Der Rothirsch ist das größte Wildtier im Nationalpark Eifel und eignet sich besonders als Leitart für eine Nationalparkentwicklung, die die Einbindung des Nationalparks in das Umfeld, die Balance zwischen Naturschutz und Tourismus und die natürliche Entwicklung gleichermaßen präzisiert. Die Untersuchungen in der Region aus den vergangenen vier Jahrzehnten unterstreichen die Schlüsselrolle des Gebietes für das Rotwild in der Nordeifel.

Landschaftsraum und Rotwildlebensraum

Die Satellitenkarte im Maßstab 1:200 000 in der Nordeifel vermittelt ein anschauliches Bild von Reliefgliederung, Wald- und Offenlandverteilung und lässt so die wesentlichen Voraussetzungen erkennen, die die Drehscheibenfunktion des Nationalparkes Eifel, insbesondere die Dreiborner Hochfläche, für die Rothirschpopulation im deutsch-belgischen Eifelraum begründen. Das Gebiet verknüpft die Rotwildpopulation der Eifel mit derjenigen der Ardennen. Die heutigen im Wesentlichen am Relief orientierten Fernwechsel sind in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden und lassen folgende Raumnutzungsmuster erkennen:

  • Die Fernwechsel verlaufen über die Höhen, d.h. die Höhenriedel oder die Abdachungen von Hochflächen. Täler werden möglichst senkrecht durchquert
  • Täler werden – auch in den völlig ungestörten Bereichen – für Fernwanderungen nicht genutzt
  • Die Wanderrouten sind im Hinblick auf den Energieaufwand bei der Fortbewegung optimiert und erleichtern insgesamt die optische Orientierung. Dieses Grundmuster finden wir auch im Nationalpark selbst wieder, wie das Beispiel der Dreiborner Hochfläche zeigt (Abb. 2).

Lebensräume und Rotwild in der Geschichte

Seit der Besiedlung durch den Menschen hing die Rotwildverbreitung stets von der politisch-sozialen Lage und der damit verbundenen Nutzung der Landschaft durch den Menschen ab. Der für die basenärmsten Gesteine des rheinischen Schiefergebirges charakteristische Hainsimsen-Buchenwald prägte das Landschaftsbild, die Täler waren geprägt durch den Stieleichen-Hainbuchen-Auenwald, Erlenbruchwälder und Birkenbruchwälder sowie örtlich die Schluchtwaldgesellschaften, von denen wir heute noch Reste im Urfttal finden. Die Waldgesellschaften der Täler waren ideale Wintereinstände, in strengen Wintern dürfte das Rotwild in frühgeschichtlicher Zeit die Höhenlagen vollständig verlassen haben. Heute lässt dies die Besiedlung durch den Menschen nicht mehr zu.

Zur Zeit Karls des Großen (768-814) dürfte das Gebiet des Nationalparks eher wildreich gewesen sein. Im weiteren Verlauf des Mittelalters war die hohe Jagd Vorrecht der Landesherren.

Die Folgen des 30-jährigen Krieges und eine starke Zunahme der Wilderei führten im 17. Jahrhundert bereits zu einer weitgehenden Vernichtung des damaligen Rotwildbestandes.

Der Lebensraum des Rotwildes wurde im Mittelalter durch die Einbeziehung des Waldes in die landwirtschaftliche Nutzung (Brandfeldbau, Weidewirtschaft, Holznutzung und insbesondere auch die Köhlerei) stark eingeschränkt. Die Weideberechtigung des Jahres 1823 für 4.760 Stück Rindvieh in der königlichen Oberförsterei Höfen veranschaulicht die Übernutzung des Waldes durch die eingetriebenen Pferde, Kühe, Schweine, Ziegen und Schafe.

Als Ergebnis Jahrhunderte langer Übernutzungen war das Bild der Vegetation des Untersuchungsgebietes zur Zeit der Übernahme durch die preußische Verwaltung Anfang des 19. Jahrhunderts durch stark devastierte Eichenbestände und Heiden in den Revierförstereien Wahlerscheid und Höfen bestimmt. Im Gebiet der Oberförsterei Höfen nahmen die Buchen nur noch 24% des Waldbestandes ein.

