oder der ordnungsgemässen Bewirtschaftung [BGH 2012]) zu treffen hat (siehe auch § 60 Satz 3 BNatSchG) , sondern den Benutzer nur vor atypischen Waldgefahren schützen oder warnen muss.

Atypische Gefahren sind Gefahren, mit deren Auftreten der Waldbenutzer nicht rechnen muss, sich also nicht aus der Natur oder Bewirtschaftung ergeben, sondern insbesondere vom Waldbesitzer selbst oder einem Dritten geschaffen werden (z. B. Treppen, Geländer, nicht waldtypische Hindernisse, ungesicherte Holzpolter, gefährliche Abgrabungen, Schranken).

Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht wird vom Charakter des Weges bestimmt. Das Ausmaß der Frequentierung darf nach dem BGH-Urteil von 2012 keinen Einfluß auf die Verkehrssicherungspflicht haben. "Nach der gesetzlichen Risikoverteilung (§ 25 Abs.5 Satz1 LWaaldG SL) ist auch eine auf stark frequentierte Waldwege beschränkte Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers hinsichtlich waldtypischer Gefahren grundsätzlich nicht gegeben." Nach einen BHG-Urteil von 2012 sind dem Waldbesitzer Baumkontrollen wie bei Strassenbäumen auch an stark frequentierten Waldwegen nicht zumutbar. Sie sind nicht mit einer allgemeinen Überprüfung häufig genutzter Waldwege, die ein Waldbesitzer etwa nach einem Sturm zur Schadensfeststellung durchführt, zu vergleichen.

Zu beachten ist, dass allein eine Ausschilderung des Weges zu keinen höheren Anforderungen an die Verkehrssicherheit führt. Die Schilder sind in der Regel lediglich als Orientierungsmittel und Wegweiser anzusehen. Der Waldbesucher muss sich allerdings darauf verlassen können, dass der Weg für die ausgewiesene Nutzungsart (zum Beispiel Radweg) auch geeignet ist.

Waldränder entlang einer Bebauung

Für Waldränder entlang einer Bebauung gibt es bislang keine Rechtsprechung, die für den Waldbesitzer regelmäßige Kontrollen verlangt. Der Staatsbetrieb Sachsenforst führt dennoch in diesen Bereichen regelmäßige Kontrollen durch.

Erfolgt z. B. durch Anwohner ein Hinweis auf einen gefährlichen Baum, so muss der Waldbesitzer dem Hinweis nachgehen und den betreffenden Baum auf Auffälligkeiten untersuchen. Bei einer Gefahr ist der Baum zurückzuschneiden oder zu fällen.

Bei neuerer Bebauung ist davon auszugehen, dass der Bebauungsabstand zum Waldrand (30 Meter – § 25 Abs. 3 SächsWaldG) eingehalten ist. Bei älterer Bebauung ist dies unter Umständen nicht der Fall. Dies kann aber in der Regel nicht zu Lasten des Waldbesitzers gehen, da die Waldbestände oft älter als die Bebauung sind.

Im Bestand

Innerhalb des Bestandes bestehen keine Verkehrssicherungspflichten für von Bäumen ausgehende Gefahren! Hier liegt also der geringste Grad der Verkehrssicherungspflicht vor. Die Pflicht der Besucher zum Selbstschutz steht eindeutig im Vordergrund. Der Waldbesucher muß den Wald mit den waldtypischen Gefahren so hinnehmen, wie er ist. Regelmäßige Kontrollen des Bestandes können nicht erwartet werden. Insbesondere die mangelnde Standfestigkeit von Bäumen im Bestand ist eine typische Gefahr, für die keine Verkehrssicherungspflicht besteht.

Sonstige Anlagen und Erholungseinrichtungen

Werden Anlagen und Einrichtungen wie Wanderparkplätze im Wald, Kinderspiel- und Grillplätze, Liegewiesen, Schutzhütten, Loipen, Waldlehr- und Erlebnispfade für die allgemeine Benutzung angelegt, so müssen diese bei bestimmungsgemäßem Gebrauch gefahrlos benutzt werden können. Da der Waldbesitzer den verstärkten Publikumsverkehr selbst verursacht, bestehen hier gesteigerte Verkehrssicherungspflichten. Beim Schutz spielender Kinder gelten besondere Maßstäbe.

Forstarbeiten

Bei Arbeiten im Wald, ganz besonders bei Holzfällarbeiten, sind Vorkehrungen zu treffen, die sich nach den jeweiligen Arbeiten und Gegebenheiten an der Arbeitsstelle richten:

  • an abgelegenen Stellen genügt es, das Arbeitsfeld zu beobachten und Personen, die sich im Gefahrenbereich aufhalten, zu verweisen
  • bei Bereichen, mit höherem Verkehrsaufkommen, sind zusätzlich Sicherungsmaßnahmen zu treffen (z. B. Hinweis durch Schilder, Aufstellung von Posten zur Absicherung, Absperrung)

Für alle Arbeiten gilt:

  • die bestehenden Unfallverhütungsvorschriften beachten
  • Sicherungsmaßnahmen ergreifen & dokumentieren (z. B. entsprechender Arbeitsauftrag an die Waldarbeiter)

Nach Abschluss von Holzfällarbeiten sind insbesondere die Randbereiche entlang von öffentlichen Straßen zu kontrollieren (z. B. auf angeschobene oder beschädigte Bäume, hängengebliebene Äste oder Kronenteile etc.).

Verschuldensunabhängige Haftung des Waldbesitzers

Während es bei der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf ein Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) ankommt, kann der Waldbesitzer unter Umständen auch unabhängig vom Verschulden haften. Hierbei geht es um den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch, den ein geschädigter Grundstücksnachbar (nicht der vorbeifahrende Autofahrer) beim Umsturz eines Baumes hat.

Voraussetzung für den Anspruch ist die Störereigenschaft des Waldbesitzers. Dieser kann entweder Handlungsstörer oder Zustandsstörer sein.

  • Als Handlungsstörer gilt, wer die Eigentumsstörung durch eine Handlung herbeiführt, sei es durch ein positives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen (z. B. Unterlassen der Sicherung des Baumbestandes im Rahmen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Grundstücks).
  • Die Zustandsstörereigenschaft des Waldbesitzers ergibt sich aus dem Eigentum am Baum, von dem ggf. die Störung ausgeht.

Allerdings muss für eine Haftung die Eigentumsbeeinträchtigung des Nachbarn wenigstens mittelbar auf den Willen des Waldbesitzers zurückzuführen sein.

Die Rechtsprechung geht teilweise dazu über, auch durch Naturereignisse ausgelöste Störungen dem Eigentümer zuzurechnen. Allerdings muss sich die Rechtsprechung angesichts des Klimawandels und der nachweisbaren Zunahme von extremen Witterungsverhältnissen und dadurch bedingten häufigen Baumstürzen vermehrt mit der Frage auseinandersetzen, wo die Grenzen zwischen höherer Gewalt, also unabwendbarem Ereignis, und der eventuellen Verantwortlichkeit des Baumeigentümers für ein Baumversagen bei extremen Witterungsverhältnissen liegen.