Dieser Artikel ist der dritte Teil einer dreiteiligen Serie zur Eiche im Klimawandel.

Die Eidgenössische Forschungsanstalt WSL erforschte von 2006 bis 2012 das Verhalten von jungen Eichen unter veränderten Umweltbedingungen. Ziel des breit angelegten Querco-Experimentes war es, die Auswirkungen von Trockenheit und erhöhter Lufttemperatur auf Mikroklima, Boden und Bäume zu untersuchen. Rund 770 junge Eichen wurden in Modellökosystemen während dreier Jahre beobachtet und vermessen.

Die globale Erwärmung wird heute von vielen Forstleuten als eine der grossen Herausforderungen für den Wald im 21. Jahrhundert bezeichnet. Die Klimaszenarien der Zukunft zeichnen sich insbesondere durch wärmere Sommer aus, welche durch lang andauernde Hitzeperioden und Niederschlagsdefizite (Trockenperioden) gekennzeichnet sind.

In der Schweiz wird gemäss einem mittleren Klimaszenario bis ins Jahr 2100 mit einer um 2,7–4,1 °C erhöhten Jahresmitteltemperatur und einer Abnahme der Niederschlagsmenge im Sommer von 18–24% gerechnet. Diese Klimaänderungen werden nicht ohne Auswirkungen auf die Stabilität und Produktivität der Wälder bleiben. So muss bei trockenheitsempfindlichen Baumarten wie Buche, Fichte und Tanne mit erhöhten Waldschäden gerechnet werden, während trockentolerantere Baumarten wie die Eiche besser auf die Klimaveränderung vorbereitet sein sollten. Die Eichen dürften vom Klimawandel sogar profitieren und ihre Konkurrenzfähigkeit gegenüber anderen Baumarten steigern.

Waldbauliche Strategien mit dem Ziel, anpassungsfähige, gesunde und damit leistungsfähige Wälder zu erhalten, müssen diesen Gegebenheiten Rechnung tragen. Der Forstdienst muss deshalb heute schon waldbauliche Entscheidungen treffen (Waldverjüngung, Baumartenwahl, Betriebsformen u.a.), die den möglichen Klimaszenarien der Zukunft gerecht werden. Sämtliche Informationen zum Verhalten der Eiche – einer waldbaulich anspruchsvollen und aufwendigen Baumart – bei zunehmender Temperatur und Trockenheit sind daher willkommen.

Das Querco-Experiment

Im Jahre 2003 hat Madeleine Günthardt-Goerg mit ihrer Forschungsgruppe an der WSL erste Schritte zur Einrichtung eines gross angelegten Experimentes unternommen. In einer Modellökosystemanlage (Abb. 1 und 2) sollten Eichen unter verschiedenen Umweltbedingungen auf Herz und Nieren geprüft werden.

Dazu ernteten die Forschenden im Herbst 2003 zuerst Eicheln von je vier autochthonen Stiel-, Trauben- und Flaumeichen-Provenienzen (Tabelle 1). Die im Versuchsgarten der WSL angezogenen Pflanzen pflanzten sie dann im Frühling 2006 als zweijährige Jungeichen in 16 Modellökosystemkammern auf zwei verschiedenen Bodentypen. Ein Bodentyp stammte aus Eichenbeständen auf basischer Unterlage (pH 7) in Brugg (AG), der andere von Eichenbeständen auf saurem Untergrund (pH 4) in Eiken (AG).

Über einen Zeitraum von drei Jahren unterzogen die Wissenschaftler die Jungeichen vier verschiedenen Klimabehandlungen:

  • (1) Kontrolle ohne besondere Massnahmen
  • (2) Lufterwärmung
  • (3) Trockenheit
  • (4) Kombination von Lufterwärmung und Trockenheit

