Im November 2014 wurde in Baden-Württemberg das neue "Jagd- und Wildtiermanagement-Gesetz" (LJWmG) verabschiedet. Dieses bildet einen rechtlichen Rahmen für den künftigen Umgang mit Wildtieren. Dabei ist die Jagd und Hege zentraler Bestandteil, doch auch Verantwortlichkeiten für Themen der Grundeigentümer, des Naturschutzes, des Tierschutzes, der Störung von Wildtieren und großräumiger Wanderachsen für Wildtiere sind integriert. Dies soll künftig durch den Begriff "Wildtiermanagement" zusammengefasst werden, das auf der Basis wildtierökologischer Erkenntnisse erfolgen soll. Gesetzlich verankert ist auch das Wildtiermonitoring, als unverzichtbare Grundlage für den Umgang mit Wildtieren.
Herausforderungen im Umgang mit Wildtieren
Wir stehen heute vor sehr komplexen Zusammenhängen im Umgang mit Wildtieren. Einige Beispiele sind:
- Schäden in der Landwirtschaft durch Schwarzwild, Schäden im Wald durch Reh- und Rotwild
- Wildunfälle
(über 20.000 registrierte Wildunfälle in Baden-Württemberg, in Deutschland 700 jeden Tag!) - Rückgang von Tierarten und deren Naturschutzbedeutung
(z. B. Rebhuhn, Auerhuhn); - Abnahme von Wildtierlebensräumen
(z. B. täglicher Flächenverbrauch in Baden-Württemberg von 6,6 Hektar pro Tag) - Zerschneidung von Wildtierlebensräumen
(z. B. 1 km Straße außerorts pro 1 km² Landesfläche) - zunehmende Inanspruchnahme bisher wenig gestörter Wildtierlebensräume
(z. B. durch Windenergie, touristische Infrastruktur) - Störung von Wildtieren durch zunehmende und wenig gelenkte naturtouristische Aktivitäten
- zunehmendes Bedürfnis der Erlebbarkeit von Wildtieren
- Zunahme von Wildtieren im Siedlungsraum
- Rückkehr von Tierarten und deren Naturschutzbedeutung
(z. B. Wildkatze, Luchs, Wolf, Biber) - Einwanderung und Vermehrung von Neozoen
(z. B. Waschbär oder Marderhund)
Allein an dieser Aufzählung wird deutlich, dass der Umgang mit Wildtieren zu einer gesellschaftlichen Aufgabe geworden ist, die nicht allein durch die Jägerschaft bewältigt werden kann. Vielmehr ist eine Allianz von verschiedenen Akteuren und Institutionen notwendig, die gemeinsam die komplexen Herausforderungen beim Umgang mit Wildtieren meistern.
Die größten Herausforderungen entstehen dadurch, dass auch gleichzeitig die Möglichkeiten und die Motivation zu jagen, Wildtiere sinnvoll zu nutzen (z. B. Fell, Fleisch) und Maßnahmen zum Schutz von Wildtieren zu etablieren, langfristig in Kooperation erhalten oder entwickelt werden sollen. Dies ist nicht einfach, da sich die Einstellung zu Tieren und dem Töten von Tieren auch in einem Entwicklungsprozess befindet. In einer Zeit, in der Vegetarismus und vegane Ernährung immer mehr AnhängerInnen finden, wird der Verzicht auf Fleisch auch mit Argumenten wie Massentierhaltung, Tiertransport, Futtermittelexzessen oder Medikamentengabe begründet. Beim Genuss von Wildfleisch sind alle diese Negativassoziationen zwar in keiner Weise angebracht. Doch das Töten von Tieren wird zunehmend kritisch gesehen und kann nur noch durch "einen vernünftigen Grund" gerechtfertigt werden. Vor diesem Hintergrund wurde das Jagdgesetz Baden-Württembergs grundsätzlich überarbeitet und als Jagd- und Wildtiermanagementgesetz im November 2014 vom Landtag verabschiedet.
