Veränderte Rahmenbedingungen

Zur Vermeidung tiefer Spuren auf Rückegassen steht ein ganzes Spektrum technischer Möglichkeiten zur Verfügung: Seilkräne, Raupenfahrwerke, Schreitwerke, Bogiebänder, Superbreitreifen, Traktionshilfswinden oder schlicht und einfach der Einsatz leichterer Maschinen. Immerhin bringt ein voll beladener, mit stählernen Bogiebändern ausgestatteter Achtrad-Forwarder etwa 40 Tonnen auf unbefestigten Boden.

Vor der Entscheidung für eine möglichst bodenschonende Technologie ist die Befahrungsempfindlichkeit des betreffenden Bodens zu beurteilen. Der Blick auf die Standortskarte und der örtliche Erfahrungsschatz erlauben eine grobe Abschätzung des Risiko der Spurausbildung. Schnell kommt man dann zum Schluss, dass eine Befahrung nur zu Zeiten sommerlicher Austrocknung der Böden oder bei Bodenfrost im Winter schadenfrei möglich ist.

In der Realität sind diese Zeiträume jedoch rar und weitere Effekte erschweren die Holzernte: so mindert der Klimawandel die Zahl der Eistage mit Bodenfrost, in vielen Vogelschutzgebieten ist die Holzernte während der Brut- und Aufzuchtszeiten ausgeschlossen und der für den Wasserrückhalt wichtige Verzicht auf Entwässerung reduziert die Tragfähigkeit der Böden.

Weniger sensible Flächen zum Ausweichen können oft nur in begrenztem Umfang vorgehalten werden. Unter solchen Sachzwängen steigen die Risikobereitschaft und die Toleranz gegenüber etwaigen Schäden. Zudem sind die Erfahrungen, wie sich Forstmaschinen auf sensiblen Böden, bei ungünstiger Witterung und kritischer Bodenfeuchte verhalten, noch immer lückenhaft. Schaut man sich die Rückegassen nach einer Holzerntemaßnahme an, wird jedoch schnell klar, dass wir uns regelmäßig im Grenzbereich der Belastbarkeit unserer Waldböden bewegen. Ein Instrument zur Prognose möglicher Spurschäden deshalb hilfreich.

Die Scherfestigkeit

Von Rädern, Bändern oder Kettenlaufwerken werden Scherkräfte auf den Boden übertragen und können zum Aufbrechen der Bodenmatrix bzw. dem gegenseitigen Verschieben der Bodenteilchen führen. Die Scherfestigkeit wirkt als primär horizontale Bodenspannung den Scherkräften entgegen. Sie kann rechnerisch in eine vertikal einwirkende Auflast, wie sie eine Forstmaschine (im Stand) ausübt, überführt werden.

Die Scherfestigkeit ist in hohem Maße von der Bodenart (Korngrößenverteilung) und der Lagerungsdichte, sowie in begrenztem Umfang von der Bodenfeuchte abhängig.

Im Gegensatz zu Baugrunduntersuchungen ist es auf Rückegassen ausreichend, die Scherfestigkeit des Oberbodens zu bestimmen. Die obersten 30 cm des Bodens bilden das "Widerlager“ für Forstmaschinen und lassen sich mit dem Leichten Scherfestigkeitsmesser untersuchen.

Dazu wird eine Sonde mit zwei rechtwinklig zueinander stehenden Flügeln in den Boden gedrückt. Zunächst wird die Streuschicht entfernt und ein Loch mit definiertem Durchmesser vorgestochen. Dieses dient der Flügelsonde als Führung.

Das beim Verdrehen der Sonde im Moment des Bodenbruchs aufgebrachte maximale Drehmoment wird von einem Schleppzeiger festgehalten. Je nach Beschaffenheit des Bodens werden Flügel verschiedener Größen verwendet. Die Werkzeuge sind in Abbildung 3 dargestellt und können in einem handlichen Koffer transportiert werden.

Zur Beurteilung der Tragfähigkeit einer Rückegasse empfiehlt es sich, entweder systematisch viele Messungen (>50 je Rückegasse) vorzunehmen oder anhand optischer Kriterien (Zeigerpflanzen, Nassstellen, Mikrorelief) sensible Bereiche auszumachen und diese zu beproben.

Für einen statistisch abgesicherten Mittelwert sollten mindestens 20 Messungen je Gasse durchgeführt werden. Der Zeitbedarf dafür liegt bei etwa einer halben Stunde. Genauer wird es, wenn die Scherfestigkeit zusätzlich in verschiedenen Tiefen (bis max. 50 cm) erfasst wird.

Sensible Lehmböden

Je bindiger ein Boden ist und je größer seine Lagerungsdichte ist, desto größer ist seine Scherfestigkeit. Zunehmende Bodenfeuchte verringert dagegen die Scherfestigkeit. Die Durchwurzelung, sowie der Skelett- und Humusgehalt des Bodens überprägen dies in unterschiedlichem Maße.

Aufgrund des starken inneren Zusammenhalts im Feinkornanteil besitzen Lehmböden eine höhere Scherfestigkeit als grobkornreiche Sandböden. Mit zunehmendem Bodenwassergehalt sinkt ihre Scherfestigkeit jedoch rapide, sodass sie bei Wassersättigung zu den sensibelsten Böden gehören.

So sind Lösslehmböden zur Zeit ihrer größtmöglichen Austrocknung im Sommer "steinhart“ und lassen kaum Spuren eines Maschineneinsatz erkennen. Nach Niederschlagsereignissen weisen sie jedoch bereits nach wenigen Überfahrten tiefe Fahrspuren auf.

Befahrungsversuch Leipzig

Im Forstbezirk Leipzig wurde in den Jahren 2012 bis 2014 ein umfangreicher Versuch zur Befahrung derart sensibler Standorte durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen den Zusammenhang zwischen Bodenfeuchte, Scherfestigkeit und Spurtiefe auf.

Zahlreiche Untersuchungen belegen den Zusammenhang: je feuchter der Boden, desto tiefer die zu erwartenden Fahrspuren. Im Leipziger Versuch wiesen die Spurtiefen jedoch nur eine schwache Abhängigkeit von der Bodenfeuchte auf.

Die Untersuchungen fanden durchweg im Winter und Frühjahr bei sehr hoher Bodenfeuchte statt. Die im Mittel erfassten 42,3 Vol.-% entsprechen der Grenze zur Wassersättigung der dortigen Decklöss-Staugleyböden. Unter diesen Bedingungen trat die Scherfestigkeit des Oberbodens zur Erklärung der teils erheblichen Unterschiede in der Spurausbildung in den Vordergrund.

Betrachtet man ausschließlich Rückegassen mit nahezu identischem Bodenwassergehalt und klammert so den Faktor Bodenfeuchte aus, wird die Auswirkung unterschiedlicher Scherfestigkeiten auf die Spurausbildung besonders deutlich. Abbildung 4 zeigt, dass Rückegassen mit hohen Scherfestigkeiten im Vergleich zu Gassen mit geringen Scherfestigkeitswerten auch wesentlich geringere Spureintiefungen aufweisen.

Radmaschinen ohne Bänder verzeichnen mit jeder Überfahrt eine deutliche Zunahme der Spurtiefen und lassen eine klare Abhängigkeit der Spurtiefe von der Scherfestigkeit des Oberbodens erkennen. Der Einsatz von Bogiebändern mit großen Aufstandsflächen – in Abbildung 5 durch das Modell Terra X vertreten – verursacht dagegen auch bei niedrigen Scherfestigkeiten vergleichsweise geringe Zunahmen der Spurtiefe.

Vorausgehende Verdichtung

Vergleichsmessungen verdeutlichten, dass die Scherfestigkeit der Rückegassen bereits vor der Holzerntemaßnahme um 18,2 % höher war als im Waldbestand unmittelbar daneben. Hier ist die verdichtende Wirkung der in der Vergangenheit erfolgten Maschineneinsätze bzw. die Nutzung des permanenten Gassensystems zu erkennen.

Die Befahrungen während der Versuche erhöhten die Scherfestigkeit der Rückegassen erneut - im Mittel um 20,4 %. Hierbei konnte jedoch eine starke Differenzierung je nach Bändertyp festgestellt werden: Der Einsatz von Moorbändern mit großer Aufstandsfläche führte zu einer geringeren Zunahme der Scherfestigkeit, als dies bei Traktions- und Universalbändern mit kleineren Aufstandsflächen der Fall war.

Die Scherfestigkeit des Oberbodens ist demzufolge ein guter Parameter zur Erklärung aufgetretener Spureintiefungen und erleichtert die Beurteilung der Befahrungssensibilität von kritischen Standorten.

Übertragbarkeit und Ausblick

Die Ergebnisse gelten zunächst nur für die im Leipziger Raum typischen Bodenverhältnisse. Dabei handelt es sich um recht homogene bindige Böden mehr oder weniger ebener Flächen. Die Wurzeln der vorkommenden Laubbaumarten – hier vorwiegend Eiche – stören die Bestimmung der Scherfestigkeit kaum.

Ausgeprägte "Wurzelmatten“, wie sie zum Beispiel für flachwurzelnde Fichten in den Mittelgebirgen typisch sind, können ebenso wie ein starker Skelettanteil im Oberboden die Messung der Scherfestigkeit erschweren. In Zusammenarbeit mit der TU Dresden finden hierzu weitere Forschungsarbeiten statt, um auch auf diesen Standorten Wege zu finden, die Befahrungssensibilität über einfach zu erhebende Merkmale zu beurteilen.