Die aktuellen Humusvorräte von Waldböden der Bayerischen Alpen sollten abhängig von Standort, Nutzung und Bestandestyp erfasst werden. Dazu wurden insgesamt 241 Bodenprofile und 42 Transekt-Linien angelegt und beprobt. Ein Schwerpunkt der Aufnahmen lag auf alten Probeflächen im Berchtesgadener Land und Bodendauerbeobachtungsflächen in den Bayerischen Alpen. So konnte einerseits die aktuelle Bodenhumusausstattung, andererseits die Veränderung des Kohlenstoffvorrats im Boden erfasst werden.

Humusausstattung und Standort

Die Waldböden der Bayerischen Alpen enthalten durchschnittlich 10,9 Kilogramm organischen Kohlenstoff (OC) pro Quadratmeter – das entspricht rund 218 Tonnen Humus pro Hektar. 30 Prozent des OC sind in der organischen Auflage gespeichert. Die Humusausstattung verschiedener Bodentypen variiert jedoch stark (Abb. 2). Besonders humusreich sind Tangelrendzinen, gefolgt von Felshumus-Böden. Hier sind 70 bis 100 Prozent des Humusvorrats in der organischen Auflage gespeichert, bei den anderen Böden hingegen nur maximal 20 Prozent. Rendzinen und pseudovergleyte Braunerden weisen unterdurchschnittliche Humusvorräte auf. Auch das geologische Ausgangssubstrat spielt eine wichtige Rolle. Tendenziell haben höher gelegene Waldorte mit niedrigerer Lufttemperatur auch höhere Bodenhumusvorräte.

Humusschwund und historische Nutzung

Die Alpen sind eine seit Jahrhunderten vom Menschen genutzte Kulturlandschaft, auch die Wälder. Die Humusvorräte sind daher vor dem Hintergrund der Nutzungsgeschichte zu sehen. Vermutlich wurden die Bodenhumusvorräte im Laufe der Jahrhunderte vielerorts durch teilweise unpflegliche Eingriffe vermindert. An einigen wenigen schwer zugänglichen Stellen existieren heute noch kleine Waldflächen mit Urwaldcharakter. Ein Vergleich zeigt, dass historische forstliche Nutzung auf Dolomit- und Hartkalkstandorten (Bodenhumusvorräte besonders hoch und überwiegend in der organischen Auflage lokalisiert) zu beträchtlichem Humusschwund führte. Dieser erfolgte wahrscheinlich überwiegend während der ersten, im Vergleich zu heutigen Nutzungsverfahren weitaus weniger pfleglichen Eingriffe.

Humusschwund und aktuelle Nutzung

Zwischen 1987 und 2011 nahmen die Humusvorräte im Oberboden (=organische Auflage + Mineralboden bis 30 Zentimeter Tiefe) auf den 13 untersuchten Bodendauerbeobachtungsflächen im Mittel um 14 Prozent ab. In den Böden des Berchtesgadener Landes war der mittlere Humusschwund zwischen 1976 und 2011 mit 17 Prozent etwas stärker ausgeprägt (Abb. 3).

Der Humusschwund war in den humusreichsten Böden am stärksten. Böden mit bereits geringer Humusausstattung (<8 t OC/m2) zeigten hingegen nur sehr geringe Humusverluste oder eine leichte Zunahme der Bodenhumusvorräte. Auf der Mehrheit der untersuchten Waldorte fand während des Untersuchungszeitraums keine forstliche Nutzung statt. Die Humusverluste resultieren also nicht aus der forstlichen Nutzung, sondern sind vermutlich eine Folge des Klimawandels.

Humusschwund und Temperatur

Die Daten der drei in den Alpen gelegenen Waldklimastationen (Tab. 1) belegen einen deutlichen Ost-West-Gradienten hinsichtlich der Veränderungen der mittleren Jahreslufttemperatur:

Der Temperaturanstieg schwächte sich in den letzten 25 Jahren deutlich ab und kehrte sich in Sonthofen sogar in einen (allerdings nicht signifikanten) Temperaturrückgang. Der Trend ansteigender Lufttemperaturen ist im Sommerhalbjahr (April bis September) besonders stark ausgeprägt und fast ausnahmslos statistisch signifikant. Im Winterhalbjahr sank hingegen die Lufttemperatur vor allem in den Allgäuer Alpen in den letzten 25 Jahren ab. Die ansteigenden Lufttemperaturen wurden von beträchtlich sinkenden Niederschlagssummen begleitet. Allerdings schwankten die Niederschläge in den einzelnen Jahren stark, weshalb deren Abnahme nicht statistisch signifikant abzusichern war.

Humusschwund und Umweltfaktoren

Zentrales Anliegen war herauszufinden, welche Umweltfaktoren für den Humusschwund verantwortlich sind. Es ergaben sich folgende Beobachtungen:

Humusschwund und Konsequenzen für die Forstwirtschaft

Eine wichtige Funktion des Bodenhumus ist die Speicherung von pflanzenverfügbarem Wasser. Künftig ist von einem weiteren Anstieg der sommerlichen Lufttemperatur und Häufung extremer Wetterlagen (z.B. Trockenphasen, Starkregen), wachsenden Waldschutzrisiken und zunehmender Ablösung der bisherigen Wärmelimitierung des Baumwachstums durch Wasserlimitierung auszugehen. Daher ist es eine zentrale Aufgabe nachhaltiger Forstwirtschaft in den Alpen, dem Bodenhumusverlust aktiv entgegenzuwirken, also Bodenhumusvorräte trotz des Klimawandels zu bewahren oder sogar zu steigern (Humuspflege). Die Humuspflege umfasst eine standorts- und bestandesspezifische Kombination waldbaulicher, jagdlicher und erntetechnischer Maßnahmen:

  • Stark aufgelichtete Wälder neigen insbesondere in südexponierten Lagen zu Vergrasung und besonders starkem Humusschwund infolge mikrobiellem Humusabbau und Bodenerosion. Sie müssen rasch und dauerhaft unter ausreichend dichte standortsgemäße Bestockung gebracht werden.
  • Kalamitäten sind oftmals mit erheblichen Humusverlusten verbunden. In Beständen, die aufgrund ihrer Baumartenzusammensetzung oder Altersstruktur instabil sind, sollten langfristige Verjüngungsverfahren angewendet werden. So kann eine hinsichtlich Alter und, wo standörtlich möglich, Baumartenzusammensetzung vielfältige Bestandesstruktur geschaffen und dauerhaft erhalten werden.
  • Voraussetzung für den Erfolg waldbaulicher Maßnahmen ist ein angepasstes Wildmanagement.
  • Auf degradierten oder degradierungsgefährdeten Standorten sollten Ernterückstände und auch Totholz (unter Berücksichtigung von Waldschutzaspekten) weitestgehend im Bestand belassen werden.

Das im WINALP-Projekt entwickelte Informationssystem ermöglicht unter anderem die räumliche Identifikation von Waldbeständen mit besonders kritischer Bodenhumusausstattung. Das Waldinformationssystem Nordalpen ist ein hervorragendes Hilfsmittel zur regionalen Optimierung der Balance zwischen forstlicher Nutzung, Bodenschutz und Humuspflege.