Das österreichische Forstgesetz versteht unter Objektschutzwald Wälder, die vor Naturgefahren schützen und eine besondere Behandlung zur Erreichung und Sicherung der Schutzwirkung benötigen.
§21 (2) FG 1975 (2002): Objektschutzwälder im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Wälder, die Menschen, menschliche Siedlungen oder Anlagen oder kultivierten Boden insbesondere vor Elementargefahren oder schädigenden Umwelteinflüssen schützen und die eine besondere Behandlung zur Erreichung und Sicherung ihrer Schutzwirkung erfordern. |
Die deutliche Zunahme der Erwartungen an den Nutzen derartiger Wälder und die Klimaveränderung erhöhen die Herausforderungen an das Waldmanagement für eine nachhaltige und konfliktfreie Nutzung und Erhaltung generell und für die Erhaltung der Schutzwirkung im Speziellen.
In den letzten Jahrzehnten änderte sich die Vielfachnutzung in den Bergregionen grundlegend. Neben der klassischen Holzernte und Jagd dürfen auch die Freizeitaktivitäten im Wald nicht vernachlässigt werden. Das über Jahrzehnte mit den Wanderern aufgebaute gegenseitige Verständnis wird auf eine neue Probe gestellt: Mountainbiker, Skitourengeher, Bergläufer oder Rodler nützen den Wald in vermehrtem Maß.
Parallel dazu fordert die Gesellschaft die Sicherung von Wasserquellen, die Lieferung von Energieholz für die Biokraft- oder Heizanlagen oder den Erhalt des Waldes als "Naturobjekt" oder Genpool (über nationale und europäische Richtlinien zur Erhaltung von Natur- bzw. naturnahen Schutzgebieten).
Mit der intensiven Erschließung der Alpen als Lebensraum steht jedoch der aktive Schutz des Siedlungsraums an oberster Stelle der Erwartungen. Diese Erwartungshaltung ist direkt gekoppelt mit der deutlich erhöhten Vulnerabilität: Statt vereinzelter Höfe und Almen prägen dicht besiedelte Ortszentren, stark befahrene Verkehrswege und hochtechnisierte Anlagen zumindest in einigen Alpentälern die Landschaft. Der Schutz dieses Lebensraums wird aktiv eingefordert und neue Informations- bzw. Entscheidungsgrundlagen sind notwendig. Und der Wald muss in das integrale Risikomanagement explizit integriert werden (Wasser, Perren, 2014).
Wald und Klimawandel
Solange Aussagen über den Einfluss des Klimawandels auf den Bergwald noch mit erheblicher Unsicherheit behaftet sind, bleiben konkrete Empfehlungen zur waldbaulichen Behandlung oder notwendigen Änderungen rar. Es kann vermutet werden, dass die bisherigen waldbaulichen Bewirtschaftungsverfahren auch in Zukunft nicht völlig falsch sind, aber adaptiert werden müssen (Schmid et al., 2015).
Die mit dem Klimawandel verbundenen kontinuierlichen Veränderungen des Ökosystems oder der Wuchsbedingungen sind aber vielleicht das kleinere Übel. Die wirklichen Probleme entstehen aus den spontanen, diskontinuierlichen Störungen und den möglichen großflächigen Problemen: Neben Stürmen und Windwürfen könnte die Stressintoleranz vitalitätsreduzierter Bestände leicht zu unerwünschten flächenhaften und extremen Gefahrensituationen führen. Die Verwendung von falschem Pflanzgut (zum Beispiel Tieflandfichten in den Bergen) oder der großflächige Einsatz von nicht standortsgerechten Pflanzen bei der Aufforstung führen zu einer hohen Unsicherheit in der Entwicklungsbeurteilung.

Abbildung 1: Links: Schematische Darstellung von Prozessflächen mit und ohne Schadenspotenzial. Die Prozessflächen mit Schadenspotenzial erstrecken sich in Prozessrichtung jeweils bis zum letzten potenziell gefährdeten Objekt (deshalb wird die Fläche unterhalb der Straße als Prozessfläche ohne Schadenspotenzial gewertet); die rechte Prozesszone stellt keine potenzielle Gefährdung für ein Objekt dar und hat deshalb kein "Schadenspotenzial".
