Konträr zum relativ waldarmen Donautal und mit der Stieleiche als Leitbaumart nimmt der Stadtwald Donauwörth im nordschwäbischen Raum eine Sonderstellung ein – und besteht vermutlich schon seit über 6.000 Jahren. Auf insgesamt etwa 180 Hektar befindet sich ein flächendeckendes Netz von bis zu 300 Jahre alten Mittelwaldeichen und ist unter anderem ein bedeutender Verbreitungsschwerpunkt der Bechstein-Fledermaus.

Historie: Der Weg hin zu den Eichen

Im Jahr 1348 erhielt die Stadt Donauwörth die im Nordosten gelegenen Waldungen. Die Stadt benötigte große Mengen an Bauholz für Brücken und Festungsanlagen. Ihre Arbeiten bei den Festungs- und Brückenbauarbeiten wurden den Bürgern mit Brennholzrechten abgegolten, die noch heute bestehen. Um den zusätzlichen Brennholzbedarf zu sichern, wurde der schlagweise Mittelwaldbetrieb eingeführt. Als Anfang des letzten Jahrhunderts diese Art der Bewirtschaftung nach und nach eingestellt wurde, entstanden die typischen "durchgewachsenen Mittelwälder" mit kurzstämmigen, knorrigen Eichen mit hohem Totholzanteil in den Baumkronen.

Nur etwa 180 Hektar dieser Bestandsform überlebten die in der Nachkriegszeit praktizierte Umwandlung in fichtendominierte Nadelholzbestände. Dann forderte die hohe Nachfrage nach Furniereiche in den 1960er und 1970er Jahren ihren Tribut. Übrig blieben zuwachsschwache Laubholzaltbestände, deren Mittelwaldeichen nur noch den kümmerlichen Rest der ehemaligen Eichenpracht darstellen. Heute stehen diese Eichen vor ganz neuen Herausforderungen und Gefährdungen.

Schatztruhe Eichenwald

Welche Schätze diese Wälder beherbergen, soll uns der Beispielbestand I.2a/0 Kessel zeigen.

Bestandsgröße12,1 ha
Bestandsalter (Durchschnitt)120 Jahre
BaumartenanteileRotbuche 41 %, Stieleiche 30 %, Rest (29 %): sonstiges Laubholz (Linde, Esche, Erle, Hainbuche) und wenige Lärchen
Vorrat307 fm/ha
Zuwachs4,3 fm/ha

Bestandsdaten laut Forsteinrichtung von 1994

Der Bestand ist inzwischen nahezu komplett mit Naturverjüngung von Rotbuche, Esche und Linde unterlaufen. Die Baumschicht besteht aus den ehemaligen Mittelwaldeichen (einzeln und truppweise), durchgewachsenen Linden- und Erlenstockausschlägen sowie wuchskräftigen Eschen- und Rotbuchenkernwüchsen. Letztere behindern den Wuchs der Eichen seit 20-30 Jahren sehr stark. Aufgrund der aktuell vorherrschenden Standortsverhältnisse handelt es sich um potenziell sekundäre Eichenwälder.

Für diesen Bestand sind die FFH-Lebensraumtypen "9160 Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwald" und "9170 Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald" gelistet. 2009 hat Dr. Heinz Bußler von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) eine Waldabteilung untersucht, mit dem Ziel über die xylobionte Käferfauna naturschutzfachlich wertvolle Waldbestände zu identifizieren. Dabei erfasste er 104 Arten, darunter 17 Arten der Roten Liste, und eine Urwaldreliktart (Corticeus fasciatus). Zudem konnten bei nächtlichen Fangaktionen 13 verschiedene Fledermausarten ermittelt werden. Die Biodiversität der Xylobionten, Vogel- und Fledermausfauna im Stadtwald Donauwörth ist an die hervorragende Strukturqualität der lebenden Alteichen als Habitatbäume gebunden – weniger an die Totholzmenge und die Begleitbaumarten. Naturschutzmaßnahmen sollten daher primär den Erhalt der Alteichenbestockung als Ziel haben.