Das neue Jagd- und Wildtiermanagement-Gesetz (LJWmG)
Das Gesetz integriert die genannten veränderten Rahmenbedingungen, neue wildtierökologische Erkenntnisse und die an das Jagdwesen insgesamt gestellten Anforderungen, insbesondere des Natur- und des Tierschutzes. Wesentlich ist, dass einerseits die Jagd als eine ursprüngliche Form der Nutzung natürlicher Lebensgrundlagen durch den Menschen auch zukunftsfähig erhalten bleibt und andererseits die Interessen der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft sowie des Natur- und Tierschutzes gewahrt werden.
Dies gelingt zunächst durch die Übernahme bewährter Gesetzesnormen. So bleibt das Jagdrecht an das Grundeigentum gebunden, das System der Jagdgenossenschaften und der Jagdbezirke mit dem Recht zur Jagdausübung wird erhalten, Dritte werden an der Jagdausübung als PächterInnen oder Jagdgäste weiterhin beteiligt und der Wildschadenersatz wird vom Grundsatz beibehalten.
Doch einige Inhalte wurden im Sinne der beschriebenen und notwendigen Weiterentwicklung angepasst oder völlig neu aufgenommen. Die Regelungen zur Jagdausübung sind an wildtierökologischen Erkenntnissen ausgerichtet. In logischer Folge wurde das Jagdrecht daher um Aspekte eines auf wissenschaftliche Erkenntnisse gestützten Wildtiermanagements ergänzt. Dadurch wird sichergestellt, dass die Jagd als Nutzungsform und Kulturgut langfristig erhalten bleibt und auch einen begründeten Beitrag zum Natur- und Tierschutz leisten kann. Ebenfalls auf wissenschaftlicher und transparenter Basis werden die dem Jagdrecht unterliegenden Tierarten nach klar definierten Kriterien ausgewählt und einem "Nutzungs-, Entwicklungs- oder Schutzmanagement" mit spezifischen Regelungen zugeordnet. Die berechtigten Forderungen des Tierschutzes im Hinblick auf das Vorliegen eines vernünftigen Grundes zum Töten von Tieren im Sinne von § 1 des Tierschutzgesetzes werden berücksichtigt. Die Verwendung von Munition mit gesundheitsschädigenden Inhaltsstoffen (z. B. Blei) ist bei der Jagd auf Schalenwild künftig verboten. Die Eigenverantwortung der GrundeigentümerInnen und JägerInnen ist durch eine Reduzierung des Verwaltungshandelns gestärkt, beispielsweise durch die Abschaffung des Abschussplanes für Rehwild. Einige wichtige Gesetzesinhalte werden im Folgenden näher beleuchtet.
Wildtiermanagement

Abb. 3: Die Verantwortlichkeiten im Wildtiermanagment
Dieser zentrale Begriff des neuen Gesetzes umfasst alle Tätigkeitsbereiche und Maßnahmen, die das Vorkommen, das Verhalten und die Populationsentwicklung von Wildtieren beeinflussen. Die Steuerung des Wildtiermanagements wird im Gesetz als eine öffentliche Aufgabe festgelegt. Ein so umfassender Ansatz ist notwendig, weil es heute und in Zukunft bei weitem nicht ausreicht, dass Wildtiere bejagt, geschont oder geschützt werden. Daher wurden die Inhalte des Gesetzes so aufgebaut, dass die oben genannten Herausforderungen im Umgang mit Wildtieren gemeistert werden können.
Damit bekommt das Gesetz einen völlig neuen Ductus: Der Umgang mit Wildtieren umfasst das gesamte Wildtiermanagement und die Jagd beziehungsweise die JägerInnen sind dabei wesentliche Akteure, die nach wie vor Tiere erlegen, aber auch mehr Verantwortung bei der Entwicklung, dem Schutz und Monitoring von Wildtieren und ihren Lebensräumen übertragen bekommen haben. Aber auch vielen andere haben durch das Gesetz einen "Auftrag" im Wildtiermangement bekommen, wie es in Abb. 3 dargestellt ist.