Rechts: Schematische Darstellung der Waldflächen mit Objektschutzfunktion durch Verschneidung der Prozessflächen mit dem Wald.
Neben dem notwendigen Monitoring des Klimas und der Waldentwicklung müssen daher parallel die Waldflächen mit hoher Schutzerwartung – mit Objektschutzfunktion – bestimmt werden. Resilienz basiert auf dem ausreichenden Wissen über mögliche Risiken und dem Vertrauen in einer effektiven Reaktion auch in Krisensituationen – wie dem Ausfall von Waldflächen mit Schutzwirkung.
Die Modellierung des Objektschutzwaldes
Das Ziel der beiden im Auftrag des BMLFUW durchgeführten Projekte war die Verbesserung der Erfassung der Schutzwaldkulisse für die forstliche Raumplanung (Perzl, Huber, 2014). Modelliert wurden die Waldflächen mit Objektschutzfunktion gegen Lawinen und Steinschlag auf Maßstabsebene einer Gefahrenhinweiskarte flächendeckend für Österreich (Perzl und Huber, 2014; Huber et al., 2015).
Die Berechnung des Auslaufs und der Prozessgröße erfolgte in beiden Fällen mit einem einfachen statistisch-topographischen Auslaufmodell mit 32° Pauschgefälle für den Steinschlag und 25° für Lawinen. Die Werte wurden aus den Ereignisdaten abgeleitet und an Hand von Musterereignissen auf Plausibilität geprüft.

Abbildung 2: Schematische Darstellung eines Prozesspfades im Gelände mit Abbruchgebiet, Sturzbahn und dokumentierten Ereignissen.
Für beide Prozesse – Steinschlag und Lawinen – wurde entlang des steilsten Gefälles der Auslauf berechnet. Das Lawinenmodell besitzt darüber hinaus ein Ausbreitungsmodul, das die Anpassung der berechneten Gefahrenfläche an beobachtete Ausbreitungen ermöglicht. Die Waldfunktionen wurden entsprechend der Schadenswahrscheinlichkeit (diese entspricht dem "Schutzpotenzial") nach Objekt- und Prozessklassen bewertet.
Unterstützung der Raumplanung
Die Ergebnisse der Objektschutzwaldmodellierung liefern zu folgenden Themen bereichen wichtige Ergänzungen:
- Einheitliche Beurteilung der Waldflächen mit Objektschutzfunktion
Objektklassen | Prozessklassen |
0 keine schützenswerten Objekte | 0 kein Ereignis |
1 "niederrangige" Objekte | 1 kleines Ereignis mit kurzem Auslauf |
2 schützenswerte Objekte mit erhöhtem öffentlichen Interesse | 2 mittlere Größe |
3 "hochrangige" schützenswerte Objekte | 3 groß, langer Auslauf |
- Standardisierung der Ausweisung von Hinweisflächen: Die Ergebnisse können für die Ausweisung von Steinschlag-Hinweisbereichen verwendet werden.
- Ergänzung zum Gefahrenzonenplan: Die in Österreich auf Basis des Forstgesetzes erstellten Gefahrenzonenpläne bilden die Naturgefahreneinwirkung im raumrelevanten Bereich ab. Dazu werden die Prozesswirkungsbereiche nach den definierten Kriterien flächenhaft dargestellt. Die vorliegende Objektschutzwaldmodellierung stellt keine flächenhaften Informationen über Prozesswirkungs bereiche dar, um Widersprüche mit dem Gefahrenzonenplan zu vermeiden. Die berechneten Waldflächen mit Objektschutzfunktion könnten den Experten jedoch bei folgenden Fragen eine Unterstützung liefern:
(a) Ist ein Objekt im raumrelevanten Bereich durch Lawine oder Steinschlag gefährdet, auch wenn bisher durch die Schutzwirkung des Waldes keine Gefahren- bzw. Risikosituationen aufgetreten sind bzw. dokumentiert wurden?
(b) Gibt es Flächen im zum raumrelevanten Bereich angrenzenden Wald, die eine ausgeprägte Schutzfunktion haben und deren Schutzwirkung kritisch zu beurteilen ist oder eine kritische Entwicklung vermutet werden muss? Auch wenn die Schutzfunktionsmodellierung keine Angaben zur Schutzwirkung (= tatsächlicher Effekt) liefert, sind aus den Karten die Flächen mit hohem "Funktionsbedarf" ersichtlich. - Ableitung von strategischen Flächen (Freiflächen, Naturschutzflächen) - Reduktion des Konfliktpotenzials

Abbildung 3: Darstellung der Wälder mit Objektschutzfunktion am Beispiel der Lawinen im Bereich der Stadt Innsbruck. Deutlich zu sehen sind die Begrenzung der dargestellten Funktionsklassen auf den bewaldeten Bereich. Durch die Integration in den Waldentwicklungsplan können einzelne Prozesse und Risikosituationen deutlich effektiver in der Steuerung berücksichtigt werden.
Wie in der Einleitung dargestellt, hat die Komplexität des Waldmanagements und der Raumplanung mit der sich ändernden und zunehmenden Erwartungshaltung zugenommen. Da der Schutz von Siedlungsraum eine hohe Bedeutung für die Gesellschaft darstellt, sind räumlich explizite und genaue Angaben über die Flächen mit hoher Schutzpriorität hilfreich bei der Findung von Lösungen und der Akzeptanz von Kompromissen.
Optimierung des Fördermitteleinsatzes
Effektivitätssteigerung des Mitteleinsatzes durch Priorisierung: Durch die Modellergebnisse und Klassifikationen können wichtige Schutzflächen von notwendigen Schutzflächen leichter unterschieden werden. Aus den Diskussionen mit den Landesforstabteilungen ist bekannt, dass auf der Basis der neuen Objektschutzwaldkarten eine Priorisierung von Erhaltungs- und Schutzmaßnahmen viel besser möglich ist, da genauer bekannt ist, welcher Wald- oder Hangbereich eine Schutzfunktion hat.
Bestimmung der lokalen Schutzziele und des damit verbundenen Mitteleinsatzes: Das Kartenmaterial kann auf Gemeindeebene auch dafür verwendet werden, Schutzziele räumlich genau auszuweisen und notwendige Aufwendungen zur Erreichung und Erhaltung des Schutzzieles gezielt zu verwenden.
Berücksichtigung des Waldes im integralen Risikomanagement
Integrales Risikomanagement bedeutet die gleichwertige und integrierende Verwendung verschiedenster Schutzkonzepte mit dem Ziel, den nachhaltigen Schutz des Bergraums möglichst kostengünstig und umweltschonend zu erreichen. Grundsätzlich können technische, temporäre, forstliche und planerische Maßnahmen unterschieden werden.

Abbildung 4: Berechnung der Objektschutzfunktion am Beispiel Sellrain. In diesem Beispiel wurden neben den Anbrüchen im Wald auch die Anbrüche außerhalb des Waldes dargestellt. In der Abbildung ist zu sehen, dass sich die Darstellungen der Flächen mit Schutzfunktion nicht auf die Bereiche des Gefahrenzonenplans beschränken (der raumrelevante Bereich umfasst typischerweise die Siedlungen), sondern auch die Infrastruktureinrichtungen berücksichtigen. Im vorliegenden Fall sind die Waldflächen mit direkter Schutzfunktion für die wichtige Verbindungsstraße ins Kühtai dargestellt (Straße links oben).
Der Wald mit seiner Schutzfunktion und Schutzwirkung wird aber bisher nicht als systematischer Teil des Risikomanagements mitgedacht, sondern nur im Problem- oder Anlassfall berücksichtigt. Die vorliegenden Schutzwaldflächen sind ein erster Schritt hin zu einer einheitlichen Integration des Waldes in das österreichische Schutzsystem.
Unterstützung im Rahmen der gutachterlichen Tätigkeiten
Aus der Praxis sind zahlreiche Beispiele bekannt, in denen Beurteilungen der Schutzfunktion bzw. Schutzwirkung im Rahmen der gutachterlichen Tätigkeit notwendig sind.
Die Ergebnisse ermöglichen dem Experten übersichtliche und einheitliche Beurteilungen, für welche Hang- oder Waldbereiche eine konkrete Schutzfunktion erwartet wird, was wiederum die Beurteilung von Schutzmaßnahmen unterstützt.