Mit der der 1848er-Revolution und der Bindung des Jagdrechtes an den Grund und Boden setzte eine weitgehende Dezimierung des Rothirsches in der Eifel ein. Wichtige Phasen der Ausrottung und Wiederbesiedlung ereigneten sich im Gebiet des heutigen Nationalparks Eifel. So wurde das letzte bekannte Stück Rotwild, ein Alttier, 1848 von einem Wilderer auf einer Wiese bei Mariawald erlegt; eine totale Vernichtung des Rotwildes im gesamten Eifelraum lässt sich jedoch nicht beweisen. Der Bestand in den belgischen Ardennen wurde ebenfalls fast ausgerottet.

Die Wiederbesiedlung der Eifel durch das Rotwild ging von zwei Zentren aus, dem Hertogenwald bei Eupen (Ardennenhirsch) und dem Salmwald bei Trier (Moselhirsch). Die im Zuge der preußischen Großaufforstungen heranwachsenden Fichtenbestände, die v. a. Deckung und Ruhe boten, erleicherten die Wiederbesiedlung der Eifel durch das Rotwild ganz wesentlich. Etwa ab 1890 tauchten die ersten Vorposten im Raum Wahlerscheid auf. Die zur Zeit der Wiederbesiedlung entstandenen Fernwechsel sind auch heute noch für den großräumigen Austausch innerhalb der Rotwildpopulation von Bedeutung.

Die Wirren der beiden Weltkriege führten zu einem starken Ansteigen der Wilderei, von denen sich das Rotwild jedoch wieder erholte. Die Aufforstungen nach dem 2. Weltkrieg erfolgten weitgehend mit Fichte.

Die Landschaftsentwicklung führte zu unterschiedlichen Lebensräumen für das Rotwild im Nationalpark:

  • die durch die Aufforstung in der Nachkriegszeit geprägten Fichtenbestände im Süden des Nationalparks im Raum Wahlerscheid
  • die Dreiborner Hochfläche: sie wurde bis zum 2. Weltkrieg überwiegend landwirtschaftlich genutzt und in der Zeit des Truppenübungsplatzes durch Grünlandgesellschaften, Sukzessionsflächen, Eichenniederwälder als Folgen der ehemaligen landwirtschaftlichen Nutzung, Fichtenbestände und die Täler geprägt
  • die durch Buchenwälder geprägten Bereiche des Kermeter
  • die Eichenbestände im Norden
  • die bärwurzreichen Magertriften, die als Ersatzgesellschaften an die Stelle des ursprünglichen Hainsimsen-Buchenwaldes getreten sind; sie profitieren von der Rotwildbeäsung, und die Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen in den Naturschutzgebieten erhöhen den Äsungswert des Lebensraumes für das Rotwild.

Die aktuelle Raumnutzung des Rotwildes war auch Grundlage für die Planungen und Empfehlungen für den Nationalpark.

Anpassungen des Rotwildes an den Nationalpark und seine Besucher

Ein vorbildliches Bejagungsregime durch die Bundesforstverwaltung und die Kalkulierbarkeit der militärischen Nutzer, die gleichzeitig für die Freiheit von übrigen Platzbesuchern sorgten, boten dem Rotwild die Gelegenheit, auch tagsüber auf den Offenlandflächen zu äsen.

Damit bot sich für den 2004 gegründeten Nationalpark Eifel die Chance, Rotwild für die Nationalparkbesucher erlebbar zu machen. Eine nahezu flächendeckende Frequentierung der Dreiborner Hochfläche und die Missachtung des Wegegebotes durch die Besucher haben bereits 2006 dazu geführt, dass das tagvertraute äsende Rotwild praktisch nicht mehr zu beobachten war. Hier ist die Einsicht ganz entscheidend, dass bereits wenige Besucher, die sich nicht an die Regel halten, ausreichen, um das Verhalten dramatisch zu ändern. Die aktuellen Bemühungen um die Besucherlenkung und Sperrung der Wege zeigen jedoch erste Besserungstendenzen. Wie dramatisch die Situation ist, zeigt das Beispiel der vorgesehenen Beobachtungszonen im Bereich Ritzenberg/Klusenberg: Im Jahr 2006 wurden über automatische Datenregistrierung durch die Sporthochschule Köln insgesamt über 2.000 Personen in der streng geschützten Zone registriert.

