Abb. 1 - Für Reptilien wie die Kreuzotter, die Schlingnatter, die Zauneidechse oder die Waldeidechse gibt es immer weniger geeignete Lebensräume. Deshalb sind viele Arten gefährdet. Fotos: Thomas Reich (WSL)

Reptilien sind wechselwarm. Sie benötigen Sonnenenergie zur Regulierung der Körpertemperatur, deren Optimum hierzulande je nach Art bei ca. 25 bis 32 Grad liegt. Ist es zu kalt, sind die Lebensfunktionen von Schlangen und Echsen stark eingeschränkt, zum Beispiel die Fortbewegung oder die Verdauung. Darum sind sie zwingend auf sonnige Lebensräume angewiesen. Diese finden sie unter anderem in lichten Wäldern, die zu den wichtigsten Primärlebensräumen für einheimische Reptilienarten gehören.

Föhren- und Eichenwälder auf flachgründigen Böden (Abb. 2) oder Randbereiche von Mooren bieten Reptilien permanent gute Lebensbedingungen, weil die Bäume an diesen Orten aufgrund der kargen Verhältnisse niedrig bleiben und kein geschlossenes Kronendach bilden. Auch natürliche Weichholzauen, die bei Hochwasser regelmässig überschwemmt werden, weisen ständig Stellen auf, wo die Sonne den Erdboden erreicht. Im Bergwald sind südexponierte Felsfluren, Steinblockhalden (Abb. 6), alte Felssturzgebiete mit lockerem Bewuchs, Geröllkegel entlang von Fliessgewässern (sog. Übersarungsflächen) oder Lawinenzüge attraktive Lebensräume für Reptilien.

Strukturreiche Waldränder – ein Paradies

Der Organismus von Reptilien ist sehr effizient. Weil Schlangen und Echsen keine konstante Körpertemperatur aufrechterhalten müssen, sparen sie viel Energie. Das ist der Grund, warum sie verhältnismässig wenig Nahrung benötigen und im Winter monatelang hungern können.

An ihren Lebensraum stellen Reptilien jedoch hohe Ansprüche. Neben ausreichender Besonnung brauchen Schlangen und Echsen ein gewisses Mass an Vegetation. Krautpflanzen und Gebüsch bieten ihnen Deckung, um vor Greifvögeln und anderen Räubern besser geschützt zu sein. Auch Rückzugsorte, in denen Reptilien die Nächte und Schlechtwetterperioden verbringen, sowie frostfreie Überwinterungsquartiere sind unerlässlich.

Südexponierte Waldränder mit vielen Kleinstrukturen erfüllen diese Ansprüche besonders gut. Sie stellen ausgesprochen wertvolle Lebensräume für Reptilien dar, vor allem dann, wenn sie Relikte der Kulturlandschaft wie alte Trockenmauern oder Lesesteinhaufen enthalten. Asthaufen und Brennholzstapel werten einen Waldrand zusätzlich auf (Abb. 3). Wer bei warmem, aber nicht zu heissem Wetter vorsichtig einem südexponierten Waldrand mit Strauchgürtel und Krautsaum entlang läuft, hat gute Chancen, Blindschleichen, Eidechsen oder sogar eine Schlange zu entdecken.

Reptilien sind auch an inneren Waldrändern entlang von besonnten Wegen und Forststrassen zu finden. Optimal sind Böschungsverbauungen aus Felsblöcken oder Steinkörben (Abb. 4), da sie viele Spalten und Hohlräume aufweisen, die den Reptilien als Versteckplätze dienen.

Reptilien brauchen Walddynamik

Der Schweizer Wald stockt mehrheitlich auf nährstoffreichen Böden, auf denen von Natur aus produktive Wälder mit dicht geschlossenem Kronendach wachsen. Kaum ein Sonnenstrahl dringt hier im Sommer auf den Waldboden. Reptilien sind an diesen Standorten zwingend auf regelmässige Störungen des Waldgefüges angewiesen, denn nur grossflächige Naturereignisse wie Stürme, Felsstürze oder Lawinenabgänge unterbrechen den Kronenschirm in ausreichendem Masse. Stürme wie "Lothar" 1999 waren daher für die wärmebedürftigen Kriechtiere ein Segen. Noch heute, 12 Jahre nach dem Sturm, bieten viele Lotharflächen den Reptilien einen guten Lebensraum (Abb. 5).­

Aber nicht nur Naturereignisse bringen Licht und Wärme auf den Waldboden. Den gleichen Effekt hat auch die Forstwirtschaft. Für Blindschleiche, Waldeidechse oder Ringelnatter spielt es keine Rolle, wie ihr Sonnenplätzchen entstanden ist. Mittlere bis starke Holzschläge nützen ihnen genauso, vor allem dann, wenn hier und dort ein Stück Totholz oder der Schlagabraum als Haufen zurückbleibt. Asthaufen sind besonders beliebte Aufenthaltsplätze von Reptilien, denn sie bieten Deckung und sicheren Unterschlupf.

