Misteln sind Halbparasiten. Sie betreiben selbst Photosynthese, entnehmen aber Wasser und mineralische Nährsalze vom Wirt. Dazu zapfen sie die Wasserleitbahnen der Wirtspflanzen an.

Die Samen der Misteln beginnen im Frühjahr auf den Zweigen ihrer Wirtspflanzen zu keimen. Allerdings streckt sich der Keimling nicht dem Licht entgegen, sondern krümmt sich zur dunklen Wirtsrinde. Die Keimblätter fungieren als Haftscheibe, die den Keimling auf der Rinde des Wirtes festhält. Aus dieser Haftscheibe versucht ein Primärsenker die Rinde des Wirtes zu durchwachsen und Anschluss an sein Kambium zu finden. Dann beginnt der Wettlauf zwischen dem Dickenwachstum des Astes und dem Wachstum der Mistel. Sehr vitale Bäume können den Primärsenker mit ihrem Dickenwachstum überwallen. Die Mistel stirbt ab.

Weniger vitale Bäume schaffen das nicht. So können sich Misteln unmittelbar nach Trockenperioden erfolgreicher auf ihren Wirten ansiedeln. Mit zunehmender Vitalität der Wirtspflanzen nimmt die Besiedelungsrate der Mistel ab. Im Folgenden werden zwei Arten besprochen, die im Klimawandel zunehmende Bedeutung erlangen dürften.

Die Weiße Mistel an der Kiefer

Die Waldkiefer (Pinus sylvestris) ist ein Überlebenskünstler im Umgang mit Wasser. Ihre Nadeln sind mit wasserundurchlässigen Wachsschichten überzogen. Bei Trockenheit kann sie sehr schnell die Atemöffnungen der Nadeln verschließen. Dadurch wird verhindert, dass Wasser verdunstet. Die Kiefer kann mit dem zur Verfügung stehenden Wasser haushalten.

Die Weiße Mistel (Viscum album), die unter anderem die Kiefer befällt (Abb. 1), schränkt ihren Wasserverbrauch dagegen nicht ein. Mit ihrem verschwenderischen Lebensstil schwächt die Mistel in Trockenjahren und bei starkem Befall ihren Wirt. Gleichzeitig bereitet sie dadurch auch die Voraussetzungen für einen weiteren Befall. Zum einen kann die geschwächte Kiefer neu keimende Misteln schwerer überwallen, zum anderen verbessert der beginnende Nadelverlust des Wirtes die Lichtbedingungen in der Krone.

Vor allem in den inneralpinen Trockentälern der Schweiz wurde im letzten Jahrzehnt zunehmend beobachtet, dass die Mistel beim Absterben der Kiefern in den dortigen Kiefern-Flaumeichen-Wäldern eine Rolle spielt. Höhere Temperaturen bei gleichbleibenden Niederschlägen setzen die Kiefern unter Trockenstress. Auf den Versuchsflächen der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) im Wallis waren bis zu zwei Drittel aller Kiefern mit Misteln besiedelt. Nach Trockenjahren hatten Kiefern mit starkem Mistelbefall höhere Nadelverluste. Diese wiesen die höchsten Absterberaten auf. Allerdings ist eine Bekämpfung der Mistel in stark befallenen Kiefernbeständen sehr arbeitsaufwendig und wird nicht empfohlen.

In warmen und trockenen Kieferngebieten, wie im Wallis, im Oberrheingraben oder in der Rhein-Main-Ebene, ist der Mistelbefall vergleichsweise hoch. In Bayern ist der Mistelbefall mit Ausnahme einzelner Bestände und weniger Regionen niedrig. Aber auch hier wird die Befallsrate im Zuge der Klimaerwärmung voraussichtlich steigen. Die Mistel wird sowohl die Schwächung der Kiefer anzeigen, als auch die Widerstandskraft der Kiefer gegen andere Stressfaktoren zusätzlich schwächen.

Die Eichenriemenblume an der Eiche

Die Eichenriemenblume oder Eichenmistel (Loranthus europaeus) ist in Südosteuropa verbreitet. Im Gegensatz zur Weißen Mistel wirft die Eichenriemenblume ihre Blätter im Herbst ab. Dann reifen auch ihre gelben Beeren (Abb. 2), die von Drosselarten verbreitet werden.

Deutschland hat sie mit einem Vorposten im Elbtal, südöstlich von Dresden, erreicht. Die isolierte Population mit etwa 25 Individuen auf Stieleichen ist das einzige deutsche und zugleich das nördlichste Vorkommen. Häufiger ist die Art im benachbarten Tschechien, in Niederösterreich, im Burgenland und in Ungarn. In den Befallsgebieten Österreichs bereitete vor einigen Jahren starker Eichenmistelbefall, insbesondere in Mittelwäldern, forstliche Probleme.

Die Eichenmistel befällt nur Eichenarten und die Edelkastanie. Eichen mit dünnerer Borke werden leichter infiziert. So nimmt die Befallsintensität von der Zerreiche über Stiel- und Traubeneiche hin zur Roteiche deutlich zu. Die Art hat einen hohen Wärmeanspruch. Bei weiterer Klimaerwärmung ist es wahrscheinlich, dass die Eichenriemenblume über die Täler von Donau und Elbe weiter nach Deutschland einwandert.

Literatur

Artikel aus der LWF aktuell 72: