Mit dem Begriff "Säure" bringt wohl jeder den pH-Wert in Verbindung. Aber das Gedeihen unserer Waldbäume hängt weniger vom Säuregrad (pH-Wert) der Bodenlösung, sondern vielmehr von den enthaltenen Nährelementen Calcium, Magnesium, Natrium und Kalium (=Basenkationen) ab. Je höher der Anteil dieser Kationen und je geringer der Anteil der "Säurekationen" Aluminium, Eisen, Mangan und Protonen, desto besser für die Baumernährung. Mit einem Bodenextrakt wird die Belegung des Austauscherkomplexes mit positiv geladenen Kationen erfasst. Diese Belegung ist in Abbildung 1 für einen typischen Waldboden im Niederbayerischen Tertiärhügelland dargestellt.

Dieser Boden ist in einer sehr charakteristischen Weise versauert: in der Humusauflage stehen noch über 20 Prozent Basenkationen zur Verfügung, die Werte gehen im oberen Mineralboden auf unter zehn Prozent zurück und steigen im tieferen Mineralboden auf über 80 Prozent. Ein junger Baum muss hier mit seinen Wurzeln das saure Milieu mit wenig Calcium und Magnesium aber viel Aluminium durchstoßen. Erst mit zunehmendem Tiefenwachstum erreicht er die basenreichen Horizonte im Unterboden. Während weniger basenbedürftige Arten wie die Rotbuche hier ohne Probleme wachsen können, haben anspruchsvolle Baumarten wie Esche oder Feldahorn ihre liebe Not.

Verschiedene Typen

Dieses komplexe Bild kann man vereinfachen, indem nicht alle einzelnen Kationenanteile, sondern nur die Summe der vier Basenkationen, betrachtet werden. Dieser Prozentwert wird auch als Basensättigung bezeichnet. In unserem Beispiel ist ein typischer Verlauf der Basensättigung mit der Profiltiefe verwirklicht – oben basenarm, unten basenreich. Es gibt aber noch andere Verlaufsformen der Basensättigung im Bodenprofil. Man kann diese fünf Typen zuweisen. Im einen Extrem ist das ganze Bodenprofil hoch basengesättigt (Typ 1), im anderen Extrem ist es durchgehend basenarm (Typ 5). Dazwischen liegen drei Übergangsformen (Abb. 2).

Vergangene Versauerungsprozesse haben dazu geführt, dass der Oberboden mehr Basenkationen verloren hat als der Unterboden. Dafür sind vor allem der Angriff der Kohlensäure und der Bestandteile des Sauren Regens verantwortlich, daneben aber auch die übermäßige Nutzung von Biomasse. Mit dem Sickerwasser oder durch Biomasseexport verliert der Boden Basenkationen an deren Stelle Säurekationen wie Aluminium treten. Das ist die sogenannte Bodenversauerung, bei der die Basensättigung stets abnimmt.

Typ 1
Zum Typ 1 gehören 27 Prozent der Waldböden Bayerns (Abb. 3). Er ist vor allem in Kalkgebieten wie der Fränkischen Platte, dem Jura und den Kalkalpen weitverbreitet. Solche Böden setzen der Bodenversauerung einen nahezu unüberwindlichen Widerstand entgegen. Allerdings kann die Ernährung mit Spurenelementen (Eisen und Mangan), Kalium sowie Phosphor auf diesen Standorten schnell problematisch werden. Basenbedürftige Baumarten wie Esche und Feldahorn finden hier optimale bodenchemische Bedingungen vor. Die Basenvorräte sind sehr hoch.

Typ 2
Ebenfalls 27 Prozent beträgt der Anteil des Typs 2 in Bayern. Er besitzt alle Vorteile des Typs 1, Spurenelement-, Kalium-, und Phosphormängel treten jedoch viel seltener auf. Die leichte Versauerung im Oberboden beruht häufig auf der Überdeckung mit einer lehmigen Deckschicht. Auf diesen Standorten herrschen bodenchemisch paradiesische Zustände. Nahezu alle Baumarten können ihren Bedarf an Nährstoffen ohne Einschränkungen decken. Die Basenvorräte sind ähnlich hoch wie bei Typ 1.

Typ 3
Typ 3 findet sich auf knapp einem Viertel der Waldfläche Bayerns. Die stärkere Oberbodenversauerung resultiert häufig aus mächtigeren Deckschichten. Die bodenchemischen Bedingungen sind ähnlich paradiesisch wie bei Typ 2, jedoch liegt der basenreiche Unterboden unter einer mächtigen versauerten Decke verborgen. In der Jugend haben daher manche Baumarten Schwierigkeiten. Die Basenvorräte sind zumeist hoch. Für basenbedürftige Baumarten reicht die bodenchemische Qualität jedoch meist nicht aus, da die "Durststrecke" in der Jugend zu lang ist.

Typ 4
Dieser Typ kommt auf 14 Prozent der Waldfläche Bayerns vor. Ihn charakterisiert eine tief reichende Bodenversauerung. Die Basenvorräte können nur alte und tiefwurzelnde Bäume nutzen. Mit der Streu gelangen die Basen im Laufe der Jahre auf die Bodenoberfläche, wo sie dann auch für junge Bäume zu erreichen sind. Auf diese "Basenpumpe" sind die Bäume auf diesen Standorten besonders angewiesen. Anspruchslose Baumarten finden auf Böden des Typs 4 recht gut ein Auskommen. Eine pflegliche Forstwirtschaft ist hier besonders wichtig.

Typ 5
Der basenärmste Typ 5 nimmt in Bayern nur acht Prozent der Waldfläche ein. Er ist auf die Silikatgebiete wie z.B. Spessart, Rhön, Odenwald und die ostbayerischen Grenzgebirge beschränkt. Für anspruchslose Baumarten reicht in den meisten Fällen die Basenversorgung aus, in bestimmten Fällen können jedoch Mangelerscheinungen auftreten.

Über 75 Prozent der Waldfläche Bayerns nehmen derzeit die Typen 1, 2 und 3 ein. Bis auf wenige Ausnahmen kommen die Waldbaumarten hier mit der gebotenen Basenausstattung gut zurecht. Mit geschickter Baumartenwahl lassen sich Nachteile gut bewältigen. Bei den Typen 4 und 5 ist eine Zurückhaltung bei der Nutzung (Belassen der Ernterückstände im Bestand) angeraten oder es kann in einigen Fällen eine Bodenschutzkalkung erforderlich werden.

Bodenschutzkalkung? Kalkungskulisse!

Die Notwendigkeit von Kalkungen im Zusammenhang mit der Bodenversauerung wurde immer wieder kontrovers diskutiert. Erklärtes Ziel der Bodenschutzkalkung ist es die anthropogene chemische Degradation der Waldböden zu stoppen, der Trinkwasserversauerung entgegenzuwirken und Magnesium-Mängel der Waldbestände zu beheben. Mögliche Risiken und Nebenwirkungen sind z.B. Humusverluste, Nitrat-Auswaschung und eine Verflachung des Wurzelsystems. Einer großflächigen Bodenschutzkalkung ist daher ein nach Standort und Bestand differenziertes Handeln unbedingt vorzuziehen. Um diese Entscheidungen zu erleichtern, wurden Datengrundlagen zur Nährstoffausstattung der Waldböden und zum Ernährungszustand der Waldbestände mit bodenkundlichen Geodaten verschnitten. Die dabei entstanden Kalkungskulisse (Abb. 4) dient der Beratung und soll helfen Schwerpunkte zu identifizieren und Fördermittel gezielt in betroffene Regionen zu lenken. Die Kalkungskulisse stellt einen ersten Filter dar, ersetzt aber nicht den lokalen Kalkungsplan. Es ist auch weiterhin eine Einzelfallprüfung durch das zuständige Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten notwendig.

Die Kalkungskulisse basiert auf den unterschiedlichen Tiefenverläufen der Basensättigung im Mineralboden (Typen) und unterteilt die Waldfläche Bayerns in "Kalkung möglich" (orange) und "keine Kalkung" (grün). In den grünen Bereichen ist eine ausreichend hohe Basenversorgung gegeben, in den roten Bereichen sind die Böden dagegen so tiefgründig versauert (Typen 4 und 5), dass sie als kalkungsfähig eingestuft werden.

Basensättigung und Waldernährung

Die Kalkungskulisse stellt die Kalkungsfähigkeit der Böden im Überblick dar, kann aber die aktuelle Notwenigkeit nicht vollständig beantworten. Erst Nadel- und Blattanalysen eröffnen, wie Waldernährung und entsprechende Bodendaten zusammenhängen. Untersucht wurden die Magnesium- und Calciumgehalte in Buchenblättern bzw. Fichtennadeln in Abhängigkeit von den Basensättigungstypen des Bodens (Abb. 5 und 6).

Magnesium
Die Magnesiumgehalte in den Buchenblättern hängen deutlich mit dem Tiefenverlauf der Basensättigung zusammen. Die Fichte zeigt diesen Zusammenhang nicht so deutlich (Abb. 5). Erstaunlich erscheinen die Einzelfälle mit geringer oder gar mangelhafter Magnesiumversorgung von Fichte und Buche bei höchster Basensättigung im Boden. Das betrifft Böden, die sich aus reinen, magnesiumarmen Kalken entwickelt haben und deren hohe Basensättigung daher fast vollständig vom Calcium gebildet wird. Eine Düngemaßnahme ist in solchen Fällen wenig sinnvoll. Die Baumartenwahl spielt hier die entscheidende Rolle.

Calcium
Die Calciumgehalten zeigen für beide Baumarten einen deutlichen Zusammenhang mit dem Tiefenverlauf der Basensättigung (Abb. 6). Das Ernährungsniveau von Buche und Fichte unterscheidet sich aber. Während bei der Fichte immer noch optimale Werte bei Typ 5 zu finden sind, liegt der Median der Buche hier nur noch knapp über der Mangelgrenze.

Bei der Versorgung mit den beiden betrachteten Elementen scheint die Fichte weniger anspruchsvoll zu sein als die Buche, da sie auch bei ungünstigeren bodenchemischen Bedingungen eine überwiegend ausreichende Ernährung aufweist. Allerdings kann die Definition von Grenzwerten für mangelhafte, optimale und zu hohe Nährelementgehalte unterschiedlich vorgenommen werden, wodurch hier Unsicherheiten entstehen.

Zusammenfassend betrachtet definiert die Kalkungskulisse für Bayern Gebiete mit möglicherweise mangelhafter Calcium- und / oder Magnesiumernährung auf tiefgründig versauerten Böden. Aber nur auf einem kleinen Teil der Fläche sind Ernährungsstörungen aktuell tatsächlich vorhanden. Aus Sicht der Waldernährung ist also keine flächendeckende Kalkung und Düngung notwendig. Diese Maßnahmen sollten nur gezielt in Beständen mit entsprechenden Mangelsymptomen durchgeführt werden.

Literatur

Artikel aus der LWF aktuell 78: