Mit einem Gewicht von 300 Gramm und einer Flügelspannweite von 95 Zentimetern gehört die Waldohreule (Asio otus) zu den mittelgrossen Eulenarten. Sie besiedelt ganz Europa mit Ausnahme der Tundrengebiete Nordeuropas, sowie grosse Teile Asiens und Nordamerikas. In Afrika ist sie nur in kleinen Gebieten im Norden sowie auf den Kanarischen Inseln anzutreffen.

Innerhalb dieses riesigen Areals bewohnt sie halboffene Landschaften. Ihre Nahrung erbeutet sie bevorzugt im offenen Gelände, ihr Tagesversteck und ihr Nest befinden sie hingegen in Hecken, kleinen Wäldchen und im Waldrandbereich. In grossen Wäldern findet man sie kaum, es sei denn, dass grosse offene Flächen, zum Beispiel Windwürfe, vorhanden sind. Die grössten Dichten erreicht die Waldohreule in den Niederungen, doch kann sie bis zur oberen Waldgrenze auf über 2000 m ü.M. brüten.

1000 Mäuse im Jahr

Die Waldohreule ist hauptsächlich nachts rege und jagt sowohl vom Ansitz aus wie auch im langsamen, schaukelnden Pirschflug. Wie bei allen Eulen verhindern samtweiche Federn und ein eine Zähnelung der am Flügelvorderrand positionierten Schwungfedern die Bildung von Luftwirbeln und machen so den Flügelschlag des nächtlichen Räubers fast unhörbar. Die Hauptbeutetiere der Waldohreule sind Kleinsäuger. In Mitteleuropa macht die Feldmaus (Microtus arvalis) allein rund 70 % aller Beutetiere aus. Die übrigen Mäuse erreichen 22 % und die Vögel 6 % der Beutetiere. Rund 1000 Mäuse verzehrt eine einzige Waldohreule im Jahr, nicht eingerechnet die Nahrung für die Jungen.

Auf Feldgehölze und Hecken angewiesen

Aufgrund ihres riesigen Verbreitungsgebiets und ihrer Anpassungsfähigkeit an lokale Lebensraum- und Beutetierverhältnisse gilt die Waldohreule allgemein nicht als bedroht. Vielerorts, besonders in den industrialisierten Ländern, sind aber ihre Bestände im Lauf der letzten Jahrzehnte deutlich zurückgegangen.

Als Hauptursache für den Rückgang ist die Intensivierung der Landwirtschaft zu nennen. Durch das Zurückdrängen naturnaher Landschaftselemente, besonders der Feldgehölze, Hecken und alten Obstbaumbestände, hat die Waldohreule viele Versteck- und Nistplätze verloren. Bedeutender ist aber, dass ihre Beutetiere in der intensiv genutzten Landwirtschaft viel schwieriger zu fangen sind. Die früher häufigen Massenvermehrungen der Feldmaus sind heute nur noch schwach ausgeprägt und vor allem in den Ackerbaugebieten sind die Bestände vielerorts stark zurückgegangen.

In den Graslandgebieten ist die Feldmaus noch häufig, doch für die Waldohreule und andere Greifvögel nur schlecht zugänglich: Heute wachsen die Wiesen dank Düngereinsatz und neuen Gras- und Kräutersorten viel schneller und die Vegetation wird dichter. Untersuchungen der Schweizerischen Vogelwarte zeigen, dass die Waldohreule praktisch nur auf frisch geschnittenen Wiesen erfolgreich Beute machen kann.

Lokal kann für den Bestandsrückgang der Waldohreule der wiedererstarkte Bestand des Habichts verantwortlich gemacht werden. Der tagaktive Vogeljäger ist wohl die wichtigste natürliche Todesursache der Waldohreulen. Vor allem brütende Eulenweibchen werden häufig geschlagen. Ebenso häufig ist jedoch der durch den Menschen verursachte Tod. Die häufigste durch den Mensch bedingte Todesursachen ist der Verkehr. Bei ihren nächtlichen Flügen kollidieren immer wieder Waldohreulen mit Autos oder Eisenbahnzügen.

Zur Förderung der Waldohreule drängen sich vor allem Massnahmen zur Lebensraumaufwertung auf. Die Anlage von ökologischen Ausgleichsflächen, vor allem Buntbrachen, Säume und Extensivwiesen wirkt sich positiv auf die Nahrungsgrundlage der Eule aus. Lokal kann sich auch das Anbieten von Nistplattformen positiv auswirken.

Dieser Text stammt mit freundlicher Genehmigung vom Zoologen Markus Kappeler (www.markuskappeler.ch). Ergänzungen erfolgten durch Simon Birrer von der Schweizerischen Vogelwarte Sempach.

(TR)