Die Auswirkungen des ungezügelten Besucherandranges zeigten sich deutlich im Verhalten des Rotwildes: Während in einem Jahr 2004/2005 noch 4.929 Stück Rotwild tagsüber beim Äsen beobachtet werden konnten, ging die Anzahl im Jahr 2006 auf 473 Stück zurück. Abbildung 4 zeigt anschaulich die Auswirkungen der Störungen.

Die Beobachtbarkeit des Rotwildes lässt sich nur wieder über ein entsprechendes Besucherverhalten erreichen. Lernverhalten des Rotwildes setzt Kalkulierbarkeit der menschlichen Besucher voraus. Dies heißt vor allem, dass sich die Besucher auch auf den ausgewiesenen Wegen bewegen. Nur wenn sich alle an die Regeln halten, bietet sich auch die Chance zur Beobachtung.

Die Erfahrung zeigt, dass Wanderer auch erkennbare Markierungen benötigen: Zur Markierung der zugelassenen Wege kamen einfache Holzschranken vor die Wege, die nicht benutzt werden sollten. Militärische Liegenschaften weisen naturgemäß eine Vielzahl von Fahrzeugspuren auf, die durchaus wegeähnlich sind, so dass der eine oder andere auch unabsichtlich in die gesperrten Zonen geraten ist. Einfache Holzschranken reduzieren das unbedachte Belaufen der Ruhezonen erheblich. Dies zeigt sich zwischenzeitlich übrigens auch am Verhalten des Rotwildes.

Tipps zur Wildbeobachtung

Bleiben Sie auf den Wegen! Wildtiere merken sehr rasch, wenn Besucher die üblichen Wege verlassen und reagieren darauf mit Flucht. Umgekehrt gewöhnen sie sich an den Menschenwechsel, so dass der Verbleib auf den Wegen die Beobachtungschance erhöht. Hunde gehören an die Leine.

Die richtige Bekleidungsauswahl erhöht die Beobachtungschance: Wildtiere äugen im kurzwelligen Bereich besonders gut. Gedeckte Kleidung mit mittleren Farbtönen, d.h. Verzicht auf Signalfarben, zu dunkle Kleidung und Blautöne erhöht die Chance, Wild in Anblick zu bekommen: Rot wird schlecht erkannt, Blau dagegen ausgezeichnet.

Ein gutes Fernglas mit etwa 8-facher Vergrößerung ist sinnvoll.

Zur entspannten Beobachtung eignen sich Standorte, von denen aus man in Ruhe über große Flächen sehen kann: Beispiele hierfür sind der Randweg an der Dreiborner Hochfläche im Bereich Ritzenberg/Klusenberg, wo man sich ruhig in den Fichten ansetzen kann, der Weg über die Oberste Scheid oder der Wildnistrail (Abb. 5). Der Wind muss immer vom erwarteten Wild zum Beobachter wehen.

In den Waldgebieten ist die Beobachtungsdistanz meist kleiner als die Fluchtdistanz des Rotwildes. Insofern lohnt es sich im Normalfall nicht, länger an einer Stelle auf das Wild zu warten. Bei einer ruhigen Wanderung kann man auch hier immer wieder einmal Rotwild oder auch Rehe antreffen.

Wild lässt sich auch vom Fahrrad aus auf den zugelassenen Wegen gut beobachten. Wer seine Chancen hier erhöhen will, bleibt nicht nur auf den Wegen, sondern entscheidet sich gerade auch bei Mountainbikes für eine geräuscharme Bereifung.

Modell Monschau – auch ein Leitbild für die Besucherlenkung im Nationalpark

Das Beispiel des Pilotprojektes Monschau-Elsenborn, das über eine vorbildliche Zusammenarbeit aller Betroffenen und Beteiligten vor Ort eine attraktive und wildtierverträgliche Loipenführung und die Respektierung der Ruhezonen durch die Besucher verknüpft, dient als "Monschauer Weg" auch dem generellen Ausgleich der Interessen von Wald, Wild und Mensch im Nationalpark Eifel.

Rotwild im Nationalpark Eifel, ohne Jagd geht es nicht

Das Rotwild ist nicht nur die größte Wildart in Deutschland, sondern zugleich auch Leitart für den Biotopverbund gemäß § 3 Bundesnaturschutzgesetz. Der Nationalpark Eifel ist ein wichtiger Teillebensraum für die Rotwildpopulation Eifel und Ardennen. Dies ist auch die Hauptursache dafür, dass eine Wildbestandsregulierung im Nationalpark notwendig ist: Rotwild hat in der Kulturlandschaft keine natürlichen Feinde mehr. Stellte man die Wildbestandsregulierung im Nationalpark Eifel vollständig ein, würde dies angesichts des guten Nahrungsangebotes im Umfeld dazu führen, dass sich im Nationalpark eine Wilddichte aufbaut, die die Entwicklung der natürlichen Walddynamik erheblich gefährdet.

Grundlage der Wildbestandsregulierung ist ein an die Vegetation orientiertes Monitoring.

Ausblick

Das Rotwild zeigt als sozial hochentwickelte Wildart besonders, dass die Balance zwischen Wild und Lebensraum nur gemeinsam gelingen kann: Hier stehen Nationalpark und Nationalparkbesucher in gemeinsamer Verantwortung. Inwieweit sich die Ziele erreichen lassen, lässt sich objektiv am Verhalten des Rotwildes prüfen. Die Rücksichtnahme auf das Rotwild ist nicht nur Voraussetzung zur Beobachtbarkeit des Rotwildes, sondern kommt darüber hinaus zahlreichen anderen Arten und Lebensräumen insbesondere in den Tälern zugute. Beispiele für die scheuen Tierarten sind der Bartstorch und auch die Waldkatze.

Mit klarer erkennbaren Abschrankungen und einer gezielteren Aufklärung sind erste Schritte in die richtige Richtung getan. Dass dies Erfolg hat, zeigt die allmählich wieder besser gewordene Sichtbarkeit des Rotwildes, die jedoch von der Ausgangssituation noch weit entfernt ist.

Literaturhinweise

Landesbetrieb Wald und Holz NRW, Nationalparkforstamt Eifel (Hrsg., 2009): Leistungsbericht zum 5-jährigen Jubiläum des Nationalparks Eifel.

Petrak, M. et al (2006): Lebensraumnutzung des Rotwildes auf dem Truppenübungsplatz Vogelsang: Schlussfolgerungen für die Besucherlenkung im Nationalpark Eifel. DECHENIANA 159: 123-131.

Petrak, M. et al. (2007): Lebensraumnutzung des Rotwildes auf dem Truppenübungsplatz Vogelsang II: Eine erste Bilanz für einen Lebensraum im Nationalpark Eifel nach Abzug der Belgischen Streitkräfte. DECHENIANA 161: 51-56.

Petrak, M. (2008): Rothirsch, Menschen und Lebensräume. Grundlagen, Kenngrößen und Lösungsansätze zu einer Balance zwischen den Ansprüchen der Freizeitgesellschaft und den Anforderungen des Wildtier- und Naturschutzes in der Kulturlandschaft. In: Lennartz, G. (Hrsg.): Renaturierung – Programmatik und Effektivitätsmessung. Academia Verlag, Sankt Augustin, S. 97-122.

Simon, O.; Lang, J.; Petrak, M. (2008): Rotwild in der Eifel – Lösungen für die Praxis aus dem Pilotprojekt Monschau-Elsenborn. Lutra-Verlag, Klitten.

Standke, F. ( 2007): Besuchermonitoring der Dreiborner Hochfläche im Nationalpark Eifel. Diplomarbeit, Deutsche Sporthochschule Köln.