Projekt über die Räuber-Beute-Beziehungen liefert wichtige Daten für künftiges bayerisches Luchs- und Schalenwildmanagement

In der Öffentlichkeit genießt der Luchs viel Sympathie und für seine Rückkehr in unsere Wälder gibt es breite Zustimmung. In Teilen der Jägerschaft stößt die Wiedereinbürgerung dieses großen Beutegreifers jedoch auf Skepsis. Auf viele wichtige Fragen zu seiner Wiederansiedelung gibt es noch keine gesicherten Antworten. Das 2006 begonnene Luchs-Projekt soll nun die Beziehungen zwischen dem Luchs und seinen Beutetieren analysieren. Mit der Besenderung von 100 Rehen, 60 Rothirschen und allen sechs Luchsen im tschechisch-bayerischen Untersuchungsgebiet sind die Wissenschaftler des Nationalparks Bayerischer Wald auf der Spur eines fundierten Wildtiermanagements.

Obwohl der Luchs eine hohe Akzeptanz in breiten Bevölkerungsschichten genießt, birgt die Rückkehr dieses großen Beutegreifers auch Konfliktpotenzial. Das Reh als Hauptbeutetier des Luchses ist auch das wichtigste Jagdwild in den Revieren Ostbayerns. Damit steht der Luchs in direkter Konkurrenz zum menschlichen Jäger. Noch verschärfend wirkt die Einschätzung vieler Jäger, wonach schon die bloße Anwesenheit des Luchses zu einem heimlicheren Verhalten der Rehe führen soll. Aus diesem Grund stellt die Einbeziehung des Luchses in die Abschussplanung einen zentralen Konfliktpunkt dar. Doch existieren in dieser Frage bis jetzt keine wissenschaftlich gesicherten Daten, weshalb dieses Thema zwischen Jägern, Förstern und Naturschützern anhaltend kontrovers diskutiert wird.

Jäger fordern "Luchs-Bonus" bei der Abschussplanung

So steht die Forderung der Jägerschaft im Raum, einen "Luchsbonus" von 0,5 Rehen je 100 ha auf die Abschussplanung anzurechnen. Darüber hinaus soll der Abschuss in den Staatsjagdrevieren gesenkt oder ganz eingestellt werden, um die luchsbedingten Reh- und Rotwildverluste in den privaten Jagdrevieren zu kompensieren. Für die Forstverwaltung hingegen kommt eine pauschale Absenkung des Abschusses nicht in Frage, da bei der Abschussplanung gemäß der gesetzlichen Vorgaben vor allem der Zustand der Waldverjüngung zu berücksichtigen ist. Nur bei nachlassendem Verbiss kann der Abschuss gesenkt werden.

Informationen über den Einfluss des Luchses auf seine Beutetierbestände sind deshalb von großem praktischen Nutzen und von zentraler Bedeutung für seine Akzeptanz bei den Landnutzern und damit für den Fortbestand der ostbayerisch-böhmischen Luchs-Population.

Das Luchs-Projekt

Förderung:
- Bayerisches Staatsministerium für Umwelt,
Gesundheit und Verbraucherschutz
- Bayerisches Staatsministerium für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten
- Europäische Union (INTERREG III a)
- T-Mobile

Ziel:
Analyse der Beziehungen zwischen dem Luchs und seinen Beutetieren im Nationalpark Bayerischer Wald und den angrenzenden Gebieten, um anschließend auf wissenschaftlicher Grundlage ein fundiertes Wildtiermanagement entwickeln zu können.

Kooperation:
Das Projekt wird in Zusammenarbeit zwischen den Nationalpark-Verwaltungen Bayerischer Wald und Sumava durchgeführt.

Besenderung:
grenzüberschreitend 100 Rehe, 60 Rothirsche und sechs erwachsene Luchse

Projekt-Team:
Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen Dr. Petra Löttker und Anja Stache; Hans Kiener, Leiter Sachgebiet Naturschutz und Besucherlenkung sowie Franz Baierl, Leiter Sachgebiet Nationalparkmanagement und Arbeiterangelegenheiten des NP Bayerischer Wald.

