Der Jahrhundertsommer 2018 führte in den Fichtenbeständen in NRW zur größten Borkenkäferkalamität seit 1947. Buchdrucker und Kupferstecher stellen den Waldbesitz vor gewaltige Herausforderungen, da sie die Fichtenwälder großflächig zum Absterben bringen können.

Hohe Temperaturen und Niederschlagsdefizite

In erster Linie durch die außergewöhnlich hohen Temperaturen von April bis August 2018 und durch das zu beklagende sehr hohe Niederschlagsdefizit (in Deutschland ‑150 mm oder ‑40,6 % gegenüber dem langjährigen Mittel) haben sich landesweit in diesem Sommer bislang nicht vorgekommene Dichten von Borkenkäferpopulationen aufbauen können. Die Käfer hatten leichtes Spiel, da durch den Trockenstress die natürliche Abwehr der Fichten gegen diese Eindringlinge – die Harzproduktion – in diesem Jahr mehr oder weniger ausfiel. Erschwerend kam hinzu, dass in einigen Teilen des Landes das durch Winterstürme verfügbare bruttaugliche Holz im Frühjahr sehr schnell von diesen Rindenbrütern besiedelt werden konnte und vielerorts die Stürme angerissene und für den Käfer attraktive offene Waldränder hinterließen.

Käferdichte

Bei der am 23. August 2018 durchgeführten Momentaufnahme zur Überprüfung unterschiedlicher Entwicklungsstadien von Buchdrucker und Kupferstecher in fünf Regionalforstämtern waren pro Stamm für Buchdrucker durchschnittlich ca. 1.600 Altkäfer, 29.000 Larven, 4.000 Puppen und in einem Fall sogar zusätzlich 471 frisch angelegte Muttergänge zu finden. Bei vorsichtiger Schätzung der möglichen Nachkommenschaft – drei Generationen und Geschwisterbruten – eines Borkenkäferweibchens von 100.000 Tieren pro Jahr, würde sich in 2019 anhand dieser Zahlen und einem Geschlechterverhältnis von 50 % ♀ : 50 % ♂ aus einem Baum eine potenzielle Nachkommenschaft von ca. 1 Mrd. 500 Mio. Käfer ergeben.

Rahmenbedingungen von heute bis Anfang März 2019

Vorab fünf Informationen als Grundlage für die einzuleitenden und unten angeführten Maßnahmen:

  • a) Derzeit wird landesweit das Volumen des Käferholzes auf ca. 2 Mio. Festmeter geschätzt. Da in vielen Bundesländern und im benachbarten Ausland die gleichen Probleme existieren, stehen nach wie vor Aufarbeitungs-, Entrindungs-, Transport- und Holzvermarktungskapazitäten nicht im notwendigen Umfang zur Verfügung. Dies wird sich auch in absehbarer Zeit nicht ändern!
  • b) Aus den vorhandenen Käferdichten, dem Käferholzvolumen und den unter a) angeführten Engpässen ist ersichtlich, dass alle bisher und auch alle unmittelbar anstehenden und in den nächsten sechs Monaten durchzuführenden Maßnahmen nur einen Anteil der erforderlichen Notwendigkeiten werden abdecken können, um eine Lösung des Käferproblems herbeizuführen. Je nach Witterungsverlauf der nächsten 12 bis 24 Monate müssen wir uns auf weitere, intensive Borkenkäferprobleme einstellen.
  • c) Das Sichtbarwerden des aktuellen Borkenkäferbefalls wird auch noch bis in die Wintermonate 2018/2019 zunehmen.
  • d) Borkenkäfer verkraften auch Temperaturen von bis zu ‑10°C. Eine Vorhersage der Mortalität und einer ggf. daraus abzuleitenden Frühjahrespopulation ist derzeit nicht möglich.
  • e) Ca. 20 % bis 50 % der Buchdrucker werden in diesem Jahr wahrscheinlich in der Rinde überwintern.

Dringender Appell

Die auf Abb. 5 aus Forstschutzgründen dargestellten Handlungsnotwendigkeiten sind dringend umzusetzen. In größeren Forstbetrieben dürfte dies kein Problem darstellen. Je kleiner die Besitzverhältnisse sind, umso mehr sind folgende nach Prioritäten geordnete organisatorische Entscheidungen zu treffen. Die dringend anzuratende Maßnahme ist die lfd. Nr. 1!

  1. Bilden von Forstschutzsolidaritätsgemeinschaften und Festlegen der forstschutzspezifischen Aufarbeitungsreihenfolge. - Wo dies nicht verwirklicht werden kann:
  2. Bilden von Aufarbeitungsblöcken. - Wo dies nicht verwirklicht werden kann:
  3. Bearbeitung der Fälle nach Eingang der Aufträge.
  • Ein Aufarbeiten trockener Fichten, welche die Käfer bereits verlassen haben, blockiert aktuell und bis ins Frühjahr 2019 hinein Aufarbeitungs-, Lagerungs- und Vermarktungskapazitäten, die dann für das dringend notwendige Entfernen der wirklichen Problembäume fehlen.

Wo sind die Käfer der dritten Generation 2018?

Bei der Auswahl der einzuschlagenden Fichten sind forstschutzspezifische Belange in erster Priorität umzusetzen, weil ein Anteil von 20 bis 50 % der Käferpopulation in der Rinde überwintert. Das Ziel dabei war und ist die Reduktion der Frühjahrskäferpopulation.

Bei der Aufarbeitung von Käferfichten (grüne Kronen) fällt derzeit die Rinde in großen Teilen ab, und darunter scheinen nur wenige Käfer zu sein. Laboruntersuchungen zeigen jedoch, dass die Buchdrucker nicht im Bereich des Kambiums vorkommen, sondern – auf den ersten Blick unsichtbar – innerhalb der Rinde in drei "Stockwerken" leben. Eine erste Hochrechnung ergab mehrere 10.000 Käfer pro Baum! Es handelt sich um die Ende August 2018 angelegte und im goldenen Oktober in der Zeitspanne von acht Wochen fertig entwickelte dritte Generation.

Konsequenzen
  1. Nach wie vor gilt, mit Käfern besetzte Fichten zu finden und diese wie nachfolgend visualisiert zu behandeln.
  2. Abgefallene Rinde ist zusammen zu tragen und wie im Ablaufschema (unten) gezeigt zu behandeln.

Maßnahmen von heute bis Anfang März 2019

Ziel 1: Reduktion der Käferausgangspopulation im Frühjahr 2019

Welche Fichten müssen entnommen werden? Woran sind diese Fichten zu erkennen?

Alle betroffenen Bestände sind abzulaufen und die Fichten auf Befallssymptome (siehe Abb. 8 und 9) hin zu untersuchen und zu markieren. Im Zuge der Feinerschließung müssen auch wenige "rote Fichten" entnommen werden. Alle in Abb. 7 mit roten Pfeilen versehenen Fichten sind zu fällen, aufzuarbeiten und die darin befindlichen Käfer unschädlich zu machen.

Die Fördermöglichkeiten des Forstschutzes werden derzeit aktualisiert, erweitert und zeitnah über den Infomeldedienst von Wald und Holz NRW veröffentlicht.

Ziel 2: Erfassen der Borkenkäfernester

Die kartografische Erfassung von Borkenkäferbefallsherden dient als Grundlage für das in 2019 erforderliche Handeln. Derzeit wird eine "Borkenkäfer-App" erstellt.

Ziel: Maximal mögliches Abschöpfen der in den Fichten überwinternden Borkenkäferpopulationen

Besondere Regelungen beim Einsatz zugelassener und genehmigter chemischer Pflanzenschutzmittel

  • a. PEFC

Die Behandlung gepolterten Holzes ist ohne Dokumentation möglich.

Bei einer Behandlung von Einzelstämmen oder Kronenresthölzern auf der Waldfläche (Holzboden- und Nichtholzbodenfläche) ist die Notwendigkeit des Einsatzes durch einen gutachterlichen Vermerk des Forstbetriebsbeamten zu dokumentieren. Hierbei ist die Ausschöpfung von Maßnahmen auf Grundlage integrierter Verfahren festzuhalten.

Als Dokumentationseinheit bietet sich der Bereich einer Forstbetriebsgemeinschaft (FBG) an. Eine Anzeige beim Zertifizierer ist nicht zwingend erforderlich.

  • b. FSC

Nach den Regelungen des Deutschen Standards ist der Einsatz von chemischen "Bioziden" grundsätzlich verboten.

Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist nur nach einer behördlichen Anordnung möglich. Wenn eine Behandlung durchgeführt wurde, darf das Holz sechs Monate lang nicht mit dem FSC Label vermarktet werden.

  • c. FFH- Gebiete

Innerhalb Nordrhein-Westfalens sind 95 % der FFH-Flächen durch NSG-Verordnungen geschützt. Für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sind hier Genehmigungen von den "Unteren Landschaftsbehörden" einzuholen.

Flächiges Befahren zum Zwecke der Mulchung

Bei PEFC wäre eine flächige Befahrung, wenn diese außerhalb der Holzernte stattfindet, zulässig – ist aber aus Bodenschutzgründen nicht zu empfehlen. Bei FSC ist diese Maßnahme grundsätzlich verboten.