Auf den Flächen vergangener Sturmwurfereignisse (z.B. Vivian/ Wiebke und Lothar) haben sich mittlerweile wieder neue Wälder angesiedelt. Diese Waldflächen befinden sich nun in einer prägenden Phase des Bestandslebens: der Dickungspflege. Die einzelnen Baumarten weisen in dieser Altersphase eine sehr unterschiedliche Wuchsdynamik auf. Das birgt bei fehlerhafter oder unterlassener Behandlung die Gefahr, dass konkurrenzschwächere Baumarten für immer in diesem Bestand verloren gehen. Angesichts des Klimawandels kommt einer zweckmäßigen Steuerung der Baumartenanteile hin zu möglichst risikoarmen Beständen eine sehr große Bedeutung zu.

In der Praxis wird in dieser Phase häufig entweder zu stark oder gar nicht eingegriffen. Beides kann negative Folgen auf Stabilität und Werterwartung haben. Deshalb wurde für das Waldbautraining 2010 ein systematisches Vorgehen zur Pflege von Jungbeständen erarbeitet. Hierbei erfolgt eine punktuelle Beurteilung der Eingriffsnotwendigkeit in regelmäßigem Turnus. Damit kann die Eingriffsstärke auf der Fläche individuell gesteuert werden.

Grundsätze und Ziele für die Dickungspflege

Bei den Vorbereitungen des Waldbautrainings wurden für die Dickungspflege in einem Oberhöhenbereich zwischen vier und zwölf Metern Grundsätze und Ziele erarbeitet:

Laubbaumbestände und Mischbestände mit führendem Laubholz

  • Die Dickungen sollten dicht geschlossen sein und eine ausreichende Anzahl standortsgerechter, vitaler und gut veranlagter Optionen (zielgerechter Kandidaten) für die nachfolgende Phase der Auslesedurchforstung enthalten.
  • Selbstdifferenzierung und Astreinigung sowie Reduzierung der Zwieselbildung sind durch einen ununterbrochenen Dichtstand zu sichern. Daher sind längerfristige Unterbrechungen des Kronenschlusses zu vermeiden. Es gilt der bewährte Grundsatz "Dickung muss Dickung bleiben".
  • Eine Stammzahlreduktion würde die positive Entwicklung des Bestandes verlangsamen oder verhindern.
  • Erforderliche Eingriffe sind möglichst frühzeitig durchzuführen.
  • Nur wenn die Optionen jetzt oder im Laufe der nächsten Jahre deutlich bedrängt werden, müssen vorwüchsige Grobformen, beschädigte Bäume, Tiefzwiesel, Reiber und verdämmendes Weichlaubholz entnommen bzw. reduziert werden.
  • Bei günstigen Bestandssituationen gilt "Hiebsruhe"; in solchen Fällen sind keine aktiven Maßnahmen angesagt, da die Bestandsglieder sich selbstständig qualifizieren sollen.
  • Bei Dickungen mit schlechter Qualität ist frühzeitig zu einer vorsichtigen Positivauslese überzugehen, indem bessere Formen gezielt vom stärksten Bedränger entlastet werden. Bei Bedarf ist eine Mischwuchsregulierung zu Lasten nicht standortsgerechter Baumarten und zugunsten klimatoleranter Baumarten durchzuführen. Vitalität und Stabilität des Einzelbaumes haben in diesen Fällen in der Regel Vorrang vor der Qualität.
  • Der Eingriff umfasst maximal eine (bis zwei) Entnahme(n) pro Ar.

Nadelbaumbestände und Mischbestände mit führendem Nadelholz

  • In der differenzierten Nadelholzdickung sind in der Regel keine Eingriffe notwendig.
  • In der Dickungsphase sollte keine Stammzahlreduktion in undifferenzierten Beständen erfolgen, da diese bereits vor Dickungsschluss erfolgen muss.
  • Kriterien für die Differenzierung sind Durchmesserspreitung, Höhe und Kronenlänge.
  • Beigemischte Laubbäume und Tannen sind unbedingt zu erhalten.
  • Bei Gefahr von Stabilitätsverlusten sowie bei Lichtbaumarten wie Lärche und Kiefer wird ein frühzeitiger Übergang zur Auslesedurchforstung empfohlen.

Um die Ziele dieser Bestandsentwicklungsphase zu erreichen, ist eine systematische Bestandsanalyse erforderlich. Hierzu wurde ein Formblatt entwickelt und in den Trainingsveranstaltungen erfolgreich eingesetzt.

Vorbereitung des methodischen Vorgehens

Vor der eigentlichen Pflege des Bestandes, muss der Blick zunächst auf den gesamten Ausgangsbestand und seine Umgebung gelenkt werden. Punkte wie die Nachbareffekte, die Feinerschließung oder die Herleitung des Pflegeziels sind vorab zu berücksichtigen.

Nachbareffekte
Vor Beginn der Pflege müssen die Bestandsgrenzen unbedingt geklärt sein. Besondere Nachbareffekte, z.B. wenn an den Bestandsgrenzen Steilränder oder Windanrisse vorzufinden sind, spielen unter Umständen eine Rolle.

Feinerschließung
Die Anlage der Feinerschließung hängt vom Alter bzw. der Höhe des Bestandes und den betrieblichen Verhältnissen ab. Soll das bei der Pflege anfallende Material aufgearbeitet und aus dem Bestand gebracht werden, sind Rückegassen unverzichtbar. Der gängige Abstand beträgt 30 Meter, die Rückegassen sind meist vier Meter breit. Besteht in sehr jungen Teilbereichen des Bestandes die Gefahr, dass die Rückegassen aufgrund tiefer grüner Äste wieder zuwachsen, sollte die Gasse zuerst schmaler, etwa drei Meter breit, angelegt werden. Die tief beasteten Randbäume können ein paar Jahre später entnommen werden. Aber auch wenn das Material im Bestand verbleiben kann, sollte die Feinerschließung komplett ausgezeichnet und angelegt werden. Das ermöglicht ein effektives schematisches Vorgehen und eine gute Orientierung in den entstehenden Arbeitsfeldern.

Bestandsanalyse und Herleitung der Pflegeziele
Der Bestand muss als erstes grob nach den vorkommenden Baumarten und deren Anteilen gemustert werden. Über die örtliche Eignung der einzelnen Baumarten informieren die Standortskarte und die Baumarteneignungstabelle in Kombination mit Informationen zum klimabedingten Risiko, z.B. den Klima-Risikokarten für Bayern. Hinzu kommen die persönliche Erfahrung bei der Einschätzung der Risiken sowie die Bewertung von Stabilität und Qualität der Baumarten. Unter Berücksichtigung der betrieblichen Ziele können dann die Pflegeziele abgeleitet werden. Die hauptsächlichen Pflegeziele sind:

  • Sicherung oder Verbesserung von Stabilität und/ oder Vitalität des Bestandes
  • Steigerung der Qualität
  • Sicherung einer standortsgemäßen, klimatoleranten Baumartenmischung
  • Erhöhung der Laubholz- und/ oder Tannenanteile
  • Erhalt von Weichlaubholz in ausreichendem Umfang

Nach der Formulierung der Pflegeziele ist es hilfreich, für die einzelnen Baumarten festzulegen, wie diese in der Pflege behandelt werden sollen. Welche Baumart soll anteilsmäßig gesenkt, welche (seltenen) Baumarten sollen unbedingt gefördert werden?

Das methodische Vorgehen im Bestand

  • An 100 bis maximal 150 Punkten pro Hektar wird die Eingriffsnotwendigkeit beurteilt. Diese Beurteilung setzt eine ausreichende Begehbarkeit voraus.
  • Zur besseren optischen Verdeutlichung der Beurteilungsflächen und der räumlichen Verteilung wird systematisch alle acht bis zehn Meter eine so bezeichnete "Option" aus dem Gesamtkollektiv der Kandidaten mit einem grünen Farbband markiert (Abb. 1).
  • Die ausgewählte Option veranschaulicht beispielhaft das Pflegeziel oder die Eigenschaften von künftigen Kandidaten/ Eliteanwärtern und bildet den Mittelpunkt einer Beurteilungsfläche von rund einem Ar, auf der eine oder keine, höchstens jedoch zwei Maßnahmen stattfinden dürfen.
  • Die Option ist in zweifacher Hinsicht zu beurteilen.
    1. Wenn die Option oder weitere benachbarte Optionen direkt bedrängt werden, dann ist ein vorsichtiger (positiver) Eingriff zugunsten der Option erforderlich. Ansonsten erfolgt kein Eingriff (Abb. 3).
    2. Im Umfeld (ca. ein Ar) ist die Entnahme oder Reduktion (Ringeln, Köpfen) einer vorwüchsigen Grobform ("Superprotz") notwendig, wenn diese eine oder mehrere Optionen in absehbarer Zeit deutlich bedrängen wird oder der Superprotz später nur noch mit unverhältnismäßig hohem Aufwand und/ oder einer massiven Unterbrechung des Dichtschlusses entnommen werden kann.
  • Der Übergang zur Auslesedurchforstung (positive Auswahl einzelner Kandidaten/ Eliteanwärter) erstreckt sich, baumartenabhängig, über unterschiedlich lange Zeiträume. In der Endphase der Dickungspflege kann deshalb die ausgewählte Option bei entsprechender Eignung (z.B. frühzeitig kulminierende, qualifizierte Kirsche in der Eiche oder Birke in der Fichte) bereits eine positive Auswahl eine Eliteanwärters sein, während die Nachbar-Optionen noch nicht ausreichend qualifiziert sind. Die aktive (positive) Unterstützung dieser frühen Elitebäume ist bei allen nachfolgenden Pflegedurchgängen unabdingbar. Hierbei besteht jedoch die Gefahr, dass bestimmte Baumarten bevorzugt werden, die später den Standraum außerplanmäßig bzw. versehentlich dominieren. Es muss deshalb bei den "Frühdynamikern" wie Kirsche, Erle, Birke oder Lärche die Zahl der Elitebäume auf 15 bis 20 Bäume pro Hektar begrenzt werden, damit für die sich später qualifizierenden Hauptbaumarten ausreichend Standraum verfügbar bleibt.

Arbeitsverfahren und Pflegeauftrag
Schließlich wird der mittlere Brusthöhendurchmesser der zu entnehmenden Bäume ermittelt und das passende Arbeitsverfahren und die Geräte ausgewählt. Auch hierbei sind die Möglichkeit und Voraussetzungen des Waldbesitzers zu berücksichtigen. Abschließend kann der Pflegeauftrag konkretisiert und formuliert werden.

Tipps zum Einsatz und für die Vermittlung

Praktische Hinweise zur Durchführung
Die Optionen werden am besten mit Papierbändern gekennzeichnet. In sehr jungen Beständen können Bedränger im gleichen Arbeitsgang sofort geknickt oder mit Handgeräten bearbeitet werden. In älteren Beständen werden die Entnahmen mit Sprühfarbe oder andersfarbigen Bändern markiert. Das reine Auszeichnen (ohne Anlage der Feinerschließung) ist je nach Ausgangslage in drei bis fünf Stunden je Hektar zu schaffen.

Eine mechanisierte Holzernte wird nur in Frage kommen, wenn gleichzeitig die Feinerschließung angelegt wird. Eine gute Möglichkeit bietet auch die rege Nachfrage nach Brennholz durch Selbstwerbung. Dabei ist besonders sorgfältig auf die Schonung der markierten Optionen zu achten.

Beim langsamen Absterben durch Ringeln ist die richtige Technik ausschlaggebend. Auf Brusthöhe muss die Rinde in einem zehn bis 15 Zentimeter breiten Band stammumfassend einschließlich Kambium gründlich entfernt und mit der Drahtbürste nachgearbeitet werden (z.B. mit Kambiflex). Wird zu tief und zu breit geschnitten, kann der Baum zu schnell absterben. Legt sich dann die Krone auf die nebenstehende Option, wird diese häufig geschädigt oder entwertet. Die zu schnelle Lichtgabe kann zudem Wassersreiserbildung oder mangelnde Astreinigung bewirken. Dagegen kann der Baum unbemerkt belassene Saftbrücken im Kambium wieder überwallen. Der Bedränger kann unbeabsichtigt weiterwachsen und Schaden anrichten

Was ist anders, was ist neu?
Der Blick geht auf die positiven Bestandsglieder und die gewünschten Baumarten. Diese könnten beim reinen Blick auf die negativen Bestandsglieder leicht in der Konkurrenz untergehen und bis zum nächsten Eingriff bereits verschwunden sein.

Durch die Auswahl der Optionen wird der Bestand in Beurteilungsflächen von etwa einem Ar unterteilt. Damit fällt es leichter, den Fokus auf die gewünschten Mischbaumarten zu richten.

Vielfältige Anwendungsbereiche
Bestände mit dichter, schlecht oder nicht differenzierter Nadelholznaturverjüngung sind meist schwierig begehbar. Hier ist eventuell ein schematisches, maschinelles Verfahren sinnvoll. Aber auch in diesen Fällen kann auf die beschriebene Weise die Förderung von Stabilität und Struktur bestens gelingen.

Auch die Mischungsregelung in sehr jungen Beständen mit Oberhöhen zwischen 1,5 und drei Metern funktioniert mit diesem Verfahren sehr gut.