Das Osterzgebirge in Sachsen ist eines der wenigen Regionen in Deutschland in dem noch ein größeres Wildapfelvorkommen zu finden ist. Auf einer Fläche von 14.000 ha wurden 625 potentielle Wildapfelbäume erfasst. Aber auch in diesem Gebiet gibt es keine zusammenhängenden Populationen, sondern meistens nur kleine Gruppen mit weniger als 10 Wildapfelbäumen.

Zur Klärung, (I) ob auch bei isoliert stehenden Wildapfelbäumen ein genetischer Austausch stattfindet und (II) in welchem Ausmaß Fremdpollen, wie beispielsweise vom Kulturapfel, an der Bestäubung beteiligt sind, wurde der Pollentransport durch Bienen bzw. Hummeln beim Wildapfel im Osterzgebirge analysiert.

Vaterschaftsanalyse

Für die Versuchsdurchführung standen 51 Mutterbäume im Untersuchungsgebiet zur Verfügung, die nach freier Abblüte beerntet wurden. Aus dieser Ernte konnten insgesamt 564 Wildapfelsämlinge im Gewächshaus für eine weiterführende genetische Analyse angezogen werden.

In einer Vaterschaftsanalyse wurden anschließend mit Hilfe eines Softwareprogramms die genetischen Daten dieser Nachkommen mit den genetischen Daten der 51 Mutterbäume und 297 potentieller Vaterbäume verglichen. Für 213 Wildapfelsämlinge identifizierte das Softwareprogramm den Vater. Rund 8 % der Nachkommen stammten aus einer Kreuzung mit dem Kulturapfel und 4 % aus einer Selbstbestäubung. Die restlichen 187 Sämlinge wurden von umliegenden Wildapfelbäumen befruchtet. Für jeden Sämling wurde aus dem Abstand zwischen dem Mutterbaum und dem Vaterbaum die jeweilige Pollentransportdistanz ermittelt.

Wie weit wird der Pollen durch die Biene transportiert?

Die Pollentransportdistanz lag in den vorliegenden Untersuchungen zwischen mindestens 6 m und maximal 10,7 km. Ein Großteil der Sämlinge (57 %) wurde von Pollen der Vaterbäume bestäubt, die sich in einem Radius von 100 m um den Mutterbaum befanden. Je weiter der Vaterbaum vom Mutterbaum entfernt war, desto geringer war der Polleneintrag. Trotzdem stammten 3,2 % der Nachkommen von Vaterbäumen, die über 5 km vom Mutterbaum entfernt standen.

Es wurde festgestellt, dass die Anzahl benachbarter Wildapfelbäume des Mutterbaumes einen signifikanten Einfluss auf die Pollentransportdistanz hat. Befanden sich zum Beispiel nur bis zu vier Bäume in einem Radius von 250 m zum Mutterbaum, lag die Pollentransportrate bei durchschnittlich 950 m. Auch war bei dieser Nachkommenschaft die Anzahl von Hybriden am höchsten. Befanden sich dagegen über 20 Wildapfelbäume in einem Radius von 250 m zum Mutterbaum, betrug die durchschnittliche Pollentransportrate nur 30 m und keiner der Sämlinge war von einem Kulturapfel befruchtet worden.

Umsetzung von Erhaltungsmaßnahmen

Die Ergebnisse unserer Untersuchungen zeigen, dass eine Verdichtung existierender Wildapfelbestände maßgeblich zu einer langfristigen Erhaltung von ‚echten‘ Wildapfelbäumen beitragen kann. Eine Erhöhung der Bestandsdichte führt zu einem höheren Blütenangebot, wodurch die Biene auch in einem kleineren Radius genug Nahrung finden kann. Die Bestäubung zwischen benachbarten Bäumen wird gefördert und die Pollentransportdistanzen werden reduziert. Gleichzeitig sinkt das Risiko einer Hybridisierung mit dem Kulturapfel, wenn dieser sich in einer angemessenen Entfernung zum Wildapfelbestand befindet. In Beständen mit wenigen Einzelexemplaren ist dagegen damit zu rechnen, dass sich vermehrt Hybride in der Naturverjüngung befinden und diese langfristig den ‚echten‘ Wildapfel verdrängen.

Pflegemaßnahmen

Auch Pflegemaßnahmen im Bestand tragen zu einer Erhaltung vorhandener Wildapfelbäume bei. Besonders im Wald zeigen die Wildäpfel häufig nur noch einen geringen bis keinen Fruchtansatz aufgrund eines zu geringen Lichtangebotes. Das Freistellen der Wildäpfel durch Zurückschneiden oder Fällung benachbarter Konkurrenzbäume verbessert die lokalen Lichtverhältnisse und führt zu einer Erhöhung der Vitalität und des Blüten- und Fruchtansatzes.

Ergänzungspflanzungen

Im Untersuchungsgebiet konnte keine Naturverjüngung festgestellt werden, deshalb müssen für eine langfristige Erhaltung des Wildapfels Ergänzungspflanzungen vorgenommen werden. Für diese ist es wichtig, dass nur als ‚echt‘ identifizierte Wildapfelsämlinge verwendet werden. Allerdings ist es gerade bei seltenen Arten, wie dem Wildapfel, häufig ein Problem genügend qualitativ hochwertiges Saat- oder Pflanzgut zu bekommen.

Die Ergebnisse dieser Studie zum Pollentransport zeigen, dass eine Beerntung von Wildapfelbäumen im natürlichen Bestand nur eingeschränkt zu empfehlen ist. Besonders wenn es sich um Bestände mit weniger als 20 Bäumen in einem Radius von 250 m handelt, muss mit Hybriden in der Nachkommenschaft gerechnet werden.

Eine bessere, aber kostenintensive Alternative ist die Anlage von Samenplantagen für die Gewinnung von Saatgut. In diesen Anlagen ist es möglich Hybridisierungen mit dem Kulturapfel durch gelenkte Kreuzungen vollständig auszuschließen.

Die vorliegenden Erkenntnisse zum Pollentransport beim Wildapfel bilden auch eine Grundlage für die Ableitung geeigneter Erhaltungsmaßnahmen bei anderen insektenbestäubten, seltenen Wildobstarten (z.B. Wildbirne).