Im Beitrag "Die Klimazukunft ist schon da" wird ein kurzer Überblick über unsere Exkursion zu sechs Beispielregionen und deren geografische Verteilung gegeben und der Begriff "Klimahülle" erläutert. Im Folgenden nun die einzelnen Stationen ausführlich:

1. Station – Fichten in Mittelfranken

Mitten durch Bayern verlaufen zwei für die Brotbaumart der süddeutschen Forstwirtschaft wichtige Grenzen. Die eine markiert das Gebiet des natürlichen Vorkommens der Fichte in den Alpen und den nordostbayerischen Mittelgebirgen. Im Flachland, in etwa der Grenze von Unter- zu Mittelfranken folgend, verläuft der Rand des künstlichen Fichtenanbaus außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets. Jenseits dieser Anbaugrenze, in den wärmsten und trockensten Gebieten, findet man kaum noch flächige Fichtenanbauten. Entweder verhinderte die Klugheit der Förster und Waldbesitzer hier den Anbau oder die nach dem Prinzip "Versuch und Irrtum" begründeten Bestände scheiterten kläglich an den widrigen Bedingungen.

Im westlichen Mittelfranken befinden wir uns an dieser Grenze des derzeitigen Anbaugebiets der Fichte. Auf der Frankenhöhe reichten die klimatischen Bedingungen in der Vergangenheit für ihren Anbau gerade noch aus. In den westlich vorgelagerten Ebenen und Hügelländern der Fränkischen Platte mit ihrem wärmeren und trockeneren Klima befand und befindet sich die Fichte bereits jenseits ihrer klimatisch begrenzten Möglichkeiten. In einer solchen Grenzsituation verschiebt bereits eine relativ kleine Temperaturerhöhung, die sich z.B. in einer Folge warmer Sommer äußert, das labile Gleichgewicht zwischen dem Pathogen Borkenkäfer und dem Wirtsbaum Fichte.

Tatsächlich vernichteten die sich im Jahr 2006 im westlichen Mittelfranken massenhaft vermehrenden Borkenkäfer viele Fichtenbestände nahezu komplett. Im Schadensverlauf spielte neben der warmen und trockenen Witterung, die einen starken Fraßdruck der Käfer erzeugte, die Bodenbeschaffenheit kaum noch eine Rolle. Man kann davon ausgehen, dass die Fichte im westlichen Mittelfranken forstlich bedeutungslos wird, wenn die Klimaszenarien Wirklichkeit werden. Zu guter Letzt werden viele Waldbesitzer die Baumart aus ihren Planungen streichen