In unserer Studie ging es ursprünglich nicht um die Herzfrequenz. Es interessierte vielmehr, ob man bestimmte Arbeiten, Tätigkeiten oder auch Körper­haltungen identifizieren könne, welche zu den häufig auftretenden Beschwerden am Bewegungsapparat bei Forstwarten führen – vor allem mit zunehmendem Alter. Neben dem persönlichen Leid, das mit derartigen Beschwerden verbunden ist, kann die individuelle berufliche Lauf­bahn in Frage gestellt sein. Hinzu kommt, dass den Forstbetrieben wegen des früh­zeitigen Abgangs erfahrenen Personals wertvolles Know-how verloren geht.

Die Verantwortlichen des Staatswalds Zürich haben sich dieser Problemstellung angenommen und suchen in einem breit und langfristig ausgeleg­ten Projekt unter dem Titel "berufliche Perspektiven im Staatswald" nach Lösun­gen. Ziel ist, dass die Mitarbeiter bis zu ihrer Pensionierung im Dienst bleiben können.

In diesem Zusammenhang registrierten wir die Herzfrequenzen bei insgesamt vier Forstwarten mit einem aus dem Sport bewährten Messsystem während des ganzen Arbeitstages. Diese Männer wurden konstant beob­achtet und dabei Zeitpunkt und Dauer von typischen Teiltätigkeiten, wie zum Beispiel Anmarsch und Vorbereitung, einrichten, keilen, fällen, aufrüsten, Unterbrüche, Pausen usw. minutengenau erfasst. Damit liess sich ein direkter Bezug zwischen Teiltätigkeiten und dem Ver­lauf ihrer Herzfrequenzen herstellen.

Feststellungen

Die Analyse der Herzfrequenz-Messungen und gleichzeitiger Be­obachtungen lassen folgende Schlüsse zu:

  • Der Verlauf der Herzfrequenzen bestä­tigt die Vermutung, dass die Forstwarte sehr hohe körperliche Leistungen vollbringen. Die Dauerleis­tungsgrenze von ca. 130 Pulsschlägen in der Minute wird regelmässig über­schritten, in einzelnen Situationen geht es bis an die Leistungsgrenze (altersabhängiger Wert zwischen ca. 160 bis 200 Pulsschlägen). Andererseits darf den Männern gute Fitness attestiert werden, was aus dem raschen Abfall der Pulsraten während Unterbrüchen und Pausen herausgelesen werden kann.
  • Die Teiltätigkeit "Aufrüsten" scheint besonders anstrengend zu sein (Abb. 1). Erklä­rungsgründe sind unsicherer Stand auf herumliegendem Geäst, körper­ferne Handlungen mit der Motorsäge, rasches Arbeiten, vielleicht auch An­spannung wegen unkontrollierbaren, potenziell gefährlichen Umständen.
  • Die Spitzenpulse wurden erstaunlicher­weise nicht während der eigentlichen Fällarbeit erreicht, sondern beim Auf­stieg im glitschigen, steilen Gelände. Neben dem eigenen Körpergewicht fordern die Motorsäge (ca. 9 kg) mit Brennstoff und weitere Werkzeuge wie Fällkeil, Spalthammer, Seil oder auch schwere Nagelschuhe ihren Tribut. Bei der maschinenunterstützten Arbeit war dies beim Ausziehen des Drahtseils von der Seilwinde hinauf zum anzu­hängenden Baum der Fall. Dabei wur­den mehr als 30 kg hochgezogen. Verfängt sich das Seil, oder kann man es nicht in gerader Linie ziehen, muss mit viel höheren Werten gerechnet werden.
  • Bei der Fällarbeit sind erzwungene Körperhaltungen, sogenannte Zwangshaltungen, omnipräsent, meist jedoch nicht als langandauernde Haltepositionen, son­dern innerhalb von ständig wechseln­den Arbeitshaltungen. Nach arbeitswis­senschaftlichen Erkenntnissen belasten Zwangshaltungen den Bewegungsapparat stark. Kommt hinzu, das gleichzeitig mehr oder weniger grosser Krafteinsatz mit im Spiel ist, zum Teil bedingt durch die relativ körperferne Arbeitsweise. So wird zum Beispiel die Motorsäge meist in einem Winkel von über 20° rechts und 40° links zwischen Körper und Arm gehalten.
  • Schläge beim Keilen, Vibrationen, ständiger Lärm, schwere Schutzausrüs­tung sind Beispiele weiterer offensicht­licher Belastungsfaktoren.
  • Angst, in Zusammenhang mit unsiche­ren Situationen, kann mit einzelnen Ausschlägen der Herzfrequenzmes­sung in Verbindung gebracht werden. Allerdings erlauben die vorhandenen Daten diesbezüglich keine eindeutige Beweisführung.

