Pilze haben – mit Ausnahme der essbaren Speisepilze – ein schlechtes Image. Sie befallen und zersetzen Holz, Schimmelpilze besiedeln Wohnräume, und auch an Lebensmitteln möchte man in der Regel keine Pilze vorfinden. In der Natur haben Pilze jedoch eine wichtige ökologische Funktion: Sie bauen totes, organisches Material ab, so dass dieses für andere Lebewesen wieder zur Verfügung steht.

Manchmal greifen Pilze auch lebende Organismen an. Bei Bäumen kann dies gefährlich werden; nicht nur für den befallenen Baum, sondern auch für den Menschen, weil Pilzbefall die Stand- und Bruchsicherheit eines Baumes verringern kann. In gewissen Fällen können holzabbauende Pilze aber zur Verbesserung der Holzeigenschaften führen - genauso, wie der Roquefort erst durch seinen Pilz zum besonderen Genuss wird.

Pilze beeinflussen Schallgeschwindigkeit

Mit der gezielten Holzmodifikation und ihren Anwendungsmöglichkeiten beschäftigt sich ein Team der Abteilung Holz der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in St. Gallen. Das Ziel der Forscher ist es, mit Hilfe von Pilzen wertvolles Klangholz für den Geigenbau zu erzeugen. Wie der Projektleiter Francis Schwarze erläutert, geht es nicht darum, normales Holz in hochwertiges Klangholz zu verwandeln, sondern aus bereits gutem Klangholz noch besseres zu machen.

Die Idee entstand, als Schwarze sich mit dem Pilzbefall von Strassenbäumen beschäftigte und die Schallgeschwindigkeit des Holzes nutzte, um den Grad der Holzzersetzung zu messen. Dabei stellte er fest, dass nicht alle holzabbauenden Pilze die Schallgeschwindigkeit im Holz in gleichem Masse beeinflussen. Eine hohe Schallgeschwindigkeit ist eine wichtige Voraussetzung für ein gutes Klangholz. Sie ist umso höher, je grösser das Verhältnis von Steifigkeit zu Rohdichte ist. Klangholz muss deshalb leicht sein, gleichzeitig aber eine hohe Steifigkeit aufweisen.

Pilz ist nicht gleich Pilz

Um die richtigen Pilze einsetzen zu können, ist es nötig, die Biologie der holzabbauenden Pilze zu kennen. Pilzfachleute unterscheiden zwischen Braun-, Weiss- und Moderfäulen.

  • Bei den Braunfäulen wird von den Bestandteilen des Holzes vorwiegend die sehr zugfeste Zellulose abgebaut, während das eingelagerte Lignin in leicht veränderter Form erhalten bleibt. Das zersetzte Holz erhält dadurch eine brüchige Konsistenz, die Steifigkeit nimmt rasch ab. Pilze aus dieser Gruppe kommen für die Verbesserung von Klangholz deshalb nicht in Frage.
  • Auch Weissfäulen führen zu einer Verschlechterung der Klangeigenschaften. Zwar bleiben in der Anfangsphase eines Pilzbefalls die mechanischen Holzeigenschaften erhalten. Nach einiger Zeit wird aber die stabilisierende Mittelschicht, welche die Holzzellen miteinander verbindet, abgebaut. Diese enthält Lignin und Pektin, eine klebrige Substanz, welche die Zellen zusammenhält; sie trägt damit wesentlich zu einer hohen Biegesteifigkeit bei.
  • Für die Klangholzmodifikation besonders geeignet sind hingegen die Pilze, die Moderfäulen verursachen. Ihre fadenähnlichen Hyphen wachsen bevorzugt innerhalb der sogenannten Sekundärwand der Zellen. Die Holzzersetzung führt hier zur Bildung von Kavernen, wodurch die Dichte des Holzes abnimmt. Moderfäulepilze knabbern die Zellwände sozusagen von innen her an, die Mittelschicht bleibt hingegen intakt. Ein Pilz, der nur die Sekundärwand abbaut, führt somit zu leichterem Holz, das aber über eine relativ hohe Biegesteifigkeit verfügt - exakt die Eigenschaften, die gutes Klangholz auszeichnen.