Laufzeit:
2006 bis 2010

Die wichtigsten Fragen im Luchs-Projekt

Die nachstehend genannten Fragenkomplexe, die im Rahmen des Projektes beantwortet werden sollen, sind wichtig für das grundsätzliche Verständnis von Beutegreifern in Ökosystemen und besitzen gleichzeitig eine hohe Relevanz für die Praxis.

  • Beutespektrum des Luchses
    Welche Tierarten dienen in welchem Umfang dem Luchs als Nahrung? Das Hauptaugenmerk ist dabei auf Rothirsch und Reh gerichtet. Darüber hinaus geht es um die Frage, inwieweit Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand der Beutetiere den Jagderfolg des Luchses steuern.
  • Bedeutung des Luchses für die Populationsdynamik von Reh und Rothirsch
    Sollen Luchsrisse in die Abschussplanung mit einbezogen werden, muss der Einfluss der Luchse auf Beutetierpopulationen geklärt werden. Voraussetzung hierfür ist die Bestimmung der wesentlichen Populationsparameter: z. B. die Anzahl der im Gebiet vorkommenden Beutetiere der jeweiligen Art sowie deren Reproduktions- und Mortalitätsrate.
  • Einfluss des Luchses auf das Verhalten seiner Beutetiere
    Werden Rehe heimlicher, wenn sich ein Luchs in deren Nähe aufhält? Sollte sich dies bestätigen, gilt es herauszufinden, ob beispielsweise eine Änderung der Aktivitätsrhythmik (z. B. von Dämmerungsaktivität zu Tagesaktivität) oder eine Änderung der Raumnutzung (z. B. verstärkter Aufenthalt in deckungsreichen Gebieten oder eine Verringerung von Wanderbewegungen) dieses Verhalten auslöst. Auch die Frage, wie der Luchs das Verhalten von Beutetieren im Wintergatter oder an Fütterungen beeinflusst, soll beantwortet werden.
  • Steuergrößen der Raumnutzung von Luchs, Reh und Rothirsch
    Welche Faktoren regeln die Verteilung von Luchs, Reh und Rothirsch im Untersuchungsgebiet? Während bei Reh und Rothirsch im Sommer vermutlich die Verfügbarkeit von Äsung und Deckung eine große Rolle spielt, sind im Winter wohl die Höhe und Tragfähigkeit der Schneedecke die entscheidenden Faktoren. Beim Luchs ist wahrscheinlich die Verteilung der Beutetiere von großer Bedeutung, ebenso das Ausmaß an Störungen. Hier ist der Frage nachzugehen, ob Beutetiere vor allem dort gerissen werden, wo hohe Beutetierdichten auftreten oder eher dort, wo Luchse mit den geringsten Störungen rechnen.
  • Wechselwirkungen zwischen Reh, Rothirsch und Waldvegetation
    In welchem Ausmaß beeinflussen Reh und Rothirsch die Waldentwicklung im Untersuchungsgebiet und hat sich dieses seit der Rückkehr der Luchse verändert? Ein direkter Einfluss des Luchses auf die Waldverjüngung wird zwar nur schwer ursächlich nachzuweisen sein. Dennoch ist es interessant, ob sich in Abhängigkeit von der räumlichen Verteilung und Organisation der Luchse unterschiedliche Verbissintensitäten im Gelände feststellen lassen. Außerdem wird geprüft, ob unter den aktuellen Bedingungen der Abschuss von Reh und Rothirsch im Nationalpark angepasst werden muss.
  • Öffentlichkeitsarbeit
    Eine besonders wichtige Aufgabe besteht auch im Wissenstransfer. Neben Fachvorträgen und regelmäßiger Pressearbeit gehört dazu vor allem ein intensiver Erfahrungsaustausch mit den Jägern im Vorfeld des Nationalparks Bayerischer Wald. Führungen werden angeboten, die es Interessierten ermöglichen, nähere Informationen über den Luchs und seine Beutetiere zu erhalten und den Forschern bei ihrer Arbeit über Schulter zu blicken.