Kurz nach der Alptransit-Baustelle bei Biasca (Tessin) in Richtung Malvaglia führt ein Asphaltsträsschen zu einer etwas erhöht gelegenen Kuhweide. Sie dient der Firma Helimatic während ihres dreitägigen Einsatzes als Start- und Landeplatz. Die Weide befindet sich am Fusse des rund 1900 m hohen Monti Lesgiüna und gibt in südlicher Richtung den Blick ins Tal des Flusses Brenno frei.

Es herrscht optimales Flugwetter heute, der Himmel ist wolkenlos, nur ab und zu bläst ein schwacher Wind. Das dumpf-hämmernde Heulgeräusch eines Helikopters ist zu hören. Aber will man ihn sehen, so muss man lange hinschauen, bis er sich endlich vom satten Grün des bewaldeten, mit zartgelb-blühenden Edelkastanien durchsetzten Steilhanges abhebt.

Der Pilot Urs Aecherli ist gerade damit beschäftigt, eine Stromleitungs-Trasse der Società Elettrica Sopracenerina SES freizuschneiden. Unablässig blickt er in die Tiefe. Wie von selbst führen die Hände und Füsse sanfte Bewegungen aus, steuern den Helikopter des Typs SA 315 B Lama langsam über das steil abfallende Gelände, während die Säge dicht an der Freileitung entlang schwebt und jeden Ast, der ihr in die Quere kommt, blitzschnell abtrennt.

Neben Urs Aecherli sitzt Peter Kechler, technischer Leiter und Einsatzkoordinator. Über Kopfhörer und Mikrofon ist er mit dem Piloten verbunden, informiert ihn laufend über die Lage der Säge und des Helikopters, über die Sicherheitsabstände der Rotorblätter zum Gelände.

4200 Flugstunden mit Säge

Aus der Distanz könnte man meinen, die Säge hänge an einem Seil. Doch in Tat und Wahrheit handelt es sich um 6 m lange Alurohre, im Fachjargon Sling genannt, die zusammengeschraubt sind. Dank dieses Systems kann einerseits die Arbeitslänge variabel auf bis maximal 40 m eingestellt werden, andererseits kann die 8 m lange Säge viel ruhiger geführt werden, auch bei windigen Verhältnissen. Im Innern des Rohres befinden sich ein Steuerkabel, über das sich die Säge aus dem Cockpit bedienen lässt, sowie ein Drahtseil, das bei einem allfälligen Rohrbruch die Säge halten würde.

Seit neun Jahren fliegt der 58-jährige Schweizer Urs Aecherli für die Gesellschaft für Sägesysteme Helimatic, ein Unternehmen der Otto Wolff-Gruppe mit Sitz in Köln. Total hat er bereits 11 500 Flugstunden auf seinem Konto, davon 4200 mit Säge. Und noch nie hatte er einen Unfall. "Es braucht Glück", sagt Aecherli, "aber auch die Fähigkeit, die eigenen Limiten und diejenigen der Maschine zu kennen." Das System sei sehr sicher, habe sich seit über zehn Jahren bewährt. Der wendige, stark motorisierte und robuste Lama-Helikopter erlaube es, sogar bei Wind, Regen und leichtem Schneefall sicher zu fliegen. Gefährlich könne es bei starken, böigen Seitenwinden werden: "Beginnt die 400 kg schwere Säge übermässig zu pendeln, kann sie den Helikopter aus dem Gleichgewicht bringen."

2000 Umdrehungen pro Minute

Während seine Kollegen in der Luft sind, steht der Sägetechniker Stefan Justen auf der Kuhweide und beobachtet den Einsatz aus der Ferne. In seinem VW-Bus sind alle notwendigen Werkzeuge verstaut, um die Säge nach dem Ende des rund einstündigen Einsatzes zu warten beziehungsweise einen allfälligen Defekt schnell zu beheben. Zum Warten und Betanken wird die 8 m lange Säge auf einen 10 m langen Doppelachs-Anhänger gelegt. Beim Landeanflug bleibt der Helikopter senkrecht über dem Anhänger stehen, sinkt Zentimeter für Zentimeter ab, bis Stefan Justen das untere Ende der Säge ergreifen, dieses ins Traggestänge einklinken kann und Urs Aecherli den Helikopter mitsamt dem Aluminium-Traggestänge hinter dem Anhänger zu Boden bringt.

