Die Eingriffsregelung besteht seit 1976 mit der Einführung des Bundesnaturschutzgesetzes. Sie zählt zu den bedeutendsten und erfolgreichsten Instrumenten des Naturschutzes in Deutschland. Ihre Idee ist die Erhaltung des Status quo. Während die "klassische" Eingriffsregelung nach dem Wiedergutmachungsprinzip bei Kompensationsmaßnahmen im Wald Routine geworden ist, wird die Eingriffsreglung mittels Ökokonto nach dem Vorsorgeprinzip im Wald dagegen gerade erst entwickelt.

Begriff Ökokonto

Das Ökokonto gehört im Naturschutzrecht zur Rubrik der Eingriffsregelung. Ziel ist es, einen vorsorgenden Maßnahmen- und Flächenpool von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu schaffen, mit denen zukünftige Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes im möglichst engen und fachlich angemessenen funktionalen, räumlichen und zeitlichen Bezug zu den Eingriffen ausgeglichen werden können. Gegenüber dem "klassischen" Eingriffsausgleich liegt der Vorteil des Ökokontos darin, dass Maßnahmen für zukünftige Eingriffe im Vorfeld umgesetzt (zeitliche Entkoppelung), unabhängig vom Eingriffsort realisiert (räumliche Entkoppelung) und mittels eines Projektes gebündelt werden können. Mit diesem Vorsorgeprinzip leistet es auch einen Beitrag zur Nachhaltigkeit.

In Baden-Württemberg werden ab 2008 zwei Arten von Ökokonten existieren: das gemeindliche Ökokonto (GÖkokonto) und das naturschutzrechtliche Ökokonto (NatÖkokonto), das mit der Novellierung des LNatSCHG 2006 geschaffen wurde. Die Durchführungsverordnung zum NatÖkokonto ist in Vorbereitung und wird voraussichtlich im Jahre 2008 verabschiedet.

Rechtlicher Rahmen

Die materiellen, naturschutzrechtlichen Anforderungen für Eingriff und Ausgleich in Natur und Landschaft finden sich im Bundesnaturschutzgesetz (§§ 18 – 20 BNatSchG) sowie im Landesnaturschutzgesetz von Baden-Württemberg (§§ 20 –23 LNatSchG B‑W). Die Eingriffs- und Ausgleichsregelung im Baugesetzbuch (BauGB) innerhalb der Bauleitplanung ist im Wesentlichen eine Verfahrensregelung. Hiernach kann eine räumliche und zeitliche Entkoppelung stattfinden (§1a Abs. 3, §9 Abs. 1a, 135 Abs. 2, § 200 a). Die Verantwortung für die Durchführung der festgesetzten Maßnahmen sowie die Kostenerstattung regelt §135 a Abs. 1 BauGB.

Regelungen zum GÖkokonto finden sich in der Bauleitplanung (§135 a BauGB) und zum NatÖkokonto für Fachplanungen und sonstigen Vorhaben im §19 Abs. 4 BNatSchG sowie im §22 LNatSchG B‑W. Im § 22 LNatSchG B‑W finden sich sowohl Verfahrensregeln als auch fachliche Vorgaben.

Als lex specialis regelt §§ 9-11 Landeswaldgesetz für Baden-Württemberg (LWaldG B-W) den Erhalt des Waldes. Es verlangt bei Umwandlungen in erster Linie die Aufforstung einer Ersatzfläche in der Nähe, die Durchführung sonstiger Schutz- und Gestaltungsmaßnahmen oder als letzte Möglichkeit eine Walderhaltungsabgabe. Konkret bedeutet dies: bei Eingriffen im Wald müssen zuerst die Anforderungen des LWaldG B-W erfüllt werden. Die folgende Tabelle 1 gibt einen Überblick über die denkbaren Fallgestaltungen beim Zusammenspiel von naturschutzrechtlicher Eingriffsregelung und Waldumwandlungsgenehmigung. Sie verdeutlicht, dass die Kompensation von Eingriffen im Wald mit Ausgleich im Wald kaum Schwierigkeiten bereitet, spannender und komplexer ist der Ausgleich von Eingriffen im Offenland mit Ausgleich im Wald oder umgekehrt.

