Silbrigweiß eingesponnen glänzen die kahl gefressenen Bäume. Massen gelblicher, schwarz gepunkteter Raupen oder dicke Lager ihrer länglichen Puppengespinste ballen sich am Stamm zusammen. In den Kronen gibt es kein einziges Blatt mehr (Abb. 1). Verursacher ist die Traubenkirschen-Gespinstmotte (Yponomeuta evonymellus). Was wird aus derart malträtierten Bäumen werden?

Die Traubenkirsche

In Auwäldern kommt die Traubenkirsche (Prunus padus) recht häufig vor. Sie gilt als Baumart der Übergangszone von der "weichen" Weiden- und Erlenaue zur Hartholzaue. Zusammen mit der Esche kennzeichnet sie das Pruno-Fraxinetum.

In der Praxis bestimmt in aller Regel die Auwaldnutzung ihr Vorkommen. Die traditionelle Niederwald-Bewirtschaftung kam ihr zugute, denn sie ist stark im Stockausschlag und schnell im Aufwachsen. Sie wächst schneller als die Grauerle (Alnus incana), mit der sie beispielsweise in den Innauen häufig vorkommt. Nach weniger Jahren übertreffen die Stockausschläge der Traubenkirsche die der Grauerlen um beinahe das Doppelte. Auch aufkommenden Jungwuchs an Eschen übergipfelt die Traubenkirsche scheinbar mühelos. Dennoch wird sie nicht die dominante, die Baumschicht bestimmende Art. Nach und nach fällt sie zurück in die zweite Schicht. Dabei kann sie ein sehr stattlicher Baum von 15 Metern Höhe und mehr werden.

Die Traubenkirschen-Gespinstmotte

Die Traubenkirschen-Gespinstmotte besitzt fünf Reihen feiner schwarzer Punkte auf dem ansonsten einheitlich silbrigen Vorderflügel und helle Fransen am Hinterrand der Flügel (Abb. 2). Die Raupen dieser streng monophagen Art kommen nur auf der Traubenkirsche vor. Keine andere Baumart wird befallen. Selbst dann nicht, wenn das Gespinst darauf ausgedehnt worden sein sollte.

Die Traubenkirschen Gespinstmotte hat die Bäume Ende Mai / Anfang Juni mehr oder weniger kahl gefressen und mit dem silbrig glänzenden Gespinst überzogen. Zu Beginn des Hochsommers schlüpfen die Motten und sitzen in Mengen an den noch immer eingesponnen Stämmen oder auf der Vegetation unter den Bäumen. Nähert man sich ihnen, hüpfen sie weg und lassen sich fallen. Ihre fadenförmig dünnen Fühler kreisen beständig. Im langsam schwirrenden Flug wirken sie unbeholfen. Das schwache Flugvermögen ist für sie, da ihnen wie auch den Raupen kaum Vögel nachstellen, kein Nachteil. Viel bedeutender sind parasitische Insekten.

Die Raupen

Sobald die gelblichen, schwarz gepunkteten Raupen schlüpfen, befressen sie die Blätter der austreibenden Traubenkirschen (Abb. 3). Gleichzeitig beginnen sie damit an den Zweigspitzen Gespinste zu erzeugen, die weithin auffallen. Mit dem Heranwachsen der Raupen werden diese Gespinste größer und schmutziger (Kotballen). Immer häufiger wechseln die Raupen nun zu anderen Trieben und fressen diese kahl. Sind sie ausgewachsen beginnen sie die Äste und Zweige, schließlich auch den Stamm, mit ihrem silberweißen Gespinst zu überziehen. An vor Nässe geschützten Stellen verpuppen sie sich nun in dichten Massen. Ein einzelner Klumpen kann Tausende von eng an- und übereinander liegenden Puppengespinsten enthalten. Diese werden zusätzlich von einem seidenartigen Schutzgewebe überzogen. Zuletzt fertigen Raupen, die sich nicht mehr verpuppen, letzte Abdichtungsschichten. Diese Schichten schützen vor Nässe, aber auch vor Parasiten (Abb. 4). Entsprechend hoch fallen die Schlüpfraten der Schmetterlinge aus. Die Raupen, welche die Außenschicht fertigen, gehen unverpuppt zugrunde. Diese Hungerraupen hätten keine fortpflanzungsfähigen Falter ergeben.

Kahlfraß

Massenvermehrungen und Kahlfraß gibt es weder jährlich noch in Zyklen, lassen kein Muster erkennen. Die Raupen entwickeln sich bereits im Hochsommer, bleiben aber in den Gelegen, die die Weibchen an den Knospen abgelegt haben. Erst im Frühjahr schlüpfen sie und haben dann die zartesten Blättchen zur Verfügung. Diese enthalten noch wenig Blausäure-Glykoside.

Die Witterung im April ist jedoch sehr wechselhaft. Kälterückschläge mit Schnee und Frost verursachen große Verluste unter den Jungraupen. Erst die großen und dichten Gespinste bieten ausreichend Schutz. Spät schlüpfende Raupen entgehen zwar ungünstiger Witterung, sind bei gutem Wetter aber im Nachteil. Langfristig gewinnt keine Strategie. Massenvermehrungen schaffen die Frühen. Wird aber die Nahrung knapp, gibt es zu viele Hungerraupen. Weil geringere Raupenbestände weniger dichte Gespinste fertigen, sind sie der Parasitierung durch Schlupf- und Brackwespen sowie Raupenfliegen stärker ausgesetzt. Es bestimmt also nicht die Witterung allein, sonder auch der Zustand der Population den weiteren Entwicklungsverlauf. Optimal ist eine Schlüpfzeit der Gespinstmotten zwischen dem 7. und dem 20. Juli.

Gegenmaßnahmen nicht erforderlich

Zwei bis drei Wochen nach dem Kahlfraß treiben die Traubenkirschen wieder aus. Die Blätter dieser zweiten Generation sind zwar deutlich kleiner, dafür aber fast frei von Insektenfraß. Daher lassen sich Jahre mit Kahlfraß in den Jahrringen kaum feststellen. Lediglich die Fruchtbildung unterbleibt, weil die Raupen zumeist auch die Blütentriebe abfressen. Zwischen Baum und Gespinstmotte hat sich eine Art Kräftegleichgewicht eingestellt. Auch mehrfach sehr stark befallene Traubenkirschen überleben in aller Regel. Bekämpfungsmaßnahmen sind daher nicht nötig.