"Wir haben selten Probleme mit der Säge", sagt Stefan Justen. Entscheidend sei, dass das Drehmoment der zehn Hartmetall-Sägeblätter präzise eingestellt sei. "Sind sie zu locker, haben sie keinen Biss mehr." Die Blätter haben einen Durchmesser von 55 cm und drehen sich 2000-mal pro Minute. Die Energie dazu liefert ein 60 PS starker Bombardier-Rotax-Motor, der normalerweise für den Antrieb von Schneemobilen verwendet wird. Der Treibstoff befindet sich im ersten Rohr oberhalb der Säge (Tankinhalt 27 l). Läuft die Säge auf Vollgas, durchtrennt sie spielend Äste mit einem Durchmesser von bis zu 25 cm.

"Anfänglich", so Thomas Harbeke, Helimatic-Geschäftsführer, "waren einige Förster sehr skeptisch gegenüber unserer Methode. Sie befürchteten, die Bäume würden dauerhaft geschwächt, von Schädlingen befallen und absterben." Durch die zahlreichen, seit 1998 ausgeführten Einsätze habe man aber die Bedenken entkräften können. Die Schnittflächen seien äusserst glatt und sauber und verholzten sehr schnell. "Kurzfristig gibt es bei den Bäumen einen Zuwachsverlust, doch das ist sogar gut: Dadurch wachsen sie weniger schnell wieder in die Trasse. Zudem verlagert sich durch das einseitige Abschneiden der Äste der Schwerpunkt weg von der Trasse, ins Innere des Waldes." Nach einem Schnitt bedürfen die Trassen für sechs bis acht Jahre keiner weiteren Ausholzung.

Die Angst der Forstunternehmer

Und wie steht es mit den Forstunternehmern? Macht ihnen die fliegende Säge das Geschäft streitig? Harbeke verneint: "In erster Linie fliegen wir unsere Einsätze in steilem, unwegsamem Gelände. Also überall dort, wo es nicht nur sehr zeit- und kostenintensiv wäre, die Trassen von Hand freizuschneiden, sondern auch äusserst gefährlich. Dort, wo die Zufahrtswege gut sind, kommen nach wie vor die Forstunternehmer zum Zug. Zudem leisten sie oft Vorarbeit, indem sie kleine, nicht sehr hohe Bäume fällen." Im Durchschnitt entastet die Helikopter-Säge, sie hat eine Schnittfläche von 6 m, in einer Stunde den Baumbestand auf einer Länge von zirka zwei Kilometern: Kosten CHF 4000.– bis CHF 5000.–." Ein Forstunternehmen mit fünf Arbeitern braucht dafür eine Woche", sagt Thomas Harbeke.

Ein weiterer, entscheidender Vorteil des Freischneidens per Helikopter sei die minimale Abschaltzeit des Leitungsnetzes. Das Ziel der Energieversorger sei es, in Zukunft das Netz gar nicht mehr abschalten zu müssen: "Momentan arbeiten wir zusammen mit der Berner Kraftwerke Energie AG an einem System, das uns erlaubt, unter Spannung zu arbeiten. Anstatt Alu- wollen wir in Zukunft Karbon-Rohre verwenden und dadurch den Helikopter von der Säge vollständig entkoppeln."

Um Aufträge bangt Geschäftsführer Thomas Harbeke nicht: Vor allem in der Schweiz, aber auch in Italien und Frankreich, stellt er einen erheblichen Nachholbedarf im Unterhalt der Freileitungsnetze fest.

In der Schweiz arbeitete die Firma Helimatic erstmals im Jahr 2003, und zwar für die Romande Energie RE. Weitere Kunden sind unter anderen das Elektrizitätswerk Obwalden EWO, das Elektrizitätswerk Reichenbach EWR, die Berner Kraftwerke BKW, die Aziende Industriali di Lugano AIL und zuletzt im Juni 2009 die Società Elettrica Sopracenerina SES.