Der Wisent, das größte Landtier Europas, hätte zu Beginn des vorigen Jahrhunderts beinahe das Schicksal des Auerochsen geteilt und wäre ausgerottet worden. Mittlerweile gibt es wieder einen Weltbestand von 3.400 Stück dieser urigen Wildrinder. Dies ist den intensiven Bemühungen zur Erhaltungszucht zu verdanken. Eine der bedeutendsten Zuchtstätten des Wisents in Deutschland befindet sich in Nordrhein-Westfalen: das Wisentgehege Hardehausen.

50 Jahre Wisentgehege Hardehausen

Auf Initiative von Oberlandforstmeister Heinz Rache wurde 1958 die Zucht von Wisenten im Wiesental des Hammerbaches bei Warburg begonnen. Das Wisentgehege liegt im südlichen Eggegebirge und gehört heute zum Walderlebnisgebiet Hardehausen. Unmittelbar angrenzend wurde 2004 das Waldinformationszentrum Hammerhof - eine Umweltbildungseinrichtung des Landesbetriebes Wald und Holz NRW unter der Leitung des Regionalforstamts Hochstift eingerichtet.

Im Hammerhof, einem aus dem Jahre 1603 stammenden und bis zur Säkularisierung zum Kloster Hardehausen gehörenden Eisenhammer, geben statt schwerem Handwerk und traditioneller Landwirtschaft nunmehr Bildung für eine nachhaltige Entwicklung und sanfter Tourismus die Zielrichtung vor. Das Waldinformationszentrum Hammerhof veranstaltet Seminare, Vorträge, Führungen und Ausstellungen zu den Themenbereichen Wald, Holz und Natur sowie zur heimischen Kulturgeschichte.

Das benachbarte Wisentgehege Hardehausen ist einzigartig in Europa. Auf insgesamt 170 ha Wald- und Wiesenflächen wurden seit Bestehen fast 140 der vom Aussterben bedrohten Wisente geboren; die meisten wurden an andere Zuchtstationen in Europa vermittelt. Weltweit ist Hardehausen die einzige Anlage, in der beide Zuchtlinien des Wisents (siehe unten) gleichzeitig und in separaten Gehegen gehalten werden: Ein 68 ha großes Gehege mit den sogenannten Bergwisenten und ein 80 ha großes Gehege mit Flachlandwisenten bieten hervorragende Möglichkeiten, diese urigen Wildrinder zu beobachten. Eine feste Partnerschaft verbindet das Wisentgehege Hardehausen mit dem Zentrum der polnischen Wisentzüchtung – der Nationalparkverwaltung Bialowieski Park Narodowy – und der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald ("Aktion Wisenthilfe").

Des Weiteren kann man im Gehegebereich auf die seit 1959 erfolgreich rückgezüchteten Tarpan-Pferde sowie auf weißes Rotwild und Schwarzwild treffen.

Im Juni feierte das Wisentgehege Hardehausen sein 50-jähriges Bestehen und richtete einen internationalen Kongress aus unter dem Thema "Die Bedeutung von Nachzuchtgehegen für die Zukunft des Wisents".

Wisentkongress

Am 10. und 11. Juni 2008 tagten Wisentexperten aus Polen, Rumänien und Deutschland im Waldinformationszentrum Hammerhof. Dabei wurde die besondere Bedeutung und Verantwortung der Züchter in Westeuropa für die weitere Reinzucht der Wisentbestände bekräftigt, die eine enge Zusammenarbeit mit der Zuchtbuchführung in Polen erfordert, damit Inzucht und Genverlust vermieden werden. Dramatisch hatte sich im Sommer 2007 der Blauzungenvirus ausgewirkt: Allein in Hardehausen verendeten innerhalb von wenigen Tagen ein Drittel des Bestandes an der Seuche, darunter beide Zuchtbullen. Mit Besorgnis wird jetzt die Ausbreitung der Blauzungenkrankheit nach Osten beobachtet. Während Wisente in Gehegen mit dem in diesem Jahr neu entwickelten Impfstoff geschützt werden können, sind die in Osteuropa freilebenden Herden weiterhin von der Seuche bedroht.

Freilebende Wisente sind in der Regel zwar standorttreu, sie durchstreifen im Sommer aber große Gebiete auf der Suche nach Nahrung. Die Größe der Streifgebiete ist von Reichtum und Zugänglichkeit der Äsung abhängig. Im Urwald von Bialowieza haben die gemischten Herden Streifgebiete zwischen 45 und 97 km2. Im Winter schränken sie ihre Bewegungen ein und bleiben meist in der Umgebung der Fütterungen.

Ansiedlungsprojekt im Rothaargebirge

Die Wittgenstein-Berleburg’sche Rentkammer, der Verein Taurus Naturentwicklung e. V. und der Kreis Siegen-Wittgenstein beabsichtigen eine Gruppe freilebender Wisente im ca. 42 qkm großen Projektgebiet auf der Südseite des Rothaarkammes anzusiedeln. Am 25. Juni 2008 wurde zwischen den Beteiligten und dem Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (MUNLV) in Düsseldorf ein öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossen. Die Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung des Landesbetriebs Wald und Holz hat in der vom MUNLV eingesetzten Arbeitsgruppe mitgewirkt. Vor einer Entscheidung über die Genehmigungsfähigkeit des Projektes sind von den Projektträgern eine Reihe von Fragen zu untersuchen. So muss geklärt werden, welche Auswirkungen auf den Lebensraum zu erwarten sind, wie das Abwandern der Herde verhindert werden kann und wie mögliche Gefährdungen von Waldnutzern und Verkehrsteilnehmern vermieden werden können. Zunächst sollen 8-12 Wisente bis zu fünf Jahre in einem etwa 80 ha großen Auswilderungs-Versuchsgehege eingesetzt werden.

Der Wisent - Ausrottung und Rettung

Ursprünglich kamen Wisente in drei Unterarten vor: Der Flachlandwisent Bison bonasus bonasus, der Kaukasuswisent Bison bonasus caucasicus und der Karpatenwisent Bison bonasus hungarorum; der Karpatenwisent starb schon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aus. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts streiften noch freilebende Wisentherden durch den Urwald von Bialowieza und den Kaukasus. In den Wirren gegen Ende des 1. Weltkrieges drohte dann das Aus auch für diese beiden Unterarten: 1919 wurde der letzte freilebende Flachlandwisent in Bialowieza gewildert und 1927 der letzte freilebende Kaukasuswisent von marodierenden Soldaten abgeschossen.

Um die letzten in Zoos und Privathand lebenden Wisente vor dem endgültigen Aussterben zu retten, wurde 1923 in Berlin die Internationale Gesellschaft zur Erhaltung des Wisents gegründet. Alle heute im Europäischen Wisentzuchtbuch weltweit verzeichneten etwa 3.400 Wisente gehen genetisch auf nur elf Flachlandwisente und auf ein Kaukasuswisent zurück.

In der Wisentzucht werden zwei Zuchtlinien unterschieden: Die "Flachland-Bialowieza-Linie" aus reinblütigen Flachlandwisenten und die "Flachland-Kaukasus-Linie" - auch "Bergwisente" genannt -, die aus Flachlandwisenten entstanden ist, die mit dem letzten überlebenden Kaukasuswisentbullen gekreuzt worden waren. Mittlerweile streifen wieder freilebende Herden durch Osteuropa (u. a. durch Polen, Litauen, Weißrussland, Ukraine, Russland und durch die Karpaten).

Neue Wisentmonographie

Anlässlich des 50-jährigen Bestehens des 1958 von der Landesforstverwaltung Nordrhein-Westfalen gegründeten Wisentgeheges Hardehausen und passend zur Ausrufung des Wisents als Wildtier des Jahres 2008 durch die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald erschien in der traditionsreichen Reihe der Neuen Brehm-Bücherei im Verlag Westarp Wissenschaften eine sehr fundierte aktuelle Wisentmonographie. Der Landesbetrieb Wald und Holz NRW initiierte und förderte eine deutsche Übersetzung der bereits in polnischer Sprache vorliegenden Fassung. Das Autorenpaar Krasiński/Krasińska, seit Jahrzehnten in der Wisentforschung in Bialowieza engagiert, zeichnet in der vorliegenden Monographie ein lebendiges Bild dieser faszinierenden und eindrucksvollen Wildrindart. Einen großen Teil nimmt dabei die Dokumentation der mühevollen Wiederaufzucht der Wisente im Bialowieza-Urwald und der Bestandsentwicklung in den letzten 50 Jahren ein. Ausführlich werden Geschichte, Körperbau, Lebensweise, Verhalten, Populationsbiologie und ‑management sowie Ernährungs- und Fortpflanzungsbiologie des europäischen Wildrindes beschrieben. Eine Analyse der Gefährdungssituation und des rechtlichen Schutzstatus des Wisents rundet das umfangreiche Werk ab.

Die Autoren

Prof. Dr. habil. Malgorzata Krasińska, Leiterin der Arbeitsgruppe Wisentökologie am Institut für Säugetierforschung der Polnischen Akademie der Wissenschaften, und ihr Ehemann Dr. sc. vet. Zbigniew A. Krasiński, Spezialist für Wildtierkrankheiten, erforschen seit mehr als 40 Jahren verschiedene Aspekte der Morphologie, Ökologie und Gesundheit der Wisente im Urwald von Bialowieza. Als Mitglieder der IUCN/SSC Bison Specialist Group sind sie Mitverfasser der Internationalen Strategie für den Schutz und die Wiederaufzucht der Wisente.

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