Bei einer Geige wird für die Decke Fichtenholz verwendet, für den Boden und die Seitenwände Ahornholz. Zur Verbesserung von Ahornholz haben die Forscher an der Empa bereits einen geeigneten Pilz gefunden. Weil sich Nadel- und Laubholz in ihrem Aufbau beträchtlich unterscheiden, funktioniert dieser Pilz für Fichtenholz jedoch nicht.

Wie Untersuchungen der Empa- Forscherin Melanie Spycher zeigen, gibt es aber auch eine Reihe von Pilzen, die das für den Klang relevante Fichtenholz selektiv abbauen können. In einem weiteren Schritt möchte die Materialwissenschafterin nun herausfinden, wie lange das Holz mit dem Pilz infiziert sein muss, damit möglichst gute Klangeigenschaften resultieren.

Imprägnierbarkeit von Fichtenholz

Ein anderes Projekt an der Empa hat zum Ziel, mit Hilfe eines Pilzes die Imprägnierbarkeit von Fichtenholz mit Holzschutzmitteln zu verbessern, damit dieses von anderen Pilzen und Mikroorganismen weniger befallen wird. Fichtenholz besitzt nämlich nur eine geringe natürliche Dauerhaftigkeit. Im Aussenbereich, etwa für konstruktive Anwendungen an Hausfassaden, bei Gartenbauten oder auch für Telefonmasten, muss Fichtenholz daher mit Holzschutzmitteln behandelt werden.

Bei der Imprägnierung ergeben sich jedoch Schwierigkeiten, die mit dem spezifischen Aufbau des Fichtenholzes zusammenhängen. Die Holzzellen sind durch sogenannte Hoftüpfel miteinander verbunden, über die im lebenden Splintholz der Austausch von Wasser und Nährstoffen erfolgt. Im Innern des Stammes, im Kernholz, leben diese Zellen jedoch nicht mehr; sie dienen nur noch der Festigkeit. Die Hoftüpfel haben keine Funktion mehr und werden deshalb irreversibel verschlossen.

Diese "verschlossenen" Hoftüpfel machen es so schwierig, Fichtenholz mit Holzschutzmitteln zu tränken. Könnten die Hoftüpfel nachträglich wieder geöffnet werden, so liesse sich das Holz viel einfacher imprägnieren. Die Holzschutzmittel würden tiefer und homogener ins Holz eindringen, sagt Klaus Richter, der Leiter der Abteilung Holz an der Empa. Das hätte nicht nur ökonomische, sondern vor allem auch ökologische Vorteile. Untersuchungen an Telefonmasten haben nämlich gezeigt, dass in der äussersten Zone die Konzentration des Holzschutzmittels den erforderlichen Wert um ein Mehrfaches übersteigt, nach innen jedoch sehr rasch abnimmt. Durch die gleichmässigere Verteilung könnte insgesamt der Einsatz von Holzschutzmitteln reduziert werden.

Selektiver Abbau der Hoftüpfel

Mit dem Pilz Physisporinus vitreus, einem Weissfäuleerreger, haben die Forscher nun einen Pilz gefunden, der die verholzten Membranen der Hoftüpfel abbaut. Weshalb dies so ist, wird nicht genau verstanden. Möglicherweise wird durch das Aufbrechen der Hoftüpfel im trockenen Holz die Feuchtigkeitsaufnahme begünstigt. Eine höhere Holzfeuchtigkeit erleichtert dem Pilz später die weitere Holzzersetzung. Doch dazu soll es nicht kommen - zumindest nicht im Holz, das im Bauwesen verwendet wird.

Deshalb klären die Forscher nun ab, wie lange der Pilz im Fichtenholz wirken muss, damit nur die Hoftüpfel abgebaut werden, die übrigen Bestandteile der Zellwand und somit auch die Festigkeit des Holzes jedoch unvermindert erhalten bleiben. Um das Wachstum des Pilzes zu stoppen, wird das Holz zum Beispiel mit heissem Dampf sterilisiert. Wie Richter erklärt, sind mögliche Anwendungen nicht nur auf die bessere Imprägnierbarkeit beschränkt. Eine bessere Durchlässigkeit des Holzes liesse sich etwa auch für eine raschere und damit energiesparendere Holztrocknung nutzen.

(TR)