Für die Umsetzung des Gesetzes müssen die konfliktbeladenen Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Interessengruppen verlassen werden und einer gemeinsamen Verantwortung für Wild-Tiere weichen.
Was sind Wildtiere
Der Begriff Wildtier steht für Tiere, die nicht zahm sind. Sie leben in der "Wildnis" und sind im Gegensatz zu Haustieren nicht domestiziert. Der klar abgegrenzte Begriff "Wild", der bisher alle dem Jagdrecht unterliegenden Wildtiere umfasste, hat sich in der öffentlichen Wahrnehmung als synonym zum Begriff des Wildtiers entwickelt – nur Fachleuten ist der Unterschied zwischen den Begriffen "Wild" und "Wildtier" klar. Die nicht fachkundige Öffentlichkeit hat aber auch Wild und Jagd vereinfacht so wahrgenommen, dass Wildtiere in erster Linie bejagt werden. Und dies auch deshalb, weil die bisherige Liste der jagdbaren Tierarten nicht nach einheitlichen Kriterien erfolgt ist und der Begriff "jagdbar" gleichgesetzt wurde mit "diese Tiere werden geschossen".
Diesbezüglich ist das neue Gesetz ein Quantensprung: Zum einen werden klare Kriterien für die Auswahl von Wildtieren definiert, die dem Gesetz unterliegen. Wildtierarten, bei denen
- eine jagdliche Nutzung möglich ist und/oder
- eine Regulation notwendig ist und/oder
- ein Wildtiermonitoring erforderlich ist,
unterliegen dem LJWMG.
Zum anderen wird für jede dieser Tierarten festgelegt, ob sie dem Nutzungs-, Entwicklungs- oder Schutz-Management unterliegen:
- Nutzungs-Management: Die Populationen dieser Arten müssen in ihrer Größe, Vitalität und Stabilität so gesichert sein, dass eine nachhaltige jagdliche Nutzung möglich ist. Beispiele sind: Dachs, Fuchs, Schalenwild, Blässhuhn u. a. Oder es sind Arten, die mit jagdlichen Mitteln reguliert werden müssen, um andere Arten oder Rechtsgüter zu schützen. Beispiele sind: Waschbär, Wildkaninchen.
- Entwicklungs-Management: Hierunter fallen Arten, die nicht in allen für sie geeigneten Lebensräumen vorkommen oder stark zurückgehen oder in ihrem Bestandes-Status Unklarheiten aufweisen oder einer besonderen Hege bedürfen. Beispiele sind: Feldhase, Krickente, Waldschnepfe u. a.
- Schutz-Management: Dem zusätzlichen Schutzstatus dieses Gesetzes unterliegen Arten, die gefährdet sind, in geringen Beständen vorkommen und nach naturschutzrechtlichen Bestimmungen streng geschützt sind. Beispiele sind: Luchs, Wildkatze, Auerhuhn, Wanderfalke u. a.
Auch die Logik der dynamischen Entwicklung von Wildtierpopulationen wurde berücksichtigt. Alle drei Jahre wird durch den "Wildtierbericht" (s. u.) überprüft, welche Arten in welche Managementgruppe aufzunehmen sind. Bei den streng geschützten Arten ist dabei Einvernehmen mit der obersten Naturschutzbehörde herzustellen. Interessant wird dies beispielsweise beim Wolf: Aktuell ist er im Gesetz nicht aufgeführt, da er in Baden-Württemberg nicht vorkommt. Sobald er einwandert, müsste er im Wildtierbericht erscheinen und nach der Logik des Gesetzes in das Schutz-Management aufgenommen werden. Bei einer starken Vermehrung des Wolfes würde dies durch den Wildtierbericht erfasst werden und es müsste dann wieder überprüft werden, ob der Wolf in das Entwicklungs-Management aufgenommen wird. Für Letzteres sind die Hürden aber hoch, da das Einvernehmen mit der obersten Naturschutzbehörde hergestellt werden muss. Die bisherigen Artenlisten der Jagdgesetze werden damit endgültig "Geschichte" und folgen klaren Kriterien, die wildtierökologischen Grundlagen aufbauen.
