Urbane Wälder sind in Deutschland interessant geworden, da es für viele Flächen aufgrund der Bevölkerungsentwicklung keine neue Nutzung gab und Aufforstungen ohne kostenintensive weitere Pflegemassnahmen als kostengünstige Option für diese Flächen angesehen wurden, um Grünräume mit bescheidenen Mitteln zu entwickeln. Im Folgenden soll die Idee an zwei konkreten Beispielen aus Deutschland näher beleuchtet werden.

In zahlreichen Städten nimmt der Brachflächenanteil aufgrund der Bevölkerungsentwicklung zu. Sie haben oft ungünstige Wirkung auf Stadtstruktur und Stadtbild und werden von der Bevölkerung eher als negativ wahrgenommen. Dabei bergen derartige Flächen grosses Potential:

  • zum Schutz der biologischen Vielfalt,
  • für den Klimaschutz und die Luftreinhaltung,
  • die Erholung und den ökologischen Stadtumbau.

Aus Sicht des Naturschutzes und vor dem Hintergrund knapper finanzieller und personeller Ressourcen in den Städten ist die Entwicklung von urbanem Wald als neuer innerstädtischer Grünflächentyp eine ernstzunehmende Alternative zu intensiv gestalteten Grünflächen.

"Urbaner Wald“ bezeichnet eine neue Flächenkategorie innerstädtischer Waldflächen, die vom traditionellen forstwirtschaftlichen Aspekt abweicht.

Beispiel Halle-Silberhöhe

Von der Plattensiedlung zum Stadtwald

Infolge des starken Bevölkerungsrückgangs nach der Wiedervereinigung wurden zahlreiche alte, industriell gebaute DDR-Arbeitergrosswohnsiedlungen abgerissen und grosse Brachflächen entstanden.

Der grosszügige, zentrale Grünzug in Halle-Silberhöhe (Sachsen-Anhalt) war gerade fertiggestellt, sodass auf weitere, aufwendig zu unterhaltende Parkanlagen als Folgenutzung auf den grossflächigen Rückbauarealen verzichtet wurde.

Stattdessen hat man sich in Halle für einen anderen Weg entschieden: Im Rahmen des Stadtumbauprozesses wurde für den Stadtteil Silberhöhe das Leitbild einer "Waldstadt" erarbeitet. Ziel der Renaturierung war, dass durch Anpflanzung von Laubbäumen auf grossflächigen Rückbauarealen ein natürlich wachsender Stadtwald entsteht. Es sollten so städtische Grünräume mit mehr Baumbestand unterschiedlicher standorts-, nutzungs- und lageangepasster Dichte entstehen.

Bei der Nachnutzung der 3,6 ha grossen Abbruchareale gelangte die "Stadtverwaldung" (nach J. Beuys "7000 Eichen", Kassel) zur praktischen, grossflächigen Umsetzung: es wurde u.a. mit Bergahorn, Traubeneiche, Erle, Hartriegel, Weissdorn, Esche und Spitzahorn aufgeforstet bzw. angepflanzt. So entstand mitten im Wohnquartier ein natürlich wachsender, artenreicher Laubwald. Diese Massnahmen verhalfen dem Stadtteil nicht nur zu einer grünen Lunge und einem neuen Image, sondern der Südteil gewann darüber hinaus als Naherholungsgebiet an der Saale-Elster-Aue auch für die gesamte Stadt an Bedeutung. Unterstützt wurde der Prozess der Neuausrichtung durch eine bewusste Verknüpfung von Abriss, Wald und Kunst.

Das Nachnutzungsmodell sieht eine abgestufte Renaturierung vor, bei der ein parkähnlicher Stadtwald im zentralen Grünzug entsteht, aber auch naturnahe Sukzessions- und Aufforstungsflächen am Siedlungsrand zum Landschaftsraum von Saale und Weisser Elster. Der Grünzug wurde durch Baumhaine und Baumblöcke auf ehemaligen Gebäudegrundrissen gefasst. Dazwischen erstreckt sich der abwechslungsreiche Stadtwald in dem sich dichtere und lichtere Bereiche abwechseln. Während im zentralen Grünzug Starkbäume gedeihen, wurden die Flächen zur Saale hin mit Heistern oder Stecklingen aufgeforstet.

Auf den städtischen Flächen übernahm der städtische Fachbereich Umwelt die Pflege und Bewirtschaftung. Auch auf den per Gestattungsvertrag übertragen Flächen z.B. von Wohnungsbaugesellschaften, übernahm die Stadt teilweise nur anfangs, teilweise dauerhaft den Aufwand für Pflege und Unterhalt.

Ein wesentlicher Schritt im Umbauprozess war die frühzeitige Einbeziehung der Anwohner und weiterer Akteure. Im Rahmen des Wettbewerbs "Stadtumbau – nur mit uns" wurde das Kinderprojekt "Silberhöhe – die Waldstadt" initiiert, ein Ansatz, um Kinder in den Planungsprozess ihres Stadtteils einzubeziehen.

Ziele:

  • Aufwertung des Stadtteils
  • Stärkung des zentralen Grünzuges und Hereinziehen von Wald in den Stadtteil
  • Vernetzung der Freiflächen im Wohngebiet mit dem Landschaftsraum der Saale-Elster-Aue

Massnahmen:

  • Abriss
  • Rückbau
  • Gestaltung eines zentralen Grünzuges
  • Aufforstung ehemaliger Wohnbaufläche
  • Pflanzung von 8000 Laubgehölzen

Projektablauf

  • 2002/2003 Abriss, Strassenrückbau am Rande des Wohngebietes, Umwidmung zur Forstfläche, Aufbringen von Mutterboden, Aufforstung, Einzäunen des Gebiets, Fertigstellungspflege 5 Jahre
  • 2003-2005 Abriss, Pflanzung von 264 Starkbäumen als lichter Hain in der Mitte des Wohngebietes
  • 2004-2006 Abriss, Pflanzung von Starkbäumen
  • 2007-2010 weiterer Rückbau, Fortführung der Aufforstungsmassnahmen, Bau von Wegeverbindungen aus dem Wohngebiet zur Aue, Errichtung eines Aussichtspunktes
  • 2018-2019 weitere Ausgestaltung der Grünen Mitte, Starssenrückbau, bessere Einbindung der Rückbauflächen in die Struktur des verbliebenen Wohngebietes und den zentralen Grünzug, Errichtung von Spielangeboten, Umstrukturierung und Erweiterung von Waldflächen

In der Planung sind darüber hinaus weitere Anpassungen des Wegenetzes aus dem Wohngebiet in die Aue und eine ufernahe Führung des Elsterradweges am Südrand des Wohngebietes.

Beispiel Leipzig

Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben auf drei Standorten

Das Vorhaben: "Ökologische Stadterneuerung durch Anlage urbaner Waldflächen auf innerstädtischen Flächen im Nutzungswandel - ein Beitrag zur Stadtentwicklung" wird zwischen 2009 und 2019 in Leipzig (Freistaat Sachsen) realisiert werden.

Ziel des Projektes ist es, Wälder auf innerstädtischen Brachen modellhaft anzulegen, Managementansätze für eine langfristige Sicherung sowie Akzeptanz durch die Bevölkerung zu entwickeln und ihre Eignung im Stadtumbau zu testen. Es ist eingebettet in eine wissenschaftliche Begleitung und wird vom Bundesamt für Naturschutz gefördert.

Am Beispiel der Stadt Leipzig sollen Einsatzmöglichkeiten, Leistungen und Funktionen von Urbanen Wäldern unter naturschutzfachlichen, stadtökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekten erproben werden.

In dem Experiment geht es darum, diesen in der Stadtentwicklung innovativen, interdisziplinären und integrativen Ansatz zu untersuchen, der wirtschaftliche, soziale und naturschutzfachliche Aspekte zusammenführt und gleichzeitig einen Beitrag zu Erholung und zum Naturerleben der Bevölkerung leistet.

    Folgende Bausteine werden umgesetzt:

    • Neuanlage und forstliche Bewirtschaftung von Waldlfächen auf städtischen Standorten unter Einbeziehung vorhandener Biotopstrukturen
    • Verwendbarkeit unterschiedlicher Waldstrukturtypen und Waldbilder für den Klima- Immissions- und Prozessschutz
    • Gestaltung der "Urbanen Wälder“ mit Stadtteilparkfunktion
    • Akzeptanzförderung, Kommunikation und Beteiligung der Bürger
    • Langfristige planerische und rechtliche Sicherung der Waldflächen

    Detaillierte Angaben zum Projekt finden sich unter www.urbane-waelder.de.

    Folgende positive Effekte sollen erzielt werden:

    • Beitrag zur Verbesserung der stadtklimatischen und lufthygienischen Situation
    • bewaldete Fläche und angrenzende Flächen in Wert setzen
    • Erholungsangebote im Wohnumfeld ergänzen
    • Grünflächendefizite in stark verdichteten Quartieren ausgleichen
    • Beitrag zur Erhöhung der Biodiversität in der Stadt leisten
    • Kreation einer neuen Freiflächenkategorie im Stadtumbau und in der Planung

    Ob der urbane Wald tatsächlich all diese positiven Effekte insbesondere auf den Naturhaushalt, die Stadtgestalt und das Erholungsangebot erzielt, wird in der interdisziplinären Begleitforschung ermittelt. Um Empfehlungen zur Entwicklung urbaner Wälder geben zu können, sollen ihre Wirkungen anhand der Erprobungsflächen in ihren verschiedenen Entwicklungsstadien wissenschaftlich so untersucht und aufbereitet werden, dass eine Handreichung

    1. zur Auswahl geeigneter Flächen auf Landschaftsplan- und Flächennutzungsplanebene sowie
    2. zur konkreten und situationsspezifischen Planung entsteht.

