Energieholz aus dem Wald nimmt als nachwachsende Ressource einen hohen Stellenwert in der europäischen Strategie zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen und Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien ein. Allerdings gehen Expertenmeinungen bezüglich des "richtigen" Ausmaßes der zukünftigen Produktion und Nutzung von Energieholz in Deutschland auseinander. Das hier vorgestellte Projekt ermöglicht den Einblick in den europäischen Kontext der Thematik.

Im Rahmen des Projekts "COmpeting uses of fOrest Land" (COOL) analysierten Wissenschaftler aus Deutschland, Finnland, Norwegen, Slowenien und Spanien Zielkonflikte und Synergien zwischen der Produktion von Energieholz im Wald und anderen Ökosystemdienstleistungen. Aufbauend auf einer Analyse der politischen Rahmenbedingungen und forstlichen Managementansätze lag der Schwerpunkt des Projektes darauf, die Perspektiven nationaler Interessenvertreter mittels Interviews, Fragebogen und Workshops einzubeziehen. Die befragten Akteure identifizierten und bewerteten die gegenwärtigen Rahmenbedingungen und zukünftigen Herausforderungen der Energieholzproduktion und -nutzung.

Energieholz im erneuerbaren Energiemix

Tab. 1 veranschaulicht den Beitrag, den Energieholz in den fünf untersuchten Ländern zum erneuerbaren Energiemix leistet. Finnland ist eindeutiger Vorreiter: Die Nutzung von Nebenprodukten der Forstwirtschaft wird hier produktionsseitig gefördert; das Ziel für die Nutzung von Waldhackschnitzeln in Blockheizkraftwerken ist hochgesteckt. In Deutschland, Norwegen, Slowenien und Spanien wird Energieholz vorwiegend zum Heizen in privaten Haushalten verwendet. Dennoch weist auch Deutschland bereits einen hohen Anteil an Energieholz im erneuerbaren Energiemix auf.

Tab. 1: Nationale Bedeutung von erneuerbaren Energien und Energieholz
 DeutschlandFinnlandNorwegenSlowenienSpanien
Erneuerbare Energien Ziel 2020 / Anteil in 2005 [%]18/5.838/28.567.5/60.125/16.220/8.7
Anteil an holziger Biomasse in erneuerbaren Energien 2009 [%]37.779.56.943.8-
Jährliche Ernte, 2011, 1.000m³ (Summe aus Brennholz- und industrieller Rundholzproduktion)56,14250,68810,6793,38817,609
Biomassebereitstellung direkt aus dem Wald / indirektes Biomasseangebot zur Energieerzeugung in 2006, kt*6162/36301446/5932655/426297/1451200/166
Geschätzte häusliche Biomassebereitstellung direkt aus dem Wald / indirekte Biomassebereitstellung zur Energieerzeugung in 2020, kt8192**/3774**3230/4830800/ -333/ -2081/1702
Anmerkungen: *Biomassebereitstellung in kt (Kilotonnen), Kilotonne Öläquivalent; **Extensive Nutzung des heimischen Potenzials, zusätzliche Nachfrage nach Importen erwartet

Überschneidungen mit nationalen und europäischen Richtlinien

Bestehende EU-Richtlinien üben einen starken Einfluss auf die Entwicklung nationaler Energieholzprogramme in den fünf untersuchten Ländern aus. Nationale Programme zeigen dabei die Tendenz, unterschiedliche Elemente der EU-Richtlinien miteinander zu verknüpfen, um heimischen Bedingungen gerecht zu werden.

Zudem wirken sich nationale Energieholzprogramme auch auf andere Sektoren aus. In Deutschland wird insbesondere auf mögliche Zielkonflikte zwischen Energieholzproduktion und -nutzung und der Erhaltung der biologischen Vielfalt von Wäldern hingewiesen. Länderübergreifend werden potenzielle Synergien der Energieholzproduktion und -nutzung mit der Schaffung von Arbeitsplätzen im Cluster Forst und Holz gesehen.

In allen fünf Ländern wird der Energieholzsektor zusätzlich durch Maßnahmen unterstützt, die erneuerbare Energien im Allgemeinen fördern (z.B. Einspeisevergütungen). Lediglich in Spanien wurden diese ökonomischen Anreize in den letzten Jahren aufgrund der Wirtschaftskrise reduziert.

Auffällig ist, dass alle untersuchten Länder außer Deutschland Anreize für die Energieholzproduktion setzen, zum Beispiel Subventionen für Durchforstungen, Investitionen in die Bereitstellung und Nutzung von Energieholz auf Betriebsebene oder technische Ausrüstung wie Harvester und Hacker. Allerdings stellt sich diese produktionsseitige Förderung nicht als effektiver heraus als die nachfrageseitige Förderung (z.B. Marktanreizprogramm), die in Deutschland praktiziert wird.

Energieholz als Nebenprodukt

Außer in Spanien ist Energieholz hauptsächlich Nebenprodukt der Rundholzproduktion, was sich nach Meinung der Interviewten auch in naher Zukunft nicht ändern wird. Dennoch findet eine Verschiebung der materiellen Nutzung hin zur energetischen Nutzung von Holz in den untersuchten Ländern statt. Dementsprechend wird von Akteuren hervorgehoben, dass die Nachfrage nach industriellem Holz signifikante Auswirkungen auf die Bereitstellung des Nebenprodukts Energieholz hat.

Know-How für effiziente Holznutzung

Bei der Produktion und Nutzung des Holzes schätzen Interessenvertreter wissenschaftliches und technologisches Know-How, da dies in einer effizienteren Nutzung von Bioenergie resultiert. Akteure aller Länder sehen auch zukünftig Möglichkeiten einer weiteren Effizienzsteigerung.

Große Holzvorräte

Einerseits sehen Interessenvertreter in allen Ländern in den immensen verfügbaren Holzvorräten und niedrigeren Holznutzungs- als Zuwachsraten großes Potenzial für eine zukünftige Steigerung der Energieholzproduktion. Andererseits bezeichnen einige Akteure die politischen Ziele der Energieholzproduktion und -nutzung als zu hoch gesteckt; in Deutschland, Norwegen und Slowenien wird hinterfragt, ob eine weitere Steigerung innerhalb der Grenzen nachhaltiger Waldbewirtschaftung überhaupt möglich ist. Zur Erreichung der ambitionierten Ziele sei mit Zielkonflikten mit anderen Waldökosystem-Dienstleistungen sowie mit politischen Programmen anderer Sektoren zu rechnen.

Politische Rahmenbedingungen verbessern

Interessenvertreter aller Länder sehen unangemessene oder fehlende politische Maßnahmen als eine der größten Schwächen für die weitere Entwicklung des Energieholzsektors an. In Deutschland werden insbesondere "falsche" Marktanreize für den Einsatz ineffizienter Brennanlagen und die Diskriminierung anderer holzbasierter Industrien verantwortlich gemacht. Zusätzlich wird bemängelt, dass das Europa 2020-Ziel nur durch den Import von Holz erreicht werden könne. Daher erwarten Interessenvertreter, dass der politische Fokus auf den Ausbau erneuerbarer Energien und im speziellen auf Effizienz gerichtet wird.

Holzressourcen für energetische Zwecke mobilisieren

Ausreichend Holz für energetische Zwecke zu mobilisieren, sehen Interessenvertreter aller Länder als zentrale Herausforderung an. Sie thematisieren insbesondere die geringe Rentabilität von Energieholz aufgrund hoher Kosten in den verschiedenen Schritten der Erntekette sowie schwierige Waldbesitzstrukturen. Einige deutsche Stakeholder bezeichnen die vorliegende Datenbasis zum Holzeinschlag als unzureichend, da in ihren Augen amtliche Statistiken den Einschlag unterschätzen (iese Aussagen wurden vor dem Erscheinen der Ergebnisse der BWI 3 getroffen). In allen Ländern befürworten Interessenvertreter Managementoptionen zur Ausweitung der Fläche für die Energieholzernte und der Produktpalette. In Deutschland werden eine verstärkte Nutzung bisher wenig profitabler Wälder und eine Zunahme von Kurzumtriebsplantagen als mögliche Optionen angesehen. In allen Ländern, außer Finnland, nennen Akteure die verstärkte Ernte von Restholz als zukünftige Option; allerdings wird diese Option in Deutschland insbesondere vor dem Hintergrund der Nährstoffversorgung von Böden kontrovers diskutiert.

Den Wettbewerb um Holz gestalten

Nach Meinung einiger Interessenvertreter aller Länder wird der Wettbewerb zwischen materieller und energetischer Verwendung von Holz und zwischen verschiedenen holzbasierten Industrien signifikante Auswirkungen auf die Energieholzproduktion haben. Zwar könne die Energieholzproduktion von der abnehmenden Kapazität der Zellstoffindustrie profitieren; allerdings seien zukünftige Holzerntemengen zeitgleich entscheidend für die Verfügbarkeit des Nebenprodukts Energieholz.

Andere Ökosystem-Dienstleistungen sichern

In Bezug auf die Auswirkungen von Energieholzproduktion und -nutzung auf andere Waldökosystem-Dienstleistungen diskutieren Interessenvertreter in allen fünf Ländern vor allem potenzielle Zielkonflikte mit der Erhaltung der biologischen Vielfalt und ökologischen Funktionen wie Bodenqualität. Der Druck auf Waldökosysteme steigt nach Wahrnehmung der Interessenvertreter, wenn die Produktion von Energieholz zunimmt: In Deutschland vertreten einige Akteure die Meinung, dass die Nachhaltigkeitsgrenzen der Ökosysteme "überrannt" werden könnten. Zudem weisen sie auf die Gefahr einer zunehmenden Nutzungskonkurrenz und eines dementsprechend zunehmenden Drucks auf Waldflächen hin.

Unsichere Effekte auf den Klimawandel thematisieren

Die Ansichten bezüglich der Auswirkungen von Energieholzproduktion und -nutzung auf den Klimawandel variieren, wobei Standpunkte jeweils mit verschiedenen wissenschaftlichen Befunden untermauert werden. Auf der einen Seite wird Energieholz eine große Bedeutung für die Abschwächung des Klimawandels und die Reduzierung der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern beigemessen. Auf der anderen Seite stellen Interessenvertreter fest, dass unterschiedliche Waldbewirtschaftungspraktiken zu einer hohen Komplexität führen und Aussagen zur Klimaneutralität von Energieholz erschweren. Einige deutsche Interessenvertreter erachten die materielle Verwendung von Holz und die damit verbundene Speicherung von CO2 der energetischen Nutzung überlegen und kritisierten, dass die Klimaneutralität von Energieholz durch lange Transportwege unter Umständen nicht gegeben sei.

Bewusstsein für Holz als wertvolle Ressource steigern

Akteure in allen Ländern heben das mangelnde Bewusstsein der Bevölkerung bezüglich einer effizienten Verwendung der Ressource Holz hervor. Deutsche Interessenvertreter verknüpfen diese Wahrnehmung mit der Beobachtung, dass in der Öffentlichkeit das Verbrennen von Holz als umweltfreundlich dargestellt wird und so falsche Anreize geschaffen werden. Trotzdem nehmen die befragten Stakeholder an, dass Energiesparen und die effiziente Nutzung von Holz in Zukunft an Bedeutung gewinnen.

Schlussfolgerungen

Unsere Analyse zeigt, dass Akteure in allen untersuchten Ländern ausreichende Holzvorräte und technologisches Know-How für eine effiziente Nutzung im Energieholzsektor als gegeben sehen. In Deutschland bewerteten die Akteure die Holzvorräte und die dazu vorliegenden Statistiken allerdings sehr ambivalent. Eine weitere Steigerung der Energieholzproduktion und -nutzung erfordert aus Sicht der befragten Akteure weitreichende Veränderungen der länderübergreifend als mangelhaft beschriebenen politischen Rahmenbedingungen. Erforderlich ist demnach eine politische und Sektor übergreifende Verständigung über das gewollte Maß an Energieholzproduktion und -nutzung, das die Basis für stabile finanzielle Anreize darstellen sollte. Mögliche Optionen hierfür werden akteurs- und länderübergreifend in der Unterstützung der traditionellen Forstwirtschaft zur Steigerung des Nebenprodukts Energieholz oder in einer veränderten Waldbewirtschaftung gesehen. Dabei sollte es Ziel der europäischen und nationalen Energieholzpolitik sein, zur Erreichung der Zielvorgaben im Bereich erneuerbarer Energien beizutragen, ohne dadurch bereits bestehende Zielkonflikte mit anderen Waldökosystem-Dienstleistungen zu verschärfen.