
Abb. 1 - Wälder im Übergangsbereich zu Wiesen, Weiden, Mooren und Trockenstandorten sind reich an seltenen Pflanzenarten.
Foto: Thomas Stalling
Für die Überwachung der Artenvielfalt wird oft die kostengünstige Erhebung von Lebensraumdaten anstelle von direkten Artenerhebungen vorgeschlagen. Anhand von Daten des Landesforstinventars (LFI) und des Biodiversitätsmonitorings Schweiz (BDM) haben Wissenschafter der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL untersucht, inwiefern die Artendichte von Gefässpflanzen, Moosen und Mollusken mit 58 Merkmalen zu Waldstruktur, Standort und Nutzung zusammenhängt.
Material und Methoden
Das BDM-Messnetz für Artenvielfalt in Lebensräumen befindet sich auf einem Teilnetz des LFI. Dies bedeutet, dass für einen Teil der LFI-Probleflächen aus dem BDM Angaben zum Vorkommen von Gefässpflanzen, Moosen und Mollusken vorliegen. Damit lassen sich Waldmerkmale (Daten LFI) mit der Artenvielfalt (Daten BDM) an derselben Stelle im Waldbestand vergleichen.
Aus dem Datenkatalog des zweiten LFI und des BDM wählten die Forscher insgesamt 58 Standorts- und Strukturmerkmale aus, die für die Biodiversität des Waldes bedeutsam sein könnten. Als Indikator für die Artenvielfalt diente bei der Untersuchung die Artendichte, d.h. die Anzahl Arten einer Gruppe pro BDM-Probefläche.
Zur Datenanalyse verwendeten die Wissenschafter so genannte lineare Regressionsmodelle, um den Zusammenhang zwischen einem oder mehreren Waldmerkmalen und der Artenvielfalt zu quantifizieren. Sie suchten diejenige Kombination von Merkmalen, mit der sich die Unterschiede zwischen den Probeflächen hinsichtlich ihrer Artenvielfalt am besten erklären lassen. Die Modellsuche erfolgte dabei in drei Durchgängen: Der erste Durchgang berücksichtigte nur Standortfaktoren, der zweite Strukturmerkmale und im dritten wurde das beste Modell aus Standortfaktoren mit Merkmalen aus dem zweiten Durchgang ergänzt.
Standortsfaktoren und Strukturmerkmale
Wie die Analyse zeigt, erklären Standortsfaktoren – insbesondere die biogeographischen Regionen, die Höhenlage, die Hangneigung und der pH-Wert des Bodens – je nach Artengruppe zwischen 18% (Gefässpflanzen) und 49% (Mollusken) der beobachteten Streuung der Artendichte. Besonders starke Beziehungen zeigten sich zwischen dem Artenreichtum an Mollusken und dem pH-Wert des Bodens beziehungsweise der Höhenlage einer Probefläche.
Die Strukturmerkmale, die sich durch die Bewirtschaftung beeinflussen lassen, vermögen nebst den Standortfaktoren zusätzlich noch 5% (Mollusken), 7% (Moose) respektive 15% (Gefässpflanzen) der Unterschiede zu begründen. Die besten Gesamtmodelle erklären damit bei den Gefässpflanzen 33%, bei den Moosen 32% und bei den Mollusken 54% der gefundenen Unterschiede im Artenreichtum pro 10 m2 Bodenfläche.
Aufgrund der Vielfalt an Waldtypen war zu erwarten, dass Standortfaktoren einen Teil des Artenreichtums der Probeflächen begründen. Bei Moosen und insbesondere bei Mollusken spielen die Standortbedingungen gar die bedeutendere Rolle als die Waldstruktur (Abb. 2).
Artenreichtum und Waldstruktur

Abb. 2 - Alte Bäume mit dicker, rissiger Borke bieten Moosen besonders gute Wachstums- bedingungen.
Foto: Norbert Schnyder
Von den veränderbaren Strukturmerkmalen spielen einzig die Lichtverhältnisse im Bestand eine gewichtige Rolle, am stärksten bei den Gefässpflanzen. So zeigte sich der Trend, dass offene, lichte Wälder generell eine höhere Artenvielfalt aufweisen als dichte, dunkle Wälder.
