Merkmale

Der Tintenfischpilz (Clathrus archeri) ist eine sehr auffällige und bei uns unverwechselbare Art. Die Fruchtkörper sind zuerst in einem weisslichem bis blassbräunlichem "Hexenei" eingeschlossen, das ca. 3–5 cm breit ist und sich zu Beginn unterirdisch entwickelt. Das Hexenei hat dicke, lange "Würzelchen" (sog. Rhizomorphen) an der Basis. Im Längsschnitt zeigt sich unter seiner Hülle (Peridie) eine gelatinöse Schicht.

Nach dem Aufreissen des Hexeneis treten 4 bis 6 leuchtend rote "Arme" (sog. Rezeptakulum) an einem kurzen, meist ca. 4 cm langen Stiel hervor. Sowohl Arme als auch Stiel sind von porös-schwammiger Konsistenz. Die zu Beginn noch miteinander verbundenen und nach oben gerichteten Arme sind meist ca. 10 cm lang, lösen sich bald voneinander und breiten sich sternförmig aus (Abb. 1). Die aussen blassroten Arme tragen auf der leuchtend roten Innenseite eine netzartig angeordnete, olivschwarze Schleimmasse (Gleba), welche die Sporen enthält und einen aasartigen Geruch absondert.

Der Rote Gitterling (Clathrus ruber) besitzt ebenfalls rote Fruchtkörper und unterscheidet sich vom Tintenfischpilz durch den andersartigen Fruchtkörperaufbau: Dieser ähnelt einem kugelförmigen Netz mit grossen, eckigen Maschen (Abb. 2).

Verwechslungsmöglichkeiten

Beide Arten sind bei uns ausgewachsen eigentlich unverwechselbar, besonders in den Tropen existieren aber viele ähnliche Arten. Eine dieser Arten ist die seit 2013 aus dem Südtessin bekannte Ileodictyon cibarium (1 Fund), die sehr stark einer weissen Form des Roten Gitterlings ähnelt. Als Hexenei sind Tintenfischpilz und Roter Gitterling der Stinkmorchel (Phallus impudicus) sehr ähnlich. Beim Durchschneiden des Hexeneis ist jedoch bei beiden Arten die rote Färbung der Fruchtkörper bereits sichtbar.

Biologie und Vermehrung

Durch den aasartigen Geruch und die auffallenden Farben der Fruchtkörper wird ein Tierkadaver imitiert, womit besonders Fliegen angelockt werden sollen, die dann für die weitere Verbreitung der Sporen sorgen (Abb. 2 und 5).

Verbreitung

Die natürliche Verbreitung des Tintenfischpilzes umfasst Australien, Tasmanien, Neuseeland und den Malaiischen Archipel. Möglicherweise ist er auch in China, Süd- und Ostafrika und auf St. Helena heimisch. Vereinzelte eingeschleppte Vorkommen sind bekannt aus den Kalifornien und Südamerika. Vollkommen etabliert ist der Tintenfischpilz hingegen in West- und Zentraleuropa (Spanien, Frankreich, England, Norwegen, Schweden, Deutschland, Polen, Tschechien, Rumänien, Bulgarien, Ukraine, Österreich, Slowenien, Italien, Schweiz). Der Tintenfischpilz ist in der Schweiz wesentlich häufiger anzutreffen als der Rote Gitterling. Im Mittelland ist er jedoch selten und es zeigt sich eine gewisse Häufung der Funde in den niederschlagsreichen Voralpen (Abb. 3).

Der Rote Gitterling ist im Mittelmeerraum und einigen angrenzenden Gebieten (z. B. Kanaren und Iran) heimisch. Heute ist der Pilz durch Verschleppung fast weltweit bis zur tropischen Zone verbreitet (Vorder- und Ostasien, Australien, Zentralafrika, Nord-, Mittel- und Südamerika). Aufgrund von Verwechslungen mit ähnlichen Arten wie Clathrus crispus herrscht jedoch eine gewisse Unsicherheit über die tatsächliche globale Verbreitung. Nördlich der Alpen kommt der Rote Gitterling in Europa nur eingeschleppt vor (Irland, Schottland, Belgien, Niederlande, Frankreich, Luxemburg, Deutschland, Schweiz, Österreich, Polen, Slowakei, europäisches Russland). Er ist in der Schweiz im Tiefland weit verbreitet, jedoch überall selten (Abb. 4). Eine leichte Häufung der Funde zeigt sich im Südtessin und im Raum Zürich. Die Etablierung von Tintenfischpilz und Rotem Gitterling könnte durch den Klimawandel gefördert worden sein.