Durch verschiedene Öffnungsweiten der Seitenwände erhöhten die Forscher in acht der sechzehn Modellökosystemkammern die Temperatur um ein bis zwei Grad. Dank automatisch schliessender Dächer über den Kammern wurde der natürliche Niederschlag ferngehalten. Stattdessen beregnete eine Sprinkleranlage die Eichen unter kontrollieren Bedinungen. In den Behandlungsvarianten Lufterwärmung und Kontrolle wurden die Bäume regelmässig bewässert. In den Behandlungen Trockenheit sowie der Kombination aus Trockenheit und Lufterwärmung unterbrachen die Forschenden hingegen diese Bewässerung während der Vegetationszeit zwei Mal für mehrere Wochen (simulierte Trockenperioden). Die Behandlungen Lufterwärmungund Trockenheit entsprechen etwa den erwarteten Klimaveränderungen.

Die WSL-Forscher haben zusammen mit Kollegen aus der Schweiz, Deutschland, Österreich, Frankreich und China interdisziplinär das Wachstum der Pflanzen sowie eine Vielzahl von Einflussgrössen im Boden, in den Pflanzen und in anderen Organismen untersucht. Dank der aufgezeichneten Klimadaten, dank des homogenen Pflanzenmaterials und dank des statistischen Designs des Experiments (Abb. 3) liessen sich Fragestellungen bearbeiten, welche im freien Feld nicht hätten geprüft werden können. Die im Folgenden dargestellten Resultate betreffen beide Bodentypen. Der Einfluss des Bodens ist Thema des zweiten Teils der Artikelserie.

Wachstum als Indikator

Wachstum ist ein elementarer Ausdruck von Leben und eignet sich daher gut zur Beobachtung der Entwicklung von Lebewesen Um Rückschlüsse auf das Verhalten der Jungeichen im Umweltwandel zu ziehen, haben die Forscher im Querco-Experiment folgende Wachstumsgrössen untersucht:

  • Das Höhenwachstum (jeweils Ende Jahr am Haupttrieb gemessen, inkl. Johannistriebe!)
  • Das Dickenwachstum (jährlich mit der Zunahme des Durchmessers 10 cm über Boden erfasst)
  • Das Trockengewicht von Blatt-, Holz- und Wurzelmasse (im Jahr 2010 nach dreijähriger Behandlung ermittelt)

Resultate

  • Temperatur fördert Höhenwachstum
    Statistische Auswertungen zeigen, dass die erhöhte Lufttemperatur das Baumwachstum beeinflusst hat. Die verschiedenen Messungen haben aber z.T. gegenteilige Resultate gezeitigt. So wirkte die Lufterwärmung positiv auf das Höhenwachstum, welches im Vergleich zur Kontrolle im Durchschnitt um 15% zunahm. Interessanterweise ging der Durchmesser am Stammfuss aber um 3% zurück. Dies mag eine Erklärung dafür sein, dass die oberirdische Holzmasse nahezu unverändert blieb. Die Bestimmung der Wurzelmasse pro Baum ergab bei Lufterwärmung gegenüber der Kontrolle eine Reduktion um 8%. In der Kontrolle wuchs die Stieleiche stärker als die Flaumeiche, welche ihrerseits etwas mehr leistete als die Traubeneiche (Abbildung 4).
  • Trockenheit bremst massiv
    Ganz deutlich bremste die Trockenheit das Wachstum: Sprosslänge und Stammdurchmesser nahmen um 40% bzw. 23% ab, und auch die Holzmasse verringerte sich im Durchschnitt um gut die Hälfte (Tabelle 2). Die Wurzelmasse bildete sich durchschnittlich um 30% zurück. Der Vergleich zwischen den Kontrollbehandlungen und den Behandlungen mit Trockenheit zeigte für alle Provenienzen eine deutliche Abnahme der gebildeten Laubmasse um rund 28%. Alle Arten erlitten durch den Trockenstress statistisch gesehen eine ähnliche Reduktion ihrer Biomassenleistung (Blattwerk-, Holz- und Wurzelbildung).
  • Grosse Unterschiede
    Bereits innerhalb der Kontrollgruppe (keine Behandlung) zeigten sich grosse Unterschiede im Wachstum der verschiedenen Provenienzen. Das Längenwachstum nach drei Jahren (2007 bis 2009) variierte sowohl innerhalb als auch zwischen den Arten stark. Während die Stieleichen aus Tägerwilen im Durchschnitt 230 cm wuchsen (± 53 cm Standardabweichung), erreichte die Provenienz aus Bonfol nur gerade 159 cm (± 36 cm). Auch bei der Flaumeiche wurden sehr grosse Unterschiede festgestellt: 210 cm (± 67 cm) für Le Landeron und 129 cm (± 67 cm) für die Herkunft Promotogno. Arezzo, die am südlichsten gelegene Herkunft, wies ein noch geringeres Wachstum auf. Der Durchmesserzuwachs der Stämme im dritten Jahr variierte bei den CH-Provenienzen zwischen 2,7 mm (Wädenswil) und 5,4 mm (Tägerwilen). Auch bei der Reaktion auf Trockenheit zeigten die zwölf Eichenherkünfte stark unterschiedliches Verhalten. So wurde z.B. das Höhenwachstum der Stieleichenherkunft Tägerwilen stark beeinträchtigt (Sprosslänge –46% gegenüber der Kontrolle), während bei der Stieleiche aus Hünenberg der Rückgang schwächer war (36%).