Gefährdung durch den Nachwuchs

Baumartenzusammensetzung und Altersaufbau des Beispielbestandes zeigen, dass sich vor allem Rotbuche, Winterlinde und verschiedene Mischbauarten durchsetzen. Kernwüchse schieben sich bei Lichtstellung langsam unter das Kronendach, stechen durch und leiten so einen schleichenden Baumartenwechsel ein – zumeist weg von der Eiche. Aus den jüngeren Altersklassen verschwindet die Eiche komplett. Das liegt einerseits an ihrer mangelnden Schattenverträglichkeit, andererseits ließ in der jüngeren Vergangenheit ein zu hoher Wildbestand die Naturverjüngung der Eiche und anderer wertvoller Mischbaumarten (z.B. Elsbeere, Wildkirsche, Mehlbeere) nicht zu.

Was tun?

Bürgermeister und Stadtrat beschlossen, den "Alten Donauwörther Wald" mit seiner Biotoptradition unabhängig von wirtschaftlichen Erwägungen zu erhalten. Das daraufhin entwickelte integrative Biotopbaum- und Totholzkonzept mit teilweisem Nutzungsverzicht sollte folgende Leitgedanken beinhalten:

  • Weiterführung der Biotoptradition durch Bewahrung, Schutz und Förderung der Alt- und Biotopeichen auf ausgewählten Standorten
  • Sicherung des genetischen "Stammbaumes" der Alteichen durch gezielten Schutz und Förderung vorhandener und zukünftiger Eichennaturverjüngung
  • Weiterführung des "Rückumbaus" standortswidriger Nadelholzbestände in Laubholzbestände mit führender Eiche

Interessante Lösungs- und Behandlungsansätze lieferten das "Rothenbucher Modell" und vor allem das "Trittsteinkonzept" der Bayerischen Staatsforsten (BaySF). Ausgesuchte, ökologisch besonders interessante Bestandsteile von 0,5 bis fünf Hektar Größe werden regelmäßig über der Waldfläche verteilt festgelegt. Die für jeden dieser "Trittsteine" notwenigen Maßnahmen werden ermittelt und prioritär vor allen anderen durchgeführt. Zwei Beispiele:

TrittsteinMaßnahmen
Alt- und BiotopeicheEs erfolgen Hiebsmaßnahmen, die der Mittelwaldwirtschaft ähneln. Alteichen werden freigestellt und umlichtet.
TotholzinselVollständiger Nutzungsverzicht; langfristig entstehen einem Naturwaldreservat ähnliche Strukturen

Weitere Trittsteine könnten extreme Vernässungs- oder Vergrasungsflächen sein. Auch Feuchtbiotope lassen sich integrieren.

Um das Problem "Altbäume und Verkehrssicherheit" zu umgehen, befinden sich die Trittsteine möglichst in sicherem Abstand zu Verkehrsflächen. Auf der restlichen Fläche orientiert sich die waldbauliche Behandlung konsequent am Erhalt besonders schützenswerter Alteichen.

Die Sicherung des "Stammbaums" der Alteichen erfolgte sofort. Denn entgegen aller Lehrmeinung überraschten viele der Alteichen mit zählbaren Eichelmastmengen. Je nach Bodengare und Verunkrautungszustand wurden bei vielen der fast 300jährigen Eichen Naturverjüngungsansätze entdeckt. Da sie sonst keine Überlebenschance hätten, wurden stabile und gesunde Jungeichen mit Wuchshüllen geschützt und gleichzeitig von verdämmender Wuchskonkurrenz befreit. Gleichzeitig eliminiert das Eschentriebsterben nach und nach die enorme Wuchskonkurrenz der Eschennaturverjüngung und verhilft so den Jungeichen zu besseren Aufwuchsbedingungen.

Todesurteil Stilllegung

Ohne forstwirtschaftliches Zutun würde sich der schleichende Prozess des Baumartenwechsels fortsetzen und über kurz oder lang würden die Alt- und Biotopeichen des Stadtwaldes aus dem Waldbild verschwinden. Vor diesem Hintergrund sind die Bestrebungen mancher Umwelt- und Naturschutzverbände, ökologisch wertvolle, eichenreiche Waldbestände großflächig stillzulegen, äußerst kritisch zu sehen. Für die Alteichen im Donauwörther Stadtwald würde dies das Todesurteil und damit auch das Ende einer mehrere tausend Jahre alten Habitattradition inklusive ihrer beeindruckenden Artengilde bedeuten.