Wildtierökologische Grundlagen
Die unverzichtbaren Grundlagen für ein umfassendes Wildtiermanagement sind im Gesetz definiert:
- Wildtierökologische Kenntnisse, die allen Akteuren und nicht nur den JägerInnen vermittelt werden.
- Die Wildtierforschung, die sich an praktischen Fragestellungen orientiert.
- Fachkonzepte, die tierartenspezifisch und naturraumbezogen unter Beteiligung aller Akteure revierübergreifend erstellt werden.
- Wildtierökologische Beratung, die bei Fragen, Problemen oder Konflikten angefragt werden kann und
- das Wildtiermonitoring.
Wildtiermonitoring
Die dauerhafte Beobachtung und Erfassung der dem Gesetz unterliegenden Tierarten ist eine große Herausforderung, bei der JägerInnen in Zukunft eine besondere Verantwortung übertragen worden ist. Was sie in den über 6000 Jagdrevieren bei Ihren Pirschgängen und Ansitzen beobachten, soll künftig systematischer erfasst und ausgewertet werden. Damit soll eine neue Wissens-Basis für Forschungseinrichtungen, Jagd- und Naturschutzbehörden geschaffen werden, um Entscheidungen im Umgang mit Wildtieren besser treffen zu können – nur wenn bekannt ist, wo welche Tierart vorkommt und wie sich ihr Bestand entwickelt, können die Nutzung, die Regulation und der Schutz von Wildtieren sinnvoll, da wissensbasiert, gesteuert werden. Nur auf einer solchen Basis können die Akteure und Institutionen der Jagd, des Naturschutzes und der Landnutzung gemeinsam die oben genannten Herausforderungen meistern. Dabei unterliegen Wildtierbestände in ihrem Vorkommen und in ihrer Entwicklung einer Dynamik, die aufgrund der Veränderungen der Landnutzung, der Nährstoffbedingungen und des Klimas fortlaufend berücksichtigt werden muss. Der Berücksichtigung dieser Dynamik dient der Wildtierbericht.
Wildtierbericht
Der alle drei Jahre zu erstellende Wildtierbericht ist die Quintessenz des Monitorings und die durch wildtierökologische Forschung begründete Basis für die Erreichung der Gesetzesziele (Erhaltung/Weiterentwicklung der Jagd, gesunde und stabile Wildtierpopulationen, Schutz bedrohter Wildtierarten, Kooperationen im Sinne des Wildtiermanagements, Vermeidung von Wildschäden, Tierschutz, wildtierökologische Kenntnisse). Diese hochgesteckten Ziele lassen sich nur durch die Kooperation der genannten Akteure und Institutionen und die auch im Gesetz verankerte Fachberatung erreichen. Insbesondere im Bereich des Wildtiermonitorings sind für die Fachberatung die Wildtierbeauftragten (WTB) unentbehrlich, die ebenfalls im Gesetz aufgeführt sind.
Wildtierbeauftragte (WTB)

Abb. 8: Wildtierbeauftragte besendern den balztollen Auerhahn Oskar mit Ringen in auffälligen Farben, damit er auch aus der Entfernung beobachtet werden kann. (Foto: Klaus Echle)
Die FVA arbeitet seit zehn Jahren mit den auf Landkreisebene organisierten WTB zusammen und hat ausschließlich positive Erfahrungen in dieser Zusammenarbeit gemacht. Sie sind bisher die lokalen und durch Schulungen qualifizierten Ansprechpartner für das Monitoring von Auerhuhn, Wildkatze, Luchs und Wolf. Die JägerInnen sind die Augen und Ohren der WTB – die WTB werden damit künftig eine zentrale Rolle beim Wildtiermonitoring aller Wildtierarten des Gesetzes einnehmen. Ein wichtiger Teilaspekt des Monitorings bezieht sich auch auf den Biotop- und Populationsverbund, der im Gesetz durch den Generalwildwegeplan (GWP) abgebildet ist.
Generalwildwegeplan (GWP)
Die Berücksichtigung des von der FVA im Wesentlichen entwickelten GWP ist vom Gesetz bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen festgeschrieben worden. Damit ist eine Grundlage für die Erhaltung oder Wiederherstellung eines großräumigen Biotopverbundes geschaffen, der auch für zahlreiche dem Gesetz unterliegende Tierarten von großer Bedeutung ist, insbesondere in den stark durch Verkehrswege und Siedlungen zerstückelten Landesteilen. Hervorzuheben ist auch die Regelung, dass in einem Umfeld von 250 Metern um Querungshilfen, insbesondere Grünbrücken, die Jagdausübung untersagt ist. Damit ist ein weiterer zentraler Gesetzesinhalt angesprochen: die Ruhe für Wildtiere.
Ruhe für Wildtiere
Zahlreiche Forschungsarbeiten belegen, wie störungsempfindlich Wildtiere sind – dennoch nimmt der touristische Druck auf bisher wenig gestörte Wildtierlebensräume zu. Tag und Nacht wird auf unterschiedlichste Weise in den Wohn- und Schlafzimmern der Wildtiere gelaufen, geogecacht und gefahren. Daher ist das Instrument der Wildruhegebiete sehr sinnvoll und dort umzusetzen, wo der touristische Druck überhandnimmt. "Das Wildtier fürchtet im Menschen vor allem den Jäger". Daher ist es folgerichtig, dass in den Wildruhegebieten auch die Jagd räumlich und/oder zeitlich eingeschränkt werden kann. Das Ziel, allen Wildtieren zumindest für einen Teil des Jahres jagdliche Ruhe einzuräumen, wird mit der "allgemeinen Schonzeit" verfolgt, die mit Ausnahmen für die Schwarzwildbejagung im März und April besteht. Aus rein wildtierökologischer Sicht hätte diese Zeit deutlich länger sein, den gesamten Winter einschließen und mit weniger Ausnahmen versehen sein müssen. Dies war wohl nicht durchsetzbar – als wichtig wird aber dieser erste Schritt in die Richtung "Ruhe für Wildtiere" dennoch angesehen – weitere Schritte kürzerer Jagdzeiten sollten in Zukunft noch folgen. Im Übrigen kann jede(r) JägerIn seine persönliche Jagdzeit verkürzen – es muss nicht während der gesamten gesetzlich möglichen Jagdzeit gejagt werden, Management-Konzepte mit kürzeren Jagdzeiten können und sollten in Teilregionen realisiert werden. Denn Wildtiere brauchen für das Überleben des Winters vor allem drei Dinge: 1. Ruhe, 2. Ruhe, 3. Ruhe. Haben sie diese Ruhe aufgrund unterschiedlichster Störungen nicht, verbrauchen sie viel Energie. Energieverbrauch erhöht vor allem den Nahrungsbedarf – also Fütterung?
Fütterung
Das Thema Fütterung wird nur mit drei zentralen Zusammenhängen beleuchtet:
Unterscheidung Wildtierökologie und Ethik: Wildtierökologisch ist Fütterung weder sinnvoll noch notwendig. Wildtierpopulationen passen sich unter anderem durch die winterlichen Sterbeprozesse, bei denen "schwache" Tiere eingehen, den vorhandenen Lebensraumbedingungen an. Ethisch gibt es völlig unterschiedliche Ansätze und Meinungen – zum Beispiel, der Mensch darf Tiere im Winter nicht verhungern lassen, weil dies ein grausamer Tod ist und er eine Mitschuld dafür trägt, dass Wildtieren im Winter keine natürliche Nahrung zu Verfügung steht und er ihre eigentliche Winterruhe immer wieder stört (s. o.). Dies müsste aber aus ethischer Sicht dann auf alle Tierarten übertragen werden.