    Drei ausgewählte Modellflächen

    1. Stadtgärtnerei Holz

    Auf dem ehemaligen Gärtnereigelände wurden 40% versiegelte Fläche nach Rückbau- und Entsieglungsarbeiten zu einer ca. 3,8 ha grossen ersten Modell-Waldfläche umgestaltet.
    Bestehende Wege, Gehölze und Teiche wurden in das neue Konzept integriert. Das vorhandene Flächenraster der Gärtnerei wurde beibehalten und die Waldparzellen ordnen sich in das System der ehemaligen Anzuchtflächen ein.
    Das Raumerlebnis wechselt durch die Verwendung verschiedener Gehölzkombinationen. Obst- und Nussbäume greifen die Geschichte des Ortes wieder auf.

    2. Schönauer Holz

    Auf der 5,5 ha grossen Fläche des abgerissenen Plattenbauareals "Eiger Nordwand" wurde die zweite Modellfläche angepflanzt, die zunächst eher einer Schonung gleicht. In der Anfangsphase können nur die Wege und Aufenthaltsbereiche sowie die für Jugendliche Aufenthaltsbereiche betreten werden. Von Beginn an wurden, zusammen mit den Anwohnern, Gestaltungsideen entwickelt und eine Pflanzaktion durchgeführt. Durch neue attraktive und optimierte Wegeverbindungen und Aufenthaltsbereiche soll das Holz als verbindendes Element im Stadtteil fungieren.

    Auch im Schönauer Holz wurde auf den Erhalt vorhandener Gehölze und Wegeverbindungen geachtet. Die Zielvegetation stellen lichte Waldquartiere v.a. aus Eberesche dar. Es wurden Ausfälle in der Aufforstung sowie eine geringe Wachstumsrate festgestellt. Innerhalb der wissenschaftlichen Begleitforschung werden diese Probleme genau analysiert, um Lösungsansätze zu entwickeln.

    Im Vergleich zum herkömmlichen Wald mit grossen Bäumen zeichnet sich ein angelegter urbaner Wald auf innerstädtischen Brachflächen durch eher kleinere Pflanzen aus. Deshalb sieht das Schönauer Holz auch einige Jahre nach der Entstehung eher wie eine bewachsene Grünfläche und nicht wie dichter Wald aus.

    3. Gleis-Grün-Zug

    Die dritte Modellfläche wird seit 2017 realisiert und befindet sich auf einem ehemaligen Güterbahnhofsgelände. Es wurden 1,2 ha Wald inmitten der Stadt aufgeforstet. In der Nachbarschaft sollen durch Sukzessionsprozesse weitere 5,6 ha Wald entstehen. In diesem Gebiet gibt es ein grosses Vorkommen der gesetzlich geschützten Zauneidechse.

    Eine Bürgerinitiative aus verschiedenen privaten und gewerblichen Akteuren möchte durch eine gemeinsame Gestaltung des ehemaligen Güterbahnhofes einen offenen Begegnungsort des Stadtquartiers schaffen. So entstehen seit 2013 verschiedene Aktionsbereiche, in die sich auch das Karl-Heine-Holz, wie der urbane Wald getauft wurde, einbindet. Insgesamt soll hier in enger Zusammenarbeit zwischen Kommune und Bürgern ein "Freiraum mit besonderer stadtökologischer Funktion“ entstehen.

    Die dritte Modellfläche befindet sich seit 2017 in der Umsetzung. Der Urbane Wald ist konzeptioneller Bestandteil des Bürgerbahnhof Plagwitz. Das Areal liegt in einer Grünradiale der Stadt, in der Umgebung eines Gründerzeitgebietes mit industriell- gewerblicher Prägung.

    UFZ: Sozialwissenschaftlicher Teil der Begleitforschung

    Haushaltsbefragung & Akzeptanz

    • Urbaner Wald wird von der Bevölkerung als adäquate Gestaltungsform für städtische Brachen akzeptiert, als Aufwertung des Stadtbildes wahrgenommen und als schützenswert eingestuft.
    • Die Mehrheit der Befragten will beim urbanen Wald Flächen von ca. 5 ha und grosse Bäume.
    • Die Waldflächen sollten parkähnlich aussehen mit befestigten Wegen, Mülleimern und Lampen.
    • Die Befragungsergebnisse würden es erlauben, urbane Wälder als neuen Freiflächentyp im Rahmen des Stadtumbaus zu etablieren.
    • Sie zeigen ausserdem auf, die Bevölkerung stärker in den Prozess einzubeziehen: die Einwohner zeigten sich grundsätzlich dazu bereit, sich finanziell und/oder durch eigene Aktivitäten an der Anlage von urbanen Waldflächen zu beteiligen. Dies würde nicht nur die Akzeptanz erhöhen, sondern auch Verantwortungsgefühl für Die neu entstehenden Flächen wecken und die Nutzungsbereitschaft steigern.

    Gestaltung:

    • Sollte an Nutzungsansprüchen orientiert sein.

    Hoffentlich regen diese Beispiele an, dass das hier gesammelte Wissen anderen Städten mit ähnlichen Problemen oder die vielleicht erst am Beginn der Auseinandersetzung mit Schrumpfungsprozessen stehen, von Nutzen sein kann.