Tab. 1: Zusammenspiel von naturschutzrechtlicher Eingriffsregelung und Waldumwandlungsgenehmigung

Ort des Eingriffs

 

Ort des Ausgleichs

 

Nach §9 Abs.3 Ziff.3 LWaldG mögliche Schutz- und GestaltungsmaßnahmenAnerkennung als Ausgleich

 

WaldWaldSchutz- und Gestaltungsmaßnahmen mit konkretem Flächenbezug und dauerhafter FlächenbindungJa
WaldWaldSchutz- und Gestaltungs-maßnahmen ohne konkreten FlächenbezugNein
OffenlandWaldSchutz- und Gestaltungs-maßnahmen mit konkretem Flächenbezug und dauerhafter Flächenbindung
  • Als Ausgleichsmaßnahmen für das Schutzgut Lebensräume nicht zulässig, weil Funktions- und Schutzgutbezug nicht gegeben sind (Offenland/Wald); für die anderen Schutzgüter prinzipiell möglich, aber im Einzelfall zu prüfen
  • Als Ersatzmaßnahmen fachlich möglich
  • Rechtliche Sicherung nicht über Landeswaldgesetz möglich, da der rechtliche Anknüpfungspunkt der Waldumwandlung fehlt

Fachliche Grundanforderungen

Die konkreten Kompensationsmaßnahmen innerhalb eines Ökokontos müssen einen dauerhaften naturschutzfachlichen Mehrwert (Entwicklungs- anstatt Erhaltungsmaßnahmen) erbringen. Maßnahmen zu deren Durchführung bereits eine rechtliche Verpflichtung besteht oder die mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, sind keine Ausgleichsmaßnahmen. Dies gilt ebenfalls für Maßnahmen, die einen guten Zustand von Natur und Landschaft sichern (Erhaltungsmaßnahmen), aber keine naturschutzfachliche Aufwertung bewirken z. B. Dauerpflege zur Sicherung des Status quo. Es darf weiterhin nicht zu erwarten sein, dass die Ausgleichsflächen für andere Zwecke überplant werden.

Bei der Kompensation gilt es nach den bisher vorliegenden praktischen Erfahrungen folgende Grundsätze einzuhalten:

  • Formal ist die Entscheidungskaskade abzuarbeiten: 1. Vermeidung, 2. Verminderung, 3. Ausgleich und 4. Ersatzmaßnahmen.
  • Bei der Auswahl der möglichen Ausgleichsmaßnahmen gilt zudem die Qualitätspriorität. Diese verlangt den Vorrang von Kompensationsmaßnahmen, welche eine möglichst hohe Wertstufe erreichen. So hat die Entwicklung eines Magerrasens Vorrang vor der Umwandlung eines Ackers in eine Wirtschaftswiese auf mittlerem Standort, obwohl der „Ökopunktgewinn“ beim Magerrasen nicht so hoch ist wie bei der Umwandlung des Ackers.
  • Die Vollkompensation ist dann erreicht, wenn die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes und Landschaftsbildes nach dem Ausgleich auf Dauer und damit nachhaltig der vor dem Eingriff entspricht.

Denkbare Beispiele für ökokontofähige Maßnahmen im Wald sind:

  • Verbesserung, Entwicklung oder Neuanlage von Lebensraumtypen nach Anhang I der FFH-Richtlinie oder von seltenen naturnahen Waldgesellschaften,
  • landschaftsgerechte Aufforstungen von Offenland mit Baumarten des Standortswaldes
  • Neuanlage von Waldinnen- und Waldaußenrändern,
  • Maßnahmen der Landschafts- und Biotoppflege im Wald oder im Wald liegender Offenlandbiotope (keine Erhaltungsmaßnahmen sondern nur Entwicklungsmaßnahmen),
  • Entwicklung naturnaher Altholzinseln,
  • Wiederherstellung von historischen Waldnutzungsformen (Niederwald, Mittelwald, Hutewälder),
  • Ausweisung von Bannwäldern innerhalb des Bannwaldprogramms Baden-Württemberg,
  • Entsiegelung, Rückbau und Umwandlung von Waldwegen in naturnahe Waldbestände,
  • naturnahe Ausgestaltung von Fließgewässern, Maßnahmen zur Beseitigung von Hindernissen für die Tierwanderungen, Maßnahmen zur Wiederherstellen von Feuchtbiotopen durch Verbesserung von Standortsverhältnissen z. B. durch Wiedervernässung von Sumpfwäldern, u. a.

Was in der Praxis oft unterschätzt wird, ist das Management des Ökokontos. So bedarf bereits die Aufstellung des Ökokontos einer sehr guten Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen den Akteuren der unteren Naturschutzverwaltung, der Waldbesitzer, Kommunen und der unteren Forstbehörde. Das umfassende Management des Ökokontos benötigt darüber hinaus neben einem sehr guten Sachverstand auch ein hohes Maß an Kommunikations-, Kooperations- und Managementqualitäten.

Antragsverfahren

Das derzeit diskutierte Antragsverfahren für das gemeindliche und naturschutzfachliche Ökokonto zeigt die Abbildung 2.

Derzeitige Probleme und Diskussionspunkte über Kompensationsmaßnahmen im Wald

Die Probleme und Diskussion über die Vor- und Nachteile der Kompensation von Ausgleichsmaßnahmen im Wald beginnt erst. Die derzeit wichtigsten Diskussionspunkte sind:

  • Die Schwelle der Anerkennungsfähigkeit von Kompensationsmaßnahmen im GÖkokonto wird derzeit in der Praxis je nach Gesichtspunkt des Bewerters sehr unterschiedlich angesetzt, da ein vorgeschriebenes einheitliches Bewertungsverfahren fehlt. Vorschläge zur Fixierung des Ausgangsniveaus wie ordnungsgemäße Forstwirtschaft, naturnaher Waldbau oder auch gute fachliche Praxis treffen aufeinander und damit ganz verschiedene Vorstellungen von anzustrebenden Standards. In diesem Zusammenhang wird auch die Frage gestellt, ob je nach Waldbesitzart unterschiedliche Schwellenwerte zu verwenden sind.
  • Wird der schon auf hohem naturschutzfachlichem Niveau arbeitende Waldbesitzer durch geringere Möglichkeiten von Kompensationsmaßnahmen nicht noch für seinen vorbildlichen Einsatz in der Vergangenheit „bestraft“?
  • Der Umfang und die Art von möglichen Kompensationsmaßnahmen werden sehr unterschiedlich diskutiert. Bei sehr teueren Kompensationsmaßnahmen wird in der Praxis versucht, die Bewertung nach dem notwendigen Input zur Herstellung der Maßnahme vorzunehmen. Dies ist aber nicht gerechtfertigt. Entscheidend ist der Zielzustand. Denn nicht die Kosten der Maßnahme sind entscheidend für den naturschutzfachlichen Ausgleich sondern das Ziel: die Erhaltung des aktuellen Status quo mit dem Ausgleich der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes und Landschaftsbildes.
  • Was bedeutet eine möglichst enger und fachlich angemessener funktionaler, räumlicher und zeitlicher Bezug zu den Eingriffen?
  • Wie verhält sich das Bewertungsmodell Wald gegenüber den Bewertungsmodellen in anderen Bereichen wie Offenland, Gewässer u.a.?
  • Die Kompensation von Eingriffen im Offenland mit Ausgleich im Wald oder umgekehrt ist sehr komplex. Ist deshalb bei der Bewertung die Relation Wald/Offenland je nach Bewaldungsprozent zu verändern?
  • Wie ist die dauerhafte Sicherung und Pflege zu gewährleisten (Eingriffszeit muss der Ausgleichzeit entsprechen)?
  • Was passiert beim Auftreten von höherer Gewalt z. B. mittels Sturm, die die Kompensationsmaßnahmen wie z. B. Altholzinseln oder das „Alter“ als Bewertungsfaktor maßgeblich verändern können?
  • Wie muss die Qualitätssicherung der Kompensationsmaßnahmen und deren Monitoring aussehen? Konkret: Kann die Kontrolle der Umsetzung, Evaluierung und Nachkontrolle im öffentlichen Wald durch das Instrument der Forsteinrichtung gewährleistet werden? Wie kann dieses Anliegen der Kontrolle auch im Privatwald möglichst effizient erfolgen?
  • Wie kann die technische Durchführung begleitet werden, um bei möglichst geringem Verwaltungsaufwand für Prüfung der Gutachten, Kontrolle, Evaluation und Nachkontrolle der Maßnahmen sowie der Kontoführung trotzdem eine effiziente und wirksame Umsetzung des Ökokontos zu gewährleisten?
  • Ist eine Verzinsung der Maßnahmen zielführend und wenn ja, wie hat sie dann auszusehen?

Fazit und Ausblick

Für den Natur- und Landschaftsschutz bietet das Ökokonto Vorteile

  • durch sein Vorsorgeprinzip für nachhaltige Erhaltung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes,
  • seine Möglichkeit zur zeitlichen und räumlichen Entkoppelung vom Eingriffsort,
  • in der Bündelung von verschiedenen Eingriffen an ein Projekt, wodurch eine größere und gezielte Wirkung für Ausgleichsmaßnahmen entstehen können,
  • für die Realisierung von Vorhaben eine deutliche Erhöhung der Umsetzungsflexibilität und
  • eine effizientere und meist kostengünstigere Entwicklung von Kompensationsmaßnahmen.

Es ist somit kein Instrument zur Verhinderung von Vorhaben, sondern dient wie die Eingriffsregelung generell dem Erhalt des Status quo und Wiederherstellung von Qualitäten in Natur und Landschaft.

Die für Baden-Württemberg angestrebte Ökokontoverordnung liefert die Chance für ein verbindliches Bewertungsmodell generell und im Wald. Es ermöglicht die vereinfachte Bewertung von Naturschutzleistungen im Wald sowie als Produkt verstanden auch deren Anerkennung ‑ vielleicht auch monetär ‑, einhergehend mit einer regionalen Wirtschaftsförderung. Für den Forstbetrieb entstehen eventuell zusätzliche Geschäftsfelder, für den Naturschutz Möglichkeiten zusätzlicher Mehrwerte.

Großer Handlungsbedarf besteht im Bereich der Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen. Die Qualitätssicherung und das Monitoring der Kompensationsmaßnahmen sind entscheidend für den Erfolg der Eingriffsreglung in der Zukunft. Während die Erfassung- und Bewertungsverfahren des Eingriffs bzw. des Ausgleichs einen relativ hohen Entwicklungsstand erreicht hat, fehlt dieser beim Monitoring. Um in der Praxis der Theorie einen großen Schritt näher zu kommen, sollte in der Zukunft deshalb das Schwergewicht auf die Entwicklung von Instrumenten und Verfahren des Monitorings gelegt werden. Darin liegt auch die große Chance, hier mittels des § 22 Ökokonto des LNatSchG B‑W und seiner in Vorbereitung stehenden Durchführungsverordnung zum NatÖkokonto einen entscheidenden Schritt weiterzukommen. Für Kompensationsmaßnahmen im Wald bedeutet das, die Instrumente der Forstwirtschaft weiterzuentwickeln und zu nützen, um eine nachhaltige und effiziente Qualitätssicherung samt Monitoring zu erhalten: die Forsteinrichtung.

  • Dieser Artikel entstandt anlässlich eines Vortrags (am 23.10.2007 in Bonn) zum Thema "Kompensationsmaßnahmen im Wald", und kann hier als PDF-Datei in der ausführlichen Version und mit allen Literaturangaben heruntergeladen werden.