Den Regionalen Natura 2000-Kartierteams im Gebirge fehlen wichtige Grundlagen für ihre Arbeit. Die Flora-Fauna-Habitat (FFH)- Lebensraumtypen werden vorrangig nach Standort und Zusammensetzung von Baumschicht und Bodenvegetation abgegrenzt. In den bayerischen Alpen liegen Standortskarten bisher nur für wenige Gebiete vor, Forsteinrichtungsdaten stehen vielerorts nicht zur Verfügung.

Über GIS zu Lebensraumtypen

2004 startete deshalb ein Forschungsprojekt, das die fehlenden Informationen in einem geographischen Informationssystem (GIS) aus vorhandenen Daten nachbilden soll. In zwei Testgebieten wurden die wichtigsten Faktoren (Klima, Lage, Boden) aus digitalen geologischen Karten und einem digitalen Geländemodell abgeleitet. Diese Faktoren wurden mit Hilfe eines GIS-Modells verknüpft woraus eindeutige Merkmalskombinationen hervorgingen. Diese konnten potentiellen natürlichen Waldgesellschaften zugeordnet und in einem weiteren Schritt zu potentiellen Wald-Lebensraumtypen zusammengefasst werden. Die Interpretation und Verifizierung der Modellergebnisse erfolgte mit Hilfe der Fernerkundung.

Luftbildinterpretation ersetzt Muskelkraft

Neben dem standörtlichen Potential ist zur Beurteilung der Lebensraumtypen-Eigenschaft einer Waldfläche die Zusammensetzung von Baumschicht und Bodenvegetation maßgeblich. Eine Geländekartierung im Gebirge ist allerdings aufgrund des enormen Zeitaufwandes und einer hohen Unfallgefahr abseits befestigter Wege heikel und wird daher auf Stichproben und möglichst wenige Teilflächen beschränkt. Die Strukturparameter werden überwiegend mittels moderner Fernerkundungsmethoden erfasst.

Die forstlichen Fernerkundungsspezialisten verwenden dazu analoge Farbinfrarot (CIR)-Luftbilder (Abb. 1). Diese eignen sich hervorragend zur Differenzierung einzelner Vegetationsformen bis hin zur Unterscheidung von Baumarten und damit auch für die Abgrenzung von Wald-Lebensraumtypen. Um den manuellen Aufwand möglichst gering zu halten, gruppiert eine spezielle Bildverarbeitungssoftware einzelne Pixel zu Objekten und weist diesen die zuvor definierten Klassen "Wald" und "Offenland" zu.

Die im GIS modellierten, potentiellen Lebensraumtypen werden mit der Wald-Offenlandmaske verschnitten. Dadurch lassen sich die folgenden, aufwändigen Interpretationsarbeiten auf die tatsächliche Waldfläche beschränken, was einen enormen Zeitgewinn bringt. Die Luftbildinterpreten vergleichen die tatsächlich vorhandenen Baumartenanteile mit den vorgegebenen Anforderungen der Wald-Lebensraumtypen. Sind die geforderten Baumartenanteile vorhanden, kann die Lebensraumtypeneigenschaft einer Waldfläche bestätigt werden. Mit dieser Methode können täglich 250 bis 300 Hektar bearbeitet werden.

Die Luftbildinterpreten können lediglich in optisch schwierig zu erfassenden Situationen, z.B. Schatthanglagen oder Jungbeständen, keine ausreichend sichere Aussage über die Lebensraumtypengemeinschaft treffen. Diese Flächen überprüfen die Kartierteams gezielt im Gelände, ebenso kleinflächige, prioritäre Lebensraumtypen wie Moorwälder oder bachbegleitende Erlen-Eschenwälder, die einen besonders hohen naturschutzfachlichen Wert besitzen. Damit lässt sich der tatsächlich zu begehende Flächenanteil auf circa 20 Prozent eines FFH-Gebietes verringern.

Bewertung des Erhaltungszustandes

Auf dem Weg zum Natura 2000-Managementplan ist die flächenhafte Abgrenzung von Lebensraumtypen nur ein erster Schritt, der nächste ist deren Bewertung des Erhaltungszustandes. In den Alpen werden dafür zwei unterschiedliche Bewertungsmethoden eingesetzt.

Seltene oder prioritäre Lebensraumtypen: Die Kartierteams erheben die für die Bewertung des Erhaltungszustandes ausschlaggebenden Merkmale. Das sind z.B. Baumartenanteile, vertikale und horizontale Strukturen, Totholz- und Biotopreichtum. Mit diesen Daten kann dann der ökologische Zustand des Lebensraumes ermittelt und bewertet werden.

Bergmischwald und subalpine Fichtenwälder: Aufgrund der enormen Größe der zu bearbeitenden Flächen im Gebirge wäre eine terrestrische Bewertung zu aufwändig, daher wird wiederum zur Fernerkundung gegriffen. Laserscannerdaten des Bayerischen Landesamtes für Vermessung und Geoinformation erlauben, Aussagen zu vertikalen und horizontalen Strukturen der Wälder zu treffen (Abb. 3). In Kombination mit einer über das CIR-Luftbild durchgeführten Probekreisinventur und Informationen der Experten vor Ort wird ein ausreichend genaues Bild des Erhaltungszustandes gewonnen.

Die hier beschriebenen Verfahren lassen weiteres Rationalisierungspotential erkennen. Zukünftig können vielleicht auch Strukturen in Schattenbereichen und in den unteren Bestandesschichten zunehmend aus der Luft bzw. dem All erfasst werden.