Allgemein wird vermutet, dass die Heterogenität eines Waldbestandes bezüglich Altersaufbau, vertikaler Schichtung oder Mischungsgrad die Biodiversität begünstigt. In der vorliegenden Untersuchung liess sich ein solcher Effekt einzig – und auch nur sehr schwach – bei den Mollusken feststellen. Dies liegt vermutlich darin begründet, dass im Gegensatz zu Kleinsäugern und Vögeln die Mollusken, Moose und Gefässpflanzen die vertikale Dimension eines Bestandes kaum nutzen.
In den Wäldern mit der höchsten Vielfalt an Pflanzenarten wachsen im Mittel auch am meisten seltene Waldpflanzen, die ihren ökologischen Verbreitungsschwerpunkt ausserhalb des Waldes haben. Dabei handelt es sich um Wiesen-, Sumpf- oder auch Ruderalpflanzen. Je geringer die Dichte der Bestockung, umso höher wird ihr Anteil. Die artenreichsten Wälder sind also nicht die typischen, geschlossenen Bestände, sondern diejenigen, die mit krautreichen Pflanzengesellschaften verwoben sind, also Wälder im Übergangsbereich zu Wiesen, Weiden, Mooren und Trockenstandorten (Abb. 1).
Schlussfolgerungen
Die Resultate der vorliegenden Analyse zeigen, dass sich die Artenvielfalt von Gefässpflanzen, Moosen und Mollusken auf den 10 m2 Probeflächen des BDM je nach Artengruppe zu 32 bis 54% durch die verwendeten Standorts- und Strukturmerkmale aus LFI und BDM erklären lässt. Obschon vermutlich nicht alle relevanten Lebensraumfaktoren vertreten sind und sich die Grössen der Probeflächen von LFI und BDM um den Faktor 250 unterscheiden, sind die Zusammenhänge doch recht eng. Für verlässliche Aussagen zur Entwicklung der kleinräumigen Artenvielfalt der untersuchten Gruppen reichen sie jedoch nicht aus. Für solche Zwecke bleiben direkte Zählungen der Arten im Feld unabdingbar.
Wenn aber keine Erfolgskontrollen mittels Artenerhebungen möglich sind, schlagen die Autoren im Rahmen der Waldbeobachtung folgende Indikatoren vor:
- Bestandesdichte und/oder Kronenschlussgrad
- Mischungsgrad (Verhältnis Laub-/Nadelbäume)
- Deckungsgrad der Bodenvegetation
Zahlreiche andere Studien bestätigen die hier gefundenen Zusammenhänge und belegen insbesondere auch für Pilze, Insekten, Vögel und Kleinsäuger die grosse ökologische Bedeutung von Lebensraumfaktoren (Strukturmerkmale) für die Artenvielfalt. Deshalb empfehlen Experten auch die Erhebung von weiteren Waldmerkmalen wie beispielsweise dem Totholz.
Das generelle Ziel der Biodiversitätserhaltung und -förderung liegt zwar nicht in der Maximierung der Artenzahl auf kleiner Fläche. Aber die Zunahme der kleinräumigen Artenvielfalt kann beispielsweise in ausgedehnten monotonen Wirtschaftswäldern eine geeignete Zielsetzung sein. Die Studie zeigt, dass die nachfolgenden, bekannten Empfehlungen für die untersuchten Artengruppen (Gefässpflanzen, Moose und Mollusken) zielführend sind:
- Mehr Licht
Ein besseres Lichtangebot fördert den Artenreichtum mehr als jeder andere Faktor. Dies gilt an erster Stelle für Gefässpflanzen, wo mit zunehmendem Lichtangebot auch der Anteil von untypischen Waldpflanzen zunimmt (Wald und Waldrand als Refugium). Beim Auflichten aber kein Totholz entfernen, sondern Asthaufen anlegen und Dürrständer stehen lassen.
- Naturnahe Baumartenmischung
Laub- und Mischwälder beherbergen am meisten Molluskenarten, besonders an feucht-kühlen Standorten und in Auenwäldern.