Der Objektschutzwald - Bedeutung und Herausforderung

Mit der im Jahr 2002 in Kraft getretenen Novelle zum Forstgesetz 1975 wurde in Österreich zum Standortschutzwald und Bannwald eine dritte Schutzwaldkategorie hinzugefügt - der Objektschutzwald. Die Bannwald-Definition wurde modifiziert.

Die Planung von Maßnahmen setzt voraus, dass bekannt ist, ob ein Wald ein Schutzwald ist oder nicht. Daher war auch eine Anpassung des Waldentwicklungsplans (WEP) erforderlich. Dazu wurde auf Grundlage der WEP-Verordnung (WEP-V, 1977) die WEP-Richtlinie (WEP-R) 2006 und 2012 neu gestaltet.

Schutzwälder in Österreich – Wälder mit vielen Namen

Tabelle 1 enthält eine Zusammenstellung der Schutzwaldbegriffe nach dem Forstgesetz (FG) und den Normen zur Waldfunktionenkartierung.

Tabelle 1: Schutzwaldbegriffe in Österreich
BegriffNorm
Schutzwald
Begriff nach dem Forstgesetz (Abschnitt III B)
Standortschutzwald
Begriff nach dem Forstgesetz (Abschnitt III B § 21 [1])
Objektschutzwald
Begriff nach dem Forstgesetz (Abschnitt III B § 21 [2])
Bannwald
Begriff nach dem Forstgesetz (Abschnitt III B § 27)
Schutzfunktion
Begriff nach der Verordnung über den WEP
Wald mit Standortschutzwirkung
Begriff nach der WEP-Richtlinie
Wald mit Objektschutzwirkung
Begriff nach der WEP-Richtlinie
Gebietsschutzwald
Begriff nach den Länderkonzepten zur Verbesserung der
Schutzwirkung des Waldes
Wirtschaftswald mit Schutzfunktion
Begriff nach den Tiroler Waldkategorien

Der Begriff "Schutzwald" ist ein Oberbegriff für den Standort- und den Objektschutzwald nach dem Forstgesetz. Der Schutzwaldstatus gilt nach § 22 [2] auch ohne behördlichen Bescheid, und auch wenn die Schutzfunktion nicht WEP-Leitfunktion ist. Wälder sind nur dann Schutzwälder, wenn sie auch "schützen" und gleichzeitig eine besondere Behandlung zur "… Erreichung und Sicherung ihrer Schutzwirkung …" erforderlich ist.

Die Formulierungen im Forstgesetz enthalten in sich widersprüchliche Aspekte. Denn eine besondere Behandlung ist vor allem in Wäldern erforderlich, die eigentlich schützen sollen und dies derzeit nicht erfüllen. In der WEP-R (2012) wird die Formulierung im Forstgesetz so interpretiert, dass die "schützende Wirkung" über die Umtriebszeit zu betrachten ist.

"Standortschutzwälder" sind Wälder, die den Standort, auf dem sie stocken, vor fluvialer, gravitativer oder äolischer Erosion schützen (Bodenschutz), und/ oder Wälder auf Standorten mit geringem ("erschwertem") Verjüngungspotenzial. Die Bodenschutzfunktion eines Standortschutzwaldes bezieht sich nur auf die Fläche, auf dem der Wald stockt, nicht aber auf benachbarte Flächen (z. B. Ackerflächen, die vor Winderosion zu schützen sind). Das wäre dann ein "Objektschutzwald".

"Objektschutzwälder" sind Wälder, "… die Menschen, menschliche Siedlungen oder Anlagen oder kultivierten Boden insbesondere vor Elementargefahren oder schädigenden Umwelteinflüssen schützen …" (FG § 21 [2]). Der Begriff bezieht sich auf direkte und indirekte Schutz- und Wohlfahrtswirkungen, sofern "besondere Maßnahmen" erforderlich sind. Es kann sich auch um einen Wald mit indirekter Bodenschutzfunktion handeln, wenn der zu schützende Boden auf einer benachbarten Fläche liegt.

Ein Objektschutzwald kann, muss aber kein Standortschutzwald sein. Die Eigentümer eines Objektschutzwaldes haben nur dann besondere Maßnahmen durchzuführen, wenn die Kosten durch öffentliche Mittel oder Zahlungen von Begünstigten abgedeckt sind.

Ein "Bannwald" ist ein Objektschutzwald mit direkter Objektschutz-, Schadens-, militärischer Tarnwirkung und/oder ein Wohlfahrtswald. Der Wald ist per Bescheid "in Bann gelegt". Es sind besondere Maßnahmen vorgeschrieben, für die Begünstigte die Kosten zu tragen haben. Das Bannwaldinstrument funktionierte als Regulativ im Schutzwaldmanagement nicht (Weiss & Meier-Glaser, 2012).

Der Unterschied zum alten Bannwald und zum heutigen Objektschutzwald besteht darin, dass der neue Bannwaldbegriff (in Bezug auf Naturgefahren) nur für Wälder mit "direkter Objektschutzwirkung" gültig ist. Bewaldete Grabeneinhänge in Wildbacheinzugsgebieten sind daher meist keine Bannwälder. Die für das Geschiebe- und Schwemmholzpotenzial maßgebenden Hangprozesse treffen nicht direkt auf ein Schadenspotenzial und sind somit nicht direkt schadenspotenzialrelevant (Giamboni, 2008). Es ist jedoch bei fluvialen und geogenen Gefahrenprozessen schwierig, direkte und indirekte Schutzfunktionen bzw. -wirkungen des Waldes abzugrenzen.

Für diesen "Schutzwald in den Grabeneinhängen" wird der Begriff "Gebietsschutzwald" mit "überörtlicher Wirkung" verwendet. Es ist oft nicht möglich, dieses Gefahren- und Schadenspotenzial "Verursachern" und "Begünstigten" zuzuordnen. Daher wurde der Bannwald auf die "… direkte Abwehr bestimmter Gefahren …" eingeengt.

Schutzfunktion versus Schutzwirkung

Die "Schutzwirkungen" des Waldes nach dem Forstgesetz werden in der WEP-V (1977) als "Schutzfunktion" und in der WEP-R (2012) wieder als "Schutzwirkung" bezeichnet. Das hängt damit zusammen, dass das Forstgesetz sowohl für die Schutzfunktion als auch für die Schutzwirkung den Begriff "Schutzwirkung" verwendet.

Die "Schutzfunktion" ist die von der Gesellschaft dem Raumelement Wald übertragene Aufgabe, vor Schäden zu schützen. Die Frage dabei ist: Wo soll Wald schützen? Die Schutzfunktion ist keine Frage des Waldzustands, sondern hängt vom "Standort" ab, der Gefahren-, Schadens- und /oder Leistungspotenziale der Waldvegetation erzeugt.

Der Begriff "Schutzwirkung" beschreibt einerseits den Mechanismus und anderseits das Ausmaß des Schutzes. Die Frage ist: Wie gut ist der Schutz durch Wald?

Die "Waldfunktionsfläche" ist eine Einheit von Waldflächen im WEP, innerhalb der die Schutzfunktion des Waldes dieselbe Wertigkeit hat. Bei hoher Wertigkeit (Wertziffer 3) ist sie die Leitfunktion der Waldbehandlung. Waldfunktionsflächen enthalten Wald- und Nicht-Waldflächen.

Ein "Wald mit Standortschutzwirkung" ist ein Wald mit Standortschutzfunktion innerhalb einer Waldfunktionsfläche nach dem WEP.

Ein "Wald mit Objektschutzwirkung" ist ein Wald mit direkter und/oder indirekter Objektschutzfunktion innerhalb einer Waldfunktionsfläche nach dem WEP.
Ein Wald kann "Wald mit Standortschutzwirkung" und/oder "mit Objektschutzwirkung" sein, auch wenn die Schutzfunktion nicht Leitfunktion ist. Entscheidend ist, dass bei einem "WEP-Schutzwald" im Gegensatz zum Schutzwald nach dem Forstgesetz keine "besondere Behandlung" erforderlich ist. Ein WEP-Schutzwald ist also nicht zwangsläufig ein Schutzwald nach dem Forstgesetz.

Tiroler Waldkategorien

Tirol verfügt über eine katastergenaue Kartierung des Schutzwaldes, die "Waldkategorien". Es werden nur die Begriffe Objektschutzwald und Standortschutzwald jeweils "im Ertrag" und "außer Ertrag" verwendet. In Tirol gibt es einen "neuen Hybriden", den "Wirtschaftswald mit Schutzfunktion". Das ist ein Standortschutzwald ohne erschwerte Wiederbewaldung.

In der neuen WEP-R (2006, 2012) wurden die Kriterien der Standortschutzfunktion erheblich geschärft. Es finden sich aber in der WEP-R außer der Aufzählung von Gefahrenprozessen noch keine methodischen Hinweise zur Feststellung der Objektschutzfunktion.

12 Jahre danach

Zwölf Jahre nach der Novellierung des Forstgesetzes und acht Jahre nach dem Erscheinen der neuen WEP-R gibt es noch keine offiziellen Zahlen darüber, wie viel Wald in Österreich "Objektschutzwald" und "Standortschutzwald" ist.

Als zuverlässigste Quelle über den Wald Österreichs gilt die Österreichische Waldinventur (ÖWI). Sie erhebt den Schutzwald als "Standortschutzwald". Eine Erfassung der Objektschutzfunktion ist mit den bisher eingesetzten ÖWI-Methoden nicht möglich (Hauk & Perzl, 2013). Daher ist die Schutzwaldfläche der ÖWI erheblich kleiner als nach dem WEP.

Bei S3-Schutzwäldern besteht ein besonderes, bei S2-Flächen ein erhöhtes öffentliches Interesse an der Schutzwirkung des Waldes. Jeder Wald hat mindestens die Wertziffer S1.

Nach der WEP-R gibt es drei Grade von "Schutzwald": die S3-, S2- und S1-Schutzfunktionsflächen (sh. Infokasten). Je nachdem, ob man bereits S2- oder nur S3-Flächen als "Schutzwald" definiert, beträgt die Waldflächendifferenz zwischen WEP und ÖWI "nur" rund 400.000 oder aber rund 1.100.000 ha (die Zahlen variieren je nach WEP- und ÖWI-Stand).

Die Erfassung des "Waldes mit Objektschutzwirkung" im WEP ist noch nicht abgeschlossen. Der "Wald mit Objektschutzwirkung" wird nicht kartiert, sondern es wird der Anteil an der Funktions- und an der Waldfläche geschätzt. Es kann auch nach der WEP-Revision nicht festgestellt werden, ob eine ÖWI-Stichprobe in einer Objektschutz-Funktionsfläche liegt.

Aus den Schätzungen des Maßnahmenbedarfs bei der Erstellung der Länderkonzepte zur Verbesserung der Schutzwirkung des Waldes und der ISDW-Programmkulisse ergibt sich eine "Schutzwaldfläche" mit direkter und indirekter Objektschutzfunktion in Österreich von etwa 550.000 ha. Nur für Tirol liegen genaue Zahlen vor (Tabelle 2).

Tabelle 2: Schutzwaldfläche in Tirol nach den Tiroler Waldkategorien (Quelle: LFD Tirol)
Waldtyp nach den Tiroler WaldkategorienWaldfläche [ha]Waldfläche [%]
1 Wald (mit Nicht-Holzboden + Strauchflächen)
521.705,1
100,0
Schutzwald    
2 Objektschutzwald (OSW) im und außer Ertrag
122.543,9
23,5
3 Schutzwald außer Ertrag (SAE) ohne OSW
154.024,5
29,5
4 Schutzwald im Ertrag (SIE) ohne OSW
95.550,5
18,3
5 Wirtschaftswald mit Schutzfunktion (WS2)
64.460,4
12,4
6 Standortschutzwald (SAE + SIE)
249.575,0
47,9
7 Standortschutzwald (SAE + SIE + WS2)
314.035,4
60,2
8 Schutzwald außer Ertrag mit und ohne OSW
204.638,1
39,2

Das Flächenausmaß ist jedoch nicht die entscheidende Zielgröße der Schutzwaldkartierung. Wesentlich wichtiger sind die Informations-, Koordinations- und Präventionswirkung. Waldbauliche Maßnahmen zum Schutz vor Naturgefahren sind nur dann effizient, wenn sie vor dem Verlust der Schutzwirkung des Waldes oder dem Entstehen von Gefahrenquellen durch die Bestockung genau dort durchgeführt werden, wo sie etwas "bewirken" können.

Dazu muss festgelegt werden, was durch den Wald zu schützen ist. Nach dem Forstgesetz ist so gut wie jedes Raumelement zu schützen. Das hat dazu geführt, dass nach der WEP-R auch Wanderwege, Wiesen, ja sogar Waldflächen (Forststraßen), ein "… öffentliches Interesse an der Schutzwirkung des Waldes …" begründen.