Ökologie

Der Tintenfischpilz lebt als Saprobiont von toter organischer Substanz wie etwa Laubstreu. Seine Fruchtkörper erscheinen bei uns besonders zwischen Juli und Oktober. In der Schweiz wird er hauptsächlich in verschiedenen Waldtypen, besonders in Buchenwäldern und Eichen-Hagebuchen-Wäldern, sowie auf Wiesen und Weiden gefunden, nur selten jedoch in Gärten. Oft wächst er dort, wo der Boden verdichtet oder mechanisch gestört ist (Wegränder, Holzlagerplätze, etc.) Im Gegensatz zum Roten Gitterling kommt der Tintenfischpilz auch in relativ naturnahen Vegetationskomplexen vor und steigt wesentlich höher hinauf ins Gebirge, selten sogar >2000 m. ü. M.

Beim Roten Gitterling handelt es sich ebenfalls um einen Saprobionten. Er kann hauptsächlich zwischen Juni und Oktober gefunden werden. In der Schweiz begegnet man ihm besonders an vom Menschen geprägten Standorten wie in Gärten und Parkanlagen, besonders gerne auf Rindenmulch. Die Vorkommen sind meist vergänglich und erlöschen nach einiger Zeit wieder. Im Mittelmeergebiet kommt der Rote Gitterling hauptsächlich in Wäldern vor, was bei uns jedoch die Ausnahme ist.

Ausbreitungsgeschichte und Gefahren

Die Ausbreitungsgeschichte des auffallenden Tintenfischpilzes ist recht gut bekannt. Vermutlich wurde er zusammen mit australischer Schafswolle oder Militärtransportennach Europa eingeschleppt, wo er1914 in den Vogesen das erste Mal entdeckt wurde.Von dort breitete sich der Tintenfischpilz selbstständigüber grosse Gebiete West- und Zentraleuropas aus. InDeutschland wurde er erstmals 1934, in der Schweiz1942 (Aargau) und in Österreich 1948 gefunden.

Zur Ausbreitungsgeschichte des Roten Gitterlings weiss man hingegen relativ wenig. Vermutlich wurde er zusammen mit Gartenmaterial (Rindenmulch) weltweit verschleppt, was auch seine häufige Bindung an vom Menschen geprägte Habitate erklären würde. Auch von Verschleppungen mit mediterranen Zierpflanzen wird berichtet. In Europa wäre auch eine Ausbreitung an geeignete Habitate via Sporenflug aus dem Mittelmeergebiet denkbar. Der Rote Gitterling wurde laut Datenbank Swissfungi 1926 das erste Mal in der Schweiz entdeckt. In Deutschland wurde er bereits ab 1750 beobachtet.

Obwohl besonders der Tintenfischpilz stellenweise zu Massenfruktifikationen neigt, sind von beiden Arten keine negativen ökologischen oder ökonomischen Auswirkungen bekannt (bis auf den widerlichen Gestank im Garten), weshalb sie nicht zu den invasiven Neomyceten gezählt werden.

Bekämpfung

Eine Bekämpfung der beiden Arten ist nach heutigem Wissensstand nicht nötig und wäre vermutlich auch sehr schwierig.
 

Wo melden, wo um Rat fragen?

Für ein besseres Verständnis von Verbreitung und Ausbreitungsdynamik der beiden Arten ist jede Fundmeldung sehr wertvoll. Am besten melden Sie Ihre Funde an SwissFungi, das nationale Datenzentrum zur Schweizer Pilzflora.

 

(TR)