Unterscheidung Einzeltier und Wildbestand: Einzelne Wildtiere können in harten Wintern eingehen, ganze Wildbestände nicht. Die Selektion durch Winter führt zwar zu weniger Tieren, aber die "Überlebenden" sind die Vitaleren und Stärkeren – der Wildbestand wird aus wildtierökologischer Sicht "gesünder". Ethisch dagegen kann auch das Zulassen des Sterbens eines Einzeltieres als verwerflich angesehen werden.
Unterscheidung der Begründung und Wirkung von Fütterung: Obwohl es nur eine ethische und keine wildtierökologische Begründung für Fütterung gibt, müssen bei der Einschätzung der Wirkungen von Fütterung nicht nur ethische, sondern auch zahlreiche andere Aspekte betrachtet werden. Die ethische Wirkung ist, dass einzelne Wildtiere vor dem Hungertod bewahrt werden. Weitere wildtierökologisch bedeutsamen Wirkungen können aber auch sein: Wanderbewegungen von Wildtieren werden verhindert, Wildkonzentrationen gefördert, gegebenenfalls werden in ein Jagdrevier Wildtiere aus den anderen Jagdrevieren "gelockt", Wildschäden können gemindert, aber auch verstärkt werden, Wildkrankheiten werden leichter übertragen.
Das im Gesetz enthaltene Fütterungsverbot ist mit Ausnahmen so geregelt, dass alle diese Aspekte differenziert Berücksichtigung finden. Vereinfacht kann gesagt werden: Es darf auch in Zukunft gefüttert werden, aber nur dann, wenn großräumige Fütterungskonzeptionen erstellt werden, die alle genannten Begründungen und Wirkungen berücksichtigen. Da sich diese nur auf den Lebensraum von Wildtierpopulationen beziehen können und daher nur großräumig zu realisieren sind, fordert der Gesetzgeber eine Mindestfläche (> 2500 ha) und fachlich fundierte, revierübergreifende Konzepte. In solche Konzepte muss auch die Thematik von Wildschäden integriert werden.
Wildschäden
Hervorzuheben sind für diesen Themenkomplex einige zentrale Regelungen:
- Der Ausgleich von Schäden in Maiskulturen ist neu geregelt. Die geschädigte Person kann nur 80% des Wildschadens gegenüber der Jagdgenossenschaft geltend machen. Hier wird eine "Mitverantwortung" des Geschädigten angenommen. Nur wenn er nachweist, die zumutbaren Maßnahmen zur Abwehr von Wildschäden unternommen zu haben, kann er den ganzen Wildschaden ersetzt bekommen.
- Die Anmeldung der Schäden im Wald muss nur noch einmal jährlich erfolgen (bisher Frühjahr und Herbst).
- Das im 3-Jahres-Turnus zu erstellende "Forstliche Gutachten" zur Einschätzung der Verbissbelastung im Hinblick auf die Gefährdung waldbaulicher Ziele bekommt dadurch eine größere Bedeutung, dass der behördliche Abschussplan für Rehwild abgeschafft ist. Da der Abschuss künftig über eine Zielvereinbarung der Vertragsparteien (WaldeigentümerIn, Jagdgenossenschaft, JagdpächterIn) geregelt wird, sind die Einschätzungen des Forstlichen Gutachtens noch wichtiger. Auch der Begriff der Hauptholzart wird juristisch klar definiert.
Der vernünftige Grund für das Töten von Wildtieren

Abb. 9: Für die tierschutzgerechte Jagd unverzichtbar: gut ausgebildete Jagdhunde. (Foto: Erich Marek)
Grundsätzlich gilt, dass bei der Jagdausübung tierschutzgerecht gehandelt wird und Wildtiere nur mit vernünftigem Grund getötet werden dürfen. Im Speziellen wurde in einigen Bereichen durch sachliche Gebote und Beschränkungen die Jagdausübung auch im Interesse des Tierschutzes geregelt. So sind Totfangfallen und der Schuss in Vogelgruppen verboten, Ausnahmen zu diesen Verboten sind möglich. Bei der Teilnahme an Bewegungsjagden und bei Schrotschuss auf Vögel ist die Übung der Schießfertigkeit erforderlich. Die Jagd mit Hunden im Naturbau ist eingeschränkt. Wildernde Hunde dürfen nur nach Genehmigung durch die Ortspolizeibehörde geschossen werden. Der Abschuss von streunenden Hauskatzen ist verboten, außer in Schutzgebieten, wenn die zuständige Behörde dies genehmigt hat. Damit wird deutlich, dass Jagdpraktiken neu geregelt sind, die bisher auf ein Unverständnis in der breiten Öffentlichkeit gestoßen sind, da ein "vernünftiger" Grund für das Töten einer streunenden Hauskatze oder eines wildernden Hundes nicht gesehen wird. In einer Gesellschaft, in der sechs Millionen Hunde und elf Millionen Hauskatzen registriert sind (die Angaben beziehen sich auf Deutschland), erstaunt es nicht, dass das Töten dieser Tiere besonders kritisch gesehen wird.
Zusammenfassung
Das LJWmG bietet eine sehr gute Grundlage, um die komplexen und zunehmenden Herausforderungen im Umgang mit Wildtieren zu meistern. Entscheidend für den Erfolg in der Umsetzung des Gesetzes wird es sein, dass die einzelnen Wildtierarten nicht weiterhin für die jeweiligen Interessen instrumentalisiert werden, sondern jagdrevierübergreifende Allianzen der Akteure und Institutionen gebildet werden, die den Umgang mit Wildtieren steuern. Dabei sollte die jeweilige Tierart im gemeinsamen Fokus stehen und nicht die Frage nach einem alleinigen jagd- oder naturschutzrechtlichen Zuständigkeitsanspruch. Nur wenn Grundeigentum und Naturschutz und Jagd und die übrige Landnutzung an großräumigen Konzepten für den Umgang mit Wildtieren zusammenarbeiten, können die künftigen Herausforderungen gemeistert werden. Solche Konzepte können nur wissensbasiert erstellt werden. Hierfür braucht es wildtierökologische Kenntnisse beziehungsweise Forschung und ein qualitativ ausreichendes Wildtiermonitoring. Nicht zuletzt zielt das Gesetz auch darauf ab, dass Wildtiere wieder stärker in das Bewusstsein unserer Gesellschaft gelangen. Auch hierbei sind wildtierökologische Grundlagen und ihr Transfer unentbehrlich. Denn die Gefahr ist groß, dass Wildtiere nur dahingehend wahrgenommen werden, ob sie Schäden verursachen (z. B. Schwarzwild) oder in ihrem Bestand bedroht sind (z. B. Rebhuhn) oder dem Menschen gefährlich werden können (z. B. Wolf). Eine solche Reduzierung auf nur einen Aspekt ist meist interessengesteuert, verfälscht die Wahrnehmung von Wildtieren und geht am notwendigen Wildtiermanagement vorbei. Erst die Zusammenschau aller menschlichen Interessen und aller Charakteristika des jeweiligen Wildtiers führt zu einer realistischen Sicht, die auch die Erlebbarkeit von und den Umgang mit Wildtieren prägen sollte. Für das Wildtiermonitoring, die wildtierökologische Forschung und deren Transfer in die Praxis gibt es viel zu tun.