Die Richtlinie für die Gefahrenzonenplanung (GZP-R, 2011) definiert den "raumrelevanten" Bereich wesentlich enger. Es müssen aber auch Forderungen nach "risikoorientiertem Schutzwaldmanagement" mit Bedacht umgesetzt werden. Der Risikoansatz erfordert die Monetarisierung der zu schützenden Werte. Das kann zu räumlichen Konzentrationseffekten und sozialem Ungleichgewicht führen.

Weder WEP noch GZP liefern die Informationen in der Form, die für einen präventiven Waldbau zum Schutz vor Naturgefahren erforderlich ist. Der GZP-Kartenteil beschränkt sich auf die Darstellung von akuten Gefährdungen im "Bauland" und in bestimmten "Sondergebieten". Durch die maßstabsbedingte Generalisierung können mit Hilfe des WEP Gefahren- und Schadenspotenziale aus dem Wald nur grob zugeordnet werden.

Was wäre zu tun?

Krott (1989) hat den Ausbau des WEP zum forstlichen Rauminformationssystem als eine mögliche Variante vorgeschlagen. Dazu sind jedoch eine verbesserte Geodateninfrastruktur (GDI) und mehr Forschung und Entwicklung zur "Schutzwirkung des Waldes" erforderlich:

  • Weiterer Aufbau der GDI und bessere Koordination bei der Erstellung von Geogrundlagendaten zwischen Bund, Bundesländern und den beteiligten Institutionen. Nutzung der verbesserten Geogrundlagendaten
  • Erstellung einheitlicher Grundlagen wie z. B. einer einheitlichen digitalen Waldkarte
  • Verbesserung der Richtlinien durch begriffliche und inhaltliche Konsistenz, schärfere Kriterien und Indikatoren der Gefahrenpotenziale sowie Einsatz von Methoden "nach dem Stand der Technik".

Was wurde und wird getan?

Das Lebensministerium (BMLFUW, Abteilungen IV4 und IV5) hat Initiativen gesetzt, um die Planungsgrundlagen im Schutzwaldmanagement zu verbessern.

Für die Planung und Evaluierung der Schutzwaldverbesserung im Rahmen der EU-Verordnung Ländliche Entwicklung (LE 07-13), die "Initiative Schutz durch Wald" (ISDW), wurde ein einheitlicher Standard zur Dokumentation der Standorts- und Waldverhältnisse eingeführt. Dabei wurden jedoch die Möglichkeiten, die sich aufgrund verbesserter Geogrundlagendaten eröffnen, noch nicht ausgeschöpft.

Das Projekt GRAVIPROFOR des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) im Auftrag des BMLFUW beschäftigt sich mit der digitalen Erfassung sowie Modellierung des Gefahren- und Schadenspotenzials durch Schneelawinen und Steinschlag aus dem Wald. Dabei wird der ISDW-Ansatz zur Bestimmung der Gefahren-Grunddisposition (Steinschlag- und Lawinen-Startzonen) verbessert.

Zur Erfassung der direkten Objektschutzfunktion sind Werkzeuge erforderlich, mit denen die potenzielle Reichweite von gravitativen Naturgefahren-Prozessen abgeschätzt werden kann. Das BFW wurde beauftragt, Modelle zu erstellen, die ohne "Expertenjustierung" zur Abschätzung von Prozessreichweiten für Gefahrenhinweiskarten eingesetzt werden können (GRAVIPROMOD).

Eine ÖREK-Arbeitsgruppe unter Leitung des BMLFUW (die.wildbach) beschäftigt sich mit den Planungsgrundlagen des Risikomanagements für gravitative Naturgefahren in der Raumordnung.

Letztlich liegt aber die Erarbeitung vieler Grundlagen nicht in der Kompetenz des Bundes und des Forstwesens und wird durch die Kompetenzzersplitterung erschwert.

Literatur

  • Giamboni, M. (2008): SilvaProtect-CH – Phase I. Projektdokumentation. Bundesamt für Umwelt (BAFU), Bern.
  • Hauk, E.; Perzl, F. (2013): Freiflächen in Österreichs Wald – Viehweiden und Gefahrenquellen? BFW-Praxisinformation 32/2013: 24-31
  • Krott, M. (1989): Forstliche Raumplanungspolitik. Praxis und Zukunft des österreichischen Waldentwicklungsplans. Forstliche Schriftenreihe Universität für Bodenkultur Wien. Band 2.
  • Weiss, G.; Meier-Glaser, A. L. (2012): Coase und der Schutz vor Naturgefahren durch den Wald – eine institutenökonomische Analyse. Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen 163: 17-28