Wie Bienen und Hummeln zählen Ameisen zur Insektenordnung der Hautflügler. Weltweit gibt es ca. 9000 Arten. In der Schweiz sind 135 Arten bekannt. Sechs davon werden als Gruppe der Roten Waldameisen zusammengefasst. Waldameisen gibt es in der ganzen Schweiz, aber nur in Graubünden kommen alle sechs Waldameisenarten vor.

Deutscher NameWissenschaftlicher Name
Kleine oder Kahlrückige WaldameiseFormica polyctena
Grosse oder Rote WaldameiseFormica rufa
Dunkle WiesenameiseFormica pratensis
Starkbeborstete GebirgswaldameiseFormica lugubris
Schwachbeborstete GebirgswaldameiseFormica aquilonia
kein deutscher NameFormica paralugubris

Waldameisen unterscheiden sich u.a. in der Wahl des Neststandortes: Die Kleine und die Rote Waldameise sowie die Strunkameise sind meistens im Wald, am Waldrand oder in Hecken zu finden, die Dunkle Wiesenameise in Wiesen und die anderen drei in Gebirgswäldern. Die Waldbewohnenden Arten leben v.a. in Nadel- und Mischwäldern, kommen aber auch über der Waldgrenze bis Höhen von 2400 Metern über Meer vor.

 

Ameisennest – Kunstwerk und soziales Gefüge

Ameisen bilden Staaten, als Einzeltiere sind sie nicht überlebensfähig. Die Ameisen treten in drei unterscheidbaren Formen auf: Arbeiterinnen, Weibchen resp. Königinnen und Männchen.

Mittelpunkt ist die Königin. Sie ist grösser als die Arbeiterinnen. Junge Königinnen besitzen Flügel und werden als Weibchen bezeichnet. Bei der Grossen Waldameise befinden sich nur eine oder einige wenige Königinnen im Nest, bei der Kleinen Waldameise sind es manchmal mehrere Hundert. Die Mehrheit im Ameisenstaat bilden die flügellosen Arbeiterinnen. Sie verrichten ausser dem Eierlegen alle anfallenden Arbeiten: Nestbau, Nahrungsbeschaffung, Füttern von Königinnen und Brut sowie Verteidigung. Die schwarzen, immer geflügelten Männchen gibt es nur im Frühjahr und Frühsommer. Sie sind grösser als die Arbeiterinnen, aber kleiner als die Königinnen.

Das Nest wird oft um einen Baumstrunk aufgebaut. Der Nadelhaufen ist nur der oberirdische, sichtbare Teil des Nestes. Der Grossteil ist unsichtbar. An besonnten Stellen sind die Nester meist niedrig und flach, um nicht zu stark aufgeheizt zu werden. An schattigeren Stellen werden sie grösser und steiler gebaut. Arbeiterinnen sammeln für die Nestkuppe Tannennadeln, Holz- und Aststückchen. Sie vermögen dabei das sechzigfache ihres eigenen Körpergewichtes zu tragen (Körpergewicht einer Ameise ca. 7 bis 10 tausendstel Gramm).

Im Nestinneren befinden sich zahlreiche Brutkammern. An der Oberfläche dienen Öffnungen als Aus- und Eingänge, die bei Regen und Kälte verschlossen und bei heissem Wetter erweitert werden, um das Nest zu durchlüften.

Im Frühjahr, wenn die Sonne den Boden erwärmt, beginnt auch das Leben im Ameisenstaat. Arbeiterinnen wärmen sich auf der Nestkuppe auf und tragen diese Wärme ins Nest. Ausserdem reparieren sie jetzt beschädigte Nestteile.

Ameisen verständigen sich chemisch

Die Verständigung der Ameisen erfolgt mit Fühlern und zahlreichen Duftstoffen, die sie aus verschiedenen Drüsen ausscheiden. Auf einem einzigen Ameisenfühler befinden sich ca. 2000 Sinneszellen, mit denen sie die Duftstoffe wahrnehmen, ihre Nestgenossinnen durch Tasten erkennen sowie die Temperatur und die Luftströmungen messen können. Ihr gutes Sehvermögen ermöglicht es ihnen, sich am Stand der Sonne und an Wegmarken zu orientieren.

Vermehrung im Ameisenstaat

Der Ameisenstaat ist ein Weibchenstaat. Königinnen haben allein die Aufgabe, Eier zu legen. Im Frühjahr legen sie befruchtete Eier, aus denen sich Weibchen entwickeln und unbefruchtete Eier, aus denen Männchen entstehen. Etwa fünf Wochen nach der Eiablage erscheinen die geflügelten Geschlechtstiere auf der Nestoberfläche. Gemeinsam schwärmen sie zum Hochzeitsflug aus, wo die Begattung der Weibchen erfolgt. Die Männchen sterben danach.

Die jungen Königinnen brechen ihre Flügel ab und gründen ein neues Nest oder schlüpfen in einem bereits bestehenden Nest unter. Der Samenvorrat der Weibchen reicht dann ein Leben lang. Im Sommer legen die Königinnen ausschliesslich befruchtete Eier, aus denen sich Arbeiterinnen entwickeln. Nach zwei Wochen schlüpfen die kleinen Larven. Diese besitzen weder Augen, Beine noch Fühler. Sie werden von den Arbeiterinnen gepflegt und gefüttert bis sie sich verpuppen. Aus den Puppen schlüpfen die jungen Arbeiterinnen. Leere Puppenhüllen und andere Nestabfälle werden auf einem Haufen ausserhalb des Nestes deponiert.

 

Schutz und Pflanzenvielfalt für den Wald

Die Roten Waldameisen ernähren sich zur Hauptsache von Honigtau, Blütennektar und Insekten. Der grösste Teil ihrer fleischlichen Kost besteht aus lebenden Tieren wie anderen Insekten, Spinnen und Würmern. Sie verzehren aber auchAas, weshalb sie oft als "Gesundheitspolizei des Waldes" bezeichnet werden. Ihr Jagdgebiet kann sich dabei bis zu 50 Meter vom Nest erstrecken, was eine Fläche von rund einer Hektare ergibt. Ein grosses Volk kann im Laufe eines Jahres 200 Liter Honigtau und 28 Kilogramm Insekten aufnehmen. Darunter befinden sich viele Pflanzen fressende Insekten, welche bei massenhaftem Auftreten den Wald schädigen können. Somit tragen die Waldameisen zur Erhaltung des Waldes bei.

Die Samen vieler Pflanzen besitzen ein kleines nahrhaftes Anhängsel, das Elaiosom, welches von Ameisen gerne gefressen wird. Die Tiere beissen das Anhängsel ab und verlieren den Samen auf dem Weg zum Nest oder lassen ihn liegen. So werden die Samen verbreitet und es entsteht oft eine artenreiche Begrünung der Wälder, was wiederum eine Nahrungsbereicherung für das Wild darstellt. Pflanzen, die durch Ameisen verbreitet werden sind z.B. Waldveilchen, Lerchensporn, Salomonssiegel, Waldanemone oder Perlgras. Ameisenarme Wälder sind auch arm an Ameisen- Pflanzen.

 

Gefahren und Schutzmassnahmen

25 insektenfressende Vogelarten gehören zu den Hauptfeinden der Waldameisen, dazu zählen vor allem der Grünspecht und Wendehals. Gegenüber Fressfeinden verteidigen sich die Waldameisen erfolgreich mit Ameisensäure, die sie aus einer Drüse ihm Hinterleib bis zu einem Meter weit verspritzen können. Gegenüber dem Menschen nützt dies allerdings nichts.

Naturkatastrophen wie Murgänge und Erdrutsche, Waldbrände und Sturmschäden dezimieren zwar den Bestand der Ameisennester, in der Regel aber nur kurzfristig. In erster Linie gefährdet der Mensch durch Strassenbauten, Ausdehnung der Siedlungen und andere Nutzungen die Lebensräume der Waldameisen. Auch Unachtsamkeit bei Forstarbeiten oder das Stören und Beschädigen der Nestkuppe aus Neugierde führt zu einer starken Beeinträchtigung des Klimahaushaltes; dadurch kann das Ameisenvolk nicht mehr wachsen. Durch Bauarbeiten aller Art werden oft Nester von Waldameisen zerstört oder der Lebensraum so stark verändert, dass er sich für die Waldameisen nicht mehr eignet.

Eine naturgemässe Waldbewirtschaftung erhält diesen ökologisch wichtigen Lebensraum mit seinen zahlreichen Tier- und Pflanzenarten - darunter auch seltene und gefährdete Arten wie die Waldameisen. Diese benötigen Orte, an welchen die Sonne bis auf den Waldboden gelangt und möglichst geringe Störungen durch den Menschen erfolgen. Förster können dafür sorgen, dass genügend Licht bis auf den Waldboden gelangt. Ebenso soll beim Wegebau sowie beim Fällen und Transportieren von Bäumen, Anlegen von Spielplätzen oder Feuerstellen auf vorhandene Nester Rücksicht genommen werden.

Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit dem Amt für Wald und Naturgefahren Graubünden

 

(TR)