Risikofaktoren

Beschwerden am Bewegungsapparat können von einzelnen traumatischen Er­eignissen herrühren. Viel häufiger sind sie jedoch die Folge einer Kombination von Belastungsfaktoren wie Kraftaufwand Zwangshaltung, wiederholt gleichförmi­gen Bewegungsabläufen, Schlägen und Vibrationen, Kälte, Nässe und auch psychosozialer Faktoren. Ihre Auswirkungen hängen entscheidend von der Intensität und Dauer der Einwirkung ab. Dem stehen schützende Elemente (man spricht von "Ressourcen") gegenüber, wie beispielsweise die individuelle Fitness, hinreichende Regenerationsphasen, ab­wechselnde Tätigkeiten, genügend Hand­lungsspielraum, persönliche Motivation sowie tragender Teamgeist.

Jede Verbesserung fällt ins Gewicht

In den letzten Jahren wurde schon sehr viel zur Verbesserung der Arbeitsbedin­gungen bei der Waldarbeit erreicht. Das betrifft die Arbeitsmittel und damit ver­bunden die Arbeitstechnik, oder auch Kommunikationsmittel und persönliche Schutzausrüstung. Allerdings liessen sich die schweren Arbeiten noch nicht so weit reduzieren, dass Überbeanspru­chungen des Bewegungsapparates als Ausnahme gelten könnten. Dafür sind noch viele weitere Schritte nötig – und zwar ist bei allen Belastungsfaktoren anzusetzen. Gleichzeitig sind die schüt­zenden Elemente bei jedem Einzelnen und in der Gruppe zu fördern. Auch wenn es im Einzelnen kleine Schritte sind, so können diese in der Summe zu erheb­lichen Erleichterungen führen.

Konkrete Ansatzpunkte

Ein systematisches Vorgehen ist ange­zeigt. Im Bereich der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes hat sich die TOP-Strategie bewährt, das heisst:

  • die technischen Möglichkeiten ausschöpfen
  • die organisatorischen Rahmenbedingungen optimieren
  • mit personenbezogenen Massnahmen unterstützen

In technischer Hinsicht gilt die Mechanisierung als Heilmittel erster Güte zur Reduktion der körperlichen Belastun­gen. Die Herzfrequenzmessungen beim Fahrer des Zangenschleppers haben dies auch klar belegt – wenigstens solange er sass! Aber etwa die Hälfte der Zeit war er mit Aufrüsten oder mit der Seilwinde beschäftigt. Er kletterte zwölfmal pro Stunde aus dem Fahrzeug, dies bei einer Stufenhöhe von 80 cm. Und der Schlep­per verursacht Schläge und Vibrationen, die der Maschinist nun in sitzender, das heisst weniger belastbarer Körperhaltung aushalten muss. Erst wenn auch diese Be­lastungsfaktoren reduziert werden kön­nen, kann man von einer effektiven Entlastung ausgehen.

Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer prüfenswerter Ansatzpunkte auf technischer Ebene, um die Arbeit leichter zu machen oder die Handhabung von Werk­zeugen zu verbessern. In Zusammenhang mit dieser Untersuchung wurden zum Beispiel leichtere Motorsägen, hydraulische Keile, Forstseilwinden mit Ausstosshilfe oder Kunststoffseile anstelle der üblichen Drahtseile diskutiert.

Organisatorische Massnahmen be­treffen die Arbeitsplanung als Ganzes, von der Wochenplanung bis zu den klei­nen Details bei der Arbeitsvorbereitung. Sie muss auf eine grösstmögliche Entlas­tung und Unterstützung der Mitarbeiten­den abzielen. Dabei ist auch nach Mög­lichkeiten zu suchen, um die Dauer der Belastung zu reduzieren, beziehungs­weise bewusst die Regenerationsphasen zu pflegen. Diesem Aspekt kommt vor allem mit zunehmendem Alter grössere Bedeutung zu. Beispielhafte Stichworte dazu sind Jobrotation, Halbtageseinsätze oder auch Ausweicharbeiten.

Schlussendlich ist auch die Langzeit­perspektive der Mitarbeitenden und des Betriebes im Auge zu behalten: Mit indi­vidueller Lebensplanung und gezielter Weiterbildung sind die Weichen für ein rechtzeitiges Umsteigen in andere Tätig­keiten zu stellen. Wichtig in diesem Zu­sammenhang sind auch regelmässige Gespräche mit den Mitarbeitenden, damit eventuelle Beschwerden schon frühzeitig erkannt und allenfalls rechtzeitig Massnahmen ergriffen werden können.

Bei den personenbezogenen Mass­nahmen steht die stetige Sensibilisierung für körperschonende Arbeitstechniken im Vordergrund. Dazu gehört die Einsicht zur Verwendung der verfügbaren Hilfs­mittel, auch wenn es vermeintlich weni­ger schnell geht. Verfahrensverbesserun­gen, welche das Aufrüsten erleichtern würden, wären sehr hilfreich.

Forstwarte sind Spitzensportler! Im Sport gelten Basistraining, angepasste Ernährung, Aufwärmübungen, Entlas­tungs- und Erholungstechniken als Grundvoraussetzungen für hohes Leistungsvermögen – sie gelten auch für Forstwarte.