Sämtliche Maßnahmen, die nach großflächigen Wind- und Käferkatastrophen zur Wildschadensprophylaxe in Betracht kommen, sind wesentlich effizienter, wenn sie eingebettet sind in ein Gesamtkonzept und zum jeweils optimalen Zeitpunkt sowie in wechselseitiger Abstimmung aufeinander - also "strategisch" optimal - eingesetzt werden.

Die Erarbeitung eines Risiko-Minderungskonzeptes mit raumplanerischer Abstimmung forstlicher, wildökologischer sowie einforstungsrechtlicher und touristischer Maßnahmen ist somit dringend zu empfehlen. Bei gleichzeitigem Vorkommen mehrerer Schalenwildarten mit womöglich saisonalen Raumnutzungsänderungen wird eine solche Planung noch anspruchsvoller.

Die größten Herausforderungen warten in Rotwildgebieten, wo in der Phase nach gelungener Waldverjüngung das Äsungsangebot markant zurückgeht und das Schälrisiko in Dickungen und Stangenhölzern enorm ansteigt. Hier eine Checkliste mit einigen Anhaltspunkten zur systematischen Herleitung Erfolg versprechender Maßnahmen(-kombinationen) und zur Reduktion vermeidbarer Wildschadens-Risiken.

1. Schritt: Erarbeiten wildökologisch-waldbaulicher Prognosen zur Auswahl geeigneter Maßnahmen und zur Prioritätensetzung

  • Erstellung aktueller Altersklassenkarte (neue Freiflächen durch Wind/Käfer), um die Einflussfaktoren auf die Habitatqualität (Einstand, Äsung) und auf die Wildschadenanfälligkeit des Waldes (Verbiss, Fegen, Schälung) herauszufiltern
  • Räumliches Verteilungsmuster ("Altersklassen-Textur": Einstände, Äsung)
  • Baumartenzusammensetzung (vor allem Lage fichtendominierter Bestände)
  • Wüchsigkeit (Entwicklungsgeschwindigkeit, Pflegebedarf) – Zeitdruck?

2. Schritt: Herausarbeiten von Wildschadens-Hochrisiko-Gebieten und -Phasen in Abhängigkeit von der lokalen Waldentwicklung (kurz-/mittelfristig)

  • Kurzfristig: Auf hochstaudenreichen Waldstandorten mit üppiger Konkurrenzvegetation - Erhöhte Verdämmungsgefahr für bereits vorhandene Naturverjüngungsansätze bei wachstumshemmendem Verbiss (kann z.B. sofortige Schwerpunktbejagung unmittelbar nach Windwurf/Käferschaden erfordern)
  • Kurz-/mittelfristig: Ansteigen der Schalenwilddichte durch großflächig reiches Äsungsangebot auf den Windwurf-/Käferflächen bei abnehmender Bejagbarkeit
  • Mittelfristig: Stark erhöhte Schälgefahr in den künftigen Dickungs- und Stangenholzkomplexen wegen stark rückläufigen Äsungsangebotes und schwieriger Bejagbarkeit (besonders bei vorangegangener Zunahme des Schalenwildbestandes)
  • Mittel-/langfristig: Außerhalb dieser stark vermehrten deckungsgünstigen Einstandsgebiete künftig stark steigender Verbissdruck auf den flächenmäßig verringerten Verjüngungsflächen (ausgeprägter "Stall-Trog-Effekt")
  • Erarbeitung eines Risiko-Minderungskonzeptes mit raumplanerischer Abstimmung forstlicher, wildökologischer sowie einforstungsrechtlicher und touristischer Maßnahmen (siehe Punkt 3), wobei das Maßnahmenkonzept möglichst auch in die Planungen für die Jagdrevier-Vermarktung und in die mittelfristige forstliche Planung (zum Beispiel Forsteinrichtung) einfließen soll!

3. Schritt: Räumlich-zeitliches Maßnahmenbündel - aufbauend auf die vorangegangene Risiko-Prognose (Schritte 1 und 2)

Besiedlungsanreiz und Raumnutzung des Schalenwildes steuern zur Reduktion des Wildschadensrisikos
  • Vorsicht bei Bestandes-"Begradigungen" (Steilränder schaffen zusätzlichen Besiedlungsanreiz durch Randlinien-Effekt, vor allem für Rehe)
  • Frühzeitige Läuterung, Dickungspflege und Durchforstung mindern den Besiedlungsanreiz und schaffen Ablenk-Äsung (senkt Wildschadensgefahr)
  • Wildlenkung durch Schwerpunktbejagung, Ruhezonen und Winterfütterung; bei Bedarf Überarbeitung des Überwinterungskonzeptes für Rot- und Rehwild
  • Abseits der Risikoflächen den Jagddruck senken (effiziente Abschusserfüllung, z.B. mittels Intervallbejagung; auf Kahlwild in Bergwaldgebieten unter anderem mittels Bewegungsjagd). Dadurch erzielt man weniger scheues Wild, das Äsungsflächen auch tagsüber nutzt.
Optimale Bejagbarkeit sicherstellen (siehe auch oben: Jagddruck senken)
  • Freiflächen, Steigenetz, Schussschneisen, angepasste Reviereinrichtungen
  • Finanzielle Förderungsmöglichkeiten nutzen (flächenwirtschaftliche Projekte, Schutzwaldsanierung; wie für Steigenetz); bei Bedarf jagdliche Sondermaßnahmen, beispielsweise Schonzeitabschüsse, Klassenaufhebung, spezielle Jagdmethoden
  • Bei Bedarf Neuabgrenzung von Jagdgebieten vorbereiten (für neue Jagdperiode)
  • Sofern möglich, zielorientierte Unterteilung von Jagdrevieren vornehmen (kurzfristig während der Jagdperiode; z.B. Problembereiche herauslösen und gesondert als Abschuss-/Pirschvertrag an geeignete Jagdkunden vergeben)
Wildschaden-Anfälligkeit des Waldes senken (bessere Ausgewogenheit zwischen Einstand und Äsung herstellen – Steuerung der Tragfähigkeit des Waldes)
  • Baumartenwahl, frühzeitige Läuterung, Dickungspflege und Durchforstung
  • Kahlschläge mit stammzahlarmer Kunstverjüngung im Umfeld zugewachsener Katastrophenflächen möglichst vermeiden (Risikobereich) - stattdessen Naturverjüngungsbetrieb mit erwünschten Baumarten fördern
  • Flankierende Maßnahme: Lokaler Einzel-/Flächenschutz (befristet durch den Grundeigentümer finanzieren; im Rahmen eines Gesamtkonzeptes eventuell Landes-Fördermittel beantragen)

Literatur-Hinweis

Umfassende Broschüre über die grundsätzliche Vorgangsweise bei der Beurteilung und Gestaltung von Wildlebensräumen: Reimoser, F., Reimoser, S., Klansek, E., 2006: Wild-Lebensräume. Habitatqualität - Wildschadenanfälligkeit - Bejagbarkeit. Zentralstelle Österreichischer Landesjagdverbände. Wien (136 Seiten, 260 Fotos); bestellbar bei der Zentralstelle, Tel. 01-4051636, Preis: 14 €)

Kontakt

Friedrich Völk, Österreichische Bundesforste AG, Pummergasse 10 – 12 A-3002 Purkersdorf, Österreich

Friedrich Reimoser, Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie, Veterinär-Medizinische Universität Wien, Savoyenstraße 1, 1160 Wien, Österreich