In diesem Zusammenhang versteht es sich von selbst, dass alle Formen von Dauerwald aus Sicht der Reptilien denkbar ungünstig sind. Ähnliches gilt für Naturwaldreservate, wenn nicht landschaftsdynamische Prozesse wie Hochwasser, Lawinen oder Steinschlag regelmässig neue offene Flächen schaffen.

Zunehmend in die Enge getrieben

Durch die grossflächigen Waldrodungen im Mittelalter hat der Mensch die Reptilien in vielen Teilen Europas ungewollt und zum Teil stark gefördert. Unterstützt wurde dies durch eine extensive Landwirtschaft, in der Dornenhecken die Felder begrenzten und Lesesteinhaufen am Ackerrand entstanden. Steile Hänge waren mit Trockenmauern terrassiert, und die Wiesen wurden von Hand gemäht. Viele Reptilienarten dürften zudem lange Zeit von der starken Brenn- und Bauholznutzung im Wald profitiert haben.

Die Intensivierung der Landwirtschaft und das zeitgleiche Verwalden wenig produktiven Weidelandes in den Bergen haben die Lebensbedingungen für Reptilien in den letzten Jahrzehnten aber zunehmend verschlechtert. Auf maschinell bewirtschafteten Düngewiesen und Äckern, die nicht durch strukturreiche Randsäume voneinander getrennt sind, können Reptilien nicht überleben (Abb. 7). Sonnige Südhänge sagen nicht nur Schlangen und Eidechsen zu; sie sind auch beliebte Bauplätze für Einfamilienhäuser (Abb. 8). Durch die intensive Nutzung der Landschaft sinkt die Zahl der für Reptilien geeigneten Habitate stetig. Die Bedeutung des Waldes als Lebensraum nimmt entsprechend zu, denn er ist heute eine der wenigen naturnahen Flächen.

Allerdings ist die natürliche Dynamik im Wald häufig unterbunden: Verbauungen verhindern Lawinenabgänge, Flusskorrektionen schwächen Überschwemmungen und Erosion ab, und Schutznetze halten Felsbrocken und Steine auf. Dies führt vielerorts zur Beeinträchtigung oder zum Verlust von Reptilienlebensräumen, weil zahlreiche offene Standorte ohne die regelmässigen Naturereignisse verbuschen und allmählich in Hochwald übergehen.

Zudem wurden die Schweizer Wälder in den letzten Jahrzehnten deutlich weniger stark genutzt als früher. Deshalb sind sie nicht nur vorratsreicher, sondern auch wesentlich dunkler geworden. Das hat die Lebensbedingungen für die sonnenhungrigen Reptilien zusätzlich verschlechtert, und viele geeignete Lebensräume im Wald gingen in der Folge verloren. Heute gelten 11 der 14 einheimischen Reptilienarten gemäss der Roten Liste als gefährdet.

Holzen ist Reptilienschutz

Um Reptilien im Wald zu fördern, braucht es wenig. Jeder Holzschlag, der Sonnenlicht auf den Waldboden bringt, hilft den Schlangen und Echsen (Abb. 9). Wichtig ist dabei, dass ab und zu ein Asthaufen und ein dickes Stück Totholz als Versteckmöglichkeit zurückbleibt. Auf Laubwaldstandorten sind Bestände mit natürlichem Laubholzanteil anzustreben, denn im Frühling dringt die Sonne im Laubwald fast ungehindert auf den Boden. Dies ist für Reptilien von Bedeutung, weil sich viele ihrer Überwinterungsquartiere im Wald befinden und ihr Wärmebedarf nach der langen Winterruhe hoch ist.

Holzschläge in der Umgebung von bekannten Reptilien-Hotspots wie Felsflühen, Steinblockhalden, Übersarungsflächen, Trockenmauern, Lesesteinhaufen oder Ruinen sind hinsichtlich des Reptilienschutzes am effizientesten. Informationen über wertvolle Gebiete mit hohem Aufwertungspotenzial geben die kantonalen Naturschutzfachstellen oder die Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz (karch). Die karch steht auch für Beratungen gerne zur Verfügung.

Giftschlangen in der Schweiz

In der Schweiz kommen zwei giftige Schlangenarten vor: die Kreuzotter (Abb. 1) und die Aspisviper. Sie leben in den Alpen und lokal im Jura. Trotz ihrer potentiellen Gefährlichkeit sind die heimischen Giftschlangen im Grunde genommen harmlos, weil sie fast immer vor Menschen fliehen. Eine Schlange, die unbeweglich liegen bleibt, hat den Störenfried noch nicht bemerkt oder verlässt sich auf ihre Tarnung. Wenn man Kreuzottern und Aspisvipern in Ruhe lässt, so beissen sie nicht. Eine gewisse Gefahr besteht allerdings beim Pflücken von Blumen und Beeren oder beim Barfusslaufen, denn Schlangen sonnen sich oft gut versteckt und werden dabei leicht übersehen. Wer gebissen wird, sollte Ruhe bewahren. Nicht bei jedem Biss wird Gift injiziert, und nach Giftbissen sind die Konsequenzen bei umgehender Behandlung im Spital meistens gering.

Giftschlangen – was tun? (PDF)

(TR)