Seit das Schwarzwild nach extrem starken Bestandszunahmen in Baden-Württemberg wieder flächendeckend vorkommt und regional auch hohe Dichten erreicht, ist die Wildschadensproblematik ein Dauerthema, das Landwirte, Jäger, Verbände und Behörden bewegt. Mit der Höhe und Häufigkeit von Schäden wächst das Konfliktpotenzial. Das Verhältnis zwischen Landwirten und Jägern wird emotionsgeladener. Gegenseitige Vorwürfe und Schuldzuweisungen bleiben nicht aus.

Das rasante Wachstum der Biogaserzeugung seit 2004 bringt weiteren Zündstoff in die Diskussion, denn ausgerechnet der besonders wildschadensgefährdete Mais ist die wichtigste Energiepflanze für die Biogasanlagen. Silomais liefert hohe Biomasseerträge und ist im Anbau mit sich selbst verträglich. Hohe Anbauanteile sind daher in der Fruchtfolge möglich. Im Umfeld von Biogasanlagen verändert sich entsprechend die Landschaft. Vermehrter und großflächiger Maisanbau erhöht das Wildschadensrisiko. Zugleich werden die Möglichkeiten zur Bejagung und Wildschadensverhütung verschlechtert.

Größenordnung von Wildschäden

Trotz der zentralen Bedeutung der Wildschäden gibt es keine landesweiten Erhebungen zur Entwicklung der Wildschäden. Vollständige und nachprüfbare Daten stehen nicht zur Verfügung, denn nach wie vor werden die meisten Wildschadensfälle ohne behördliches Vorverfahren abgewickelt, weil sich Landwirt und Jäger gütlich über die Schadensregulierung einigen. Zur Einschätzung der Bedeutung von Schwarzwildschäden kann daher nur auf Ergebnisse von Abfragen oder auf bestimmte Einzelfälle zurückgegriffen werden.

Eine Fragebogenaktion der Wildforschungsstelle Baden-Württemberg ergab für das Jagdjahr 2000/01 folgende Ergebnisse aus 881 Jagdrevieren: Am häufigsten und teuersten waren Schäden im Grünland, an zweiter Stelle lagen Schäden im Mais, gefolgt von den übrigen Getreidearten. Ein Schaden im Grünland kostete im Schnitt 532 € (Maximum pro Fall: 7.670 €), im Mais durchschnittlich 350 € (Maximum pro Fall: 4.630 €). Der maximale Gesamtschaden in einem Revier betrug 11.000 €. Eine aktuellere Umfrage liegt vom Landesjagdverband aus 509 Revieren im Jahr 2008 vor. In Revieren mit Wildschäden im Feld waren im Schnitt 828 € Wildschadensersatz fällig. Der größte Schaden in einem Revier betrug 15.000 €.

Die Zahlen machen deutlich, dass Schwarzwildschäden nicht nur für die Landwirtschaft ein Ärgernis sind. Sie sind auch ein großes finanzielles und nicht kalkulierbares Risiko für jeden Jagdpächter, der mit dem Pachtvertrag die Verpflichtung zur vollen Übernahme des Wildschadensersatzes eingegangen ist. In zunehmender Zahl sind Jagdbezirke mit hohem Feldanteil und hohem Wildschadensrisiko daher nicht mehr zu den bisher üblichen Bedingungen zu verpachten.

Problemlösung durch Kooperation

Die Probleme lassen sich nur durch Kooperation auf verschiedenen Ebenen lösen. Die wichtigste Maßnahme zur Vermeidung übermäßiger Wildschäden ist und bleibt die Einregulierung der Schwarzwildbestände auf ein tragbares Dichteniveau. Eine ausreichende Bestandsregulierung kann nur großflächig und revierübergreifend erfolgen. Die enge Zusammenarbeit von Feld- und Waldrevieren sowie von privaten und staatlichen Jagdbezirken ist dabei unumgänglich. Die erforderlichen Maßnahmen für ein zielführendes Schwarzwildmanagement, aber auch die zum Teil immer noch bestehenden Hindernisse, die einer gedeihlichen Kooperation entgegen stehen können, wurden bei den Schwarzwildseminaren der Wildforschungsstelle Baden-Württemberg herausgearbeitet.

Die Zusammenarbeit zwischen Landwirten und Jägern ist von zunehmender Bedeutung im Zuge des Strukturwandels in der Landwirtschaft. Es gibt viele Maßnahmen, die Landwirte und Jäger gemeinsam planen und in Angriff nehmen können. Folgende Maßnahmen zielen unter anderem auf die Erleichterung der Schwarzwildbejagung im Feld, auf die Unterstützung der Jäger bei der Wildschadensverhütung sowie auf eine Verbesserung der Kommunikation ab:

  • Zwischen Mais und Wald einen Mindestabstand von 5 bis 10 m lassen; den Randstreifen Jägern/Jägerinnen zur Pacht überlassen;
  • Ertragsgeringe Streifen am Waldrand entfernen und besonders gefährdete Äcker zuerst ernten;
  • Wahlmöglichkeiten im Rahmen der Fruchtfolge ausschöpfen (keine besonders gefährdeten Kulturen in Einstandsnähe anlegen);
  • Bruchkolben/Ernterückstände nicht unterpflügen;
  • Informationsfluss über Sichtungen, Spuren, Schäden verbessern;
  • Termine für Aussaat und Ernte rechtzeitig mitteilen;
  • Schuss-Schneisen anlegen (erste Versuche im Rahmen eines DJV-Projekts laufen);
  • Elektrozäune aufbauen und pflegen (Platz für Zaunbau schaffen bzw. bereits bei Aussaat aussparen);
  • Kleine Grünlandschäden am besten sofort beseitigen; Eigenleistung des Jagdpächters zulassen;
  • Grünlandschäden nach der letzten Mahd erst im Frühjahr beseitigen.

Lokal gibt es Ansätze für eine sehr gute Zusammenarbeit, wobei das jeweilige Verhältnis zwischen Landwirt/in und Jäger/in eine wichtige Rolle spielt. Allgemein ist ein noch intensiverer Austausch zwischen Landwirt/in und Jäger/in erforderlich, um die Möglichkeiten zur Umsetzung von Maßnahmen zu steigern. Zusätzlich gibt es auch bürokratische Hemmnisse. Solange Unklarheiten bestehen, ob und in welcher Weise Flächen, die der Wildschadensverhütung und Erleichterung der Bejagung dienen sollen (wie Schuss-Schneisen, Abstandsflächen zum Waldrand oder zum Nachbarfeld), im gemeinsamen Antrag berücksichtigt werden müssen, wird sich kein/e Landwirt/in auf die Bereitstellung solcher Flächen einlassen. Hier ist die Politik gefordert, Klarheit zu schaffen und Erschwernisse abzubauen.

Verpachtbarkeit der Jagdflächen gewährleisten

Schließlich sollten sich auch die Verpächter/innen (Gemeinden und Jagdgenossenschaften) vermehrt einbringen und Zugeständnisse machen, um die Verpachtbarkeit der Jagdflächen zu gewährleisten. Aufgabe der Verpächter/innen sollte zunächst sein, die Kooperation auf allen Ebenen einzufordern und zu fördern. Darüber hinaus können die Verpächter/innen verschiedene Beiträge zur Unterstützung der Jagd leisten. Positive Beispiele sind unter anderem die Optimierung der Reviergrenzen im Sinne einer guten Bejagbarkeit, die Bereitstellung von Elektrozaunmaterial zur Wildschadensverhütung und geeigneter Geräte zur Reparatur von Grünlandschäden, die Unterstützung revierübergreifender Jagden (z. B. durch Organisation der Verkehrssicherung). Einige Gemeinden in Baden-Württemberg testen derzeit auf eigene Bedürfnisse abgestimmte Modelle zum Wildschadensersatz, die das Risiko für die Jagdpächter/innen begrenzen oder zumindest Spitzenbelastungen abfangen sollen. Auch die Einführung von Wildschadensausgleichskassen (WSK) wird zunehmend in Erwägung gezogen. Erste Daten zum Ausmaß von Schäden nach Einführung einer WSK liegen aus den Gemeinden Rottweil und St. Johann vor.