Folgerungen

  • Hinweis auf hohe genetische Diversität
    Die grosse Bandbreite unterschiedlicher Wuchsreaktionen zwischen den Provenienzen – in Bezug auf das Wachstum im Allgemeinen sowie im Verhalten gegenüber Trockenheit und Erwärmung im Speziellen – kann als Hinweis auf eine hohe genetische Diversität verstanden werden. Frühere Untersuchungen zur Genetik der Eiche hatten bereits eine überdurchschnittlich hohe genetische Diversität festgestellt.
  • Anpassung an Trockenheit
    Unterschiedliche Reaktionen des Längen- und Dickenwachstums des Sprosses sowie der Wurzeln führen zu anderen Pflanzenproportionen. Dies zeigte das veränderte Verhältnis von Durchmesserzuwachs zu Höhenzuwachs sowie von Wurzelwachstum zu Sprosswachstum nach der Behandlung mit Trockenheit und erhöhter Temperatur gegenüber der Kontrolle. So ergab die erhöhte Temperatur eine Überbetonung der oberirdischen Organe (Spross und Blattmasse), während das Trockenexperiment zu einem erhöhten Wurzelanteil führte. Diese Feststellung stimmt mit Erfahrungen aus anderen Projekten überein. Demnach scheinen die Pflanzen gerade bei Trockenheit mehr Energie in die Bildung der Wurzeln zu investieren, um die Versorgung mit Wasser sicherzustellen.
  • Interessante Johannistriebe
    Die Eiche hat die Fähigkeit, mit einem zweiten Trieb (Johannis- bzw. Augusttrieb) auf besondere Wuchsbedingungen zu reagieren. Ein Teil der festgestellten Höhenunterschiede zwischen Arten und Provenienzen ist auf dieses Phänomen zurückzuführen. Stieleichen bildeten generell oft Johannistriebe. Bei Trauben- und Flaum eiche war das Bild heterogener. So bildete etwa die Flaumeiche aus Leuk relativ oft Johannistriebe, während dies bei der Traubeneiche aus Wädenswil selten vorkam. Diese Feststellungen sollen nicht als Kriterium für oder gegen eine Art oder Herkunft verstanden werden. Sie zeigen lediglich, dass Eichenarten über einen sehr interessanten Wuchsmechanismus verfügen, welcher bei veränderten Klimabedingungen eine flexible Reaktion erlaubt.

Merkblatt

Die heimischen Eichenarten erweitern im Zusammenhang mit dem Klimawandel den waldbaulichen Spielraum und werden mit einer stärkeren Präsenz als heute zur Bereicherung des Schweizer Waldes beitragen. Die Forschungsanstalt WSL hat dazu ein Merkblatt für die Praxis zusammengestellt:

Die Eiche im Klimawandel. Zukunftschancen einer Baumart (PDF)

(TR)