Vom Recht des Waldbesitzers auf angemessene Entschädigung von Wildschäden in Naturverjüngungen wird in der Praxis sehr selten Gebrauch gemacht. Ein wesentlicher Grund liegt darin, dass kein geeignetes Bewertungsverfahren zur Verfügung steht, mit dem rasch und kostengünstig der Schaden in Naturverjüngungen erfasst werden kann.

Alle derzeit gebräuchlichen Verfahren sind auf die Bedingungen von Pflanzungen abgestimmt, in denen Pflanzenzahlen, Baumarten und Baumartenmischung die Zielsetzung des Waldbesitzers klar zum Ausdruck bringen und bei denen die aufgewandten Kosten leicht erfassbar sind.

Ist Wildschadensbewertung "objektiv"

Bedingt durch die langen Produktionszeiträume in der Forstwirtschaft und die Schwierigkeit, eine annähernd präzise Prognose der Auswirkungen des Wildverbisses über viele Jahrzehnte hinweg zu machen, ist jede Art der Wildschadensbewertung im Wald naturgemäß mit vielen Unwägbarkeiten behaftet. Die "Objektivierung" eines Verfahrens zur monetären Bewertung von Verbissschäden kann daher nur auf dem Hintergrund des jeweiligen Stands des Wissens und aufgrund von Konventionen zwischen Bewertungsspezialisten und den an der Bewertung beteiligten Interessengruppen erreicht werden.

Grundgedanke des FVA-Ansatzes ist, ein Verfahren zu entwickeln, dessen Verfahrenselemente sich für ein "gerichtsfestes" Messverfahren ebenso eignen wie für eine schnelle und doch fundierte Schadensschätzung. Der einzige Unterschied zwischen Schätz- und Messverfahren liegt in der Intensität der Verbissaufnahmen und der Auswertung. Das Verfahren soll hierbei so einfach sein, dass es jeder Revierförster, Jäger oder Waldbesitzer nach einer kurzen Schulung selbst durchführen kann.

Wichtige Elemente des Verfahrens

Die Verbissaufnahme erfolgt in streng systematisch verteilten Probekreisen von jeweils 10 m2. Jedem Probekreis wird eine Schadstufe zugeteilt. Diese Bewertung erlaubt eine schnelle Schadensbewertung und die Berücksichtigung der meist sehr ungleichen Verteilung der Verjüngung. Mit Hilfe einer 2 m-Messlatte (ein Stock eignet sich auch), an der Markierungen für den Radius des Probekreises (=1,78 m) sowie Markierungen für die aufzunehmenden Höhenstufen angebracht sind (vgl. Abb. 1), lässt sich sowohl eine Messung als auch eine Schätzung einfach und schnell durchführen.

In den zum Teil sehr stammzahlreichen Naturverjüngungen ist die Angabe von waldbaulichen Soll-Werten für jede Baumart notwendig (Pflanzenzahl je Hektar), um anhand eines Soll-Ist-Vergleichs den Wildschaden bewerten zu können. Der Soll-Wert ist die je nach Baumart notwendige Baumzahl pro Hektar in der Höhenstufe bis 130 cm, um ein vom Waldbesitzer definiertes Ziel erreichen zu können.

Durch eine Gewichtung der unterschiedlichen Höhenstufen wird berücksichtigt, dass in Naturverjüngungen die Pflanzenzahl mit zunehmender Höhe abnimmt. Dadurch können waldbauliche Soll-Werte für jede der vier Aufnahmehöhenstufen formuliert werden. Je niedriger also die Verjüngung ist, desto höher liegt der zugehörige Soll-Wert. Die höhenbezogene Abstufung der Soll-Werte wurde aus dem Verhältnis von Standraum zu Höhe abgeleitet.

Schaden durch Entmischung der Baumarten

Ausgehend von der Annahme, dass ein 100 %-iger Leittriebverbiss aller Pflanzen zu einem Zuwachsverlust von einem Jahr führt, wurde als maximaler Schadensbetrag der baumartenbezogene durchschnittliche Deckungsbeitrag einer Betriebsklasse bestimmt. Zwischen dem maximalen Schaden (durchschnittlicher Deckungsbeitrag/ha*Jahr) und "kein Schaden" wird ein linearer Schadensverlauf angenommen. Die Schadenstabelle mit vier Schadklassen baut darauf auf:

  • Schadklasse vier bedeutet 76-100 % Schaden,
  • Schadklasse drei 51-75 %,
  • Schadklasse zwei 26-50% und
  • Schadklasse eins 1-25 %.

Jede verbissrelevante Baumart in jedem Probekreis wird einer dieser Schadklassen zugewiesen. Die bestandesbezogene Schadklasse ergibt sich aus dem Durchschnittswert der auf die Probekreise bezogenen Schadklassen.

Das Bundesjagdgesetz nennt zwei Meldetermine pro Jahr, zu denen Wildschaden fristgemäß angemeldet werden muss. Nur der Schaden, der im zurückliegenden Halbjahr entstanden ist, ist entschädigungspflichtig. Da sich Entmischungsprozesse immer über einen längeren Zeitraum hinziehen, ist eine angemessenen monetäre Bewertung der Entmischung schwierig.

Das FVA-Verfahren umgeht diese Schwachstelle im Gesetz, indem es mit der Anmeldung des Wildschadens zugleich "drohenden Ausfall der Mischbaumarten" anmeldet. Nach drei aufeinander folgenden Jahren, in denen Wildschaden in Rechnung gestellt und zugleich "drohender Ausfall der Mischbaumarten" angemeldet wurde, kann nun bei tatsächlich erfolgter Entmischung diese zusätzlich zum Zuwachsverlust im Anhalt an die MLR - Richtlinie "Förderung Nachhaltige Waldwirtschaft" berechnet werden. Nach dieser Richtlinie können gemischte Naturverjüngungen mit bis zu 740 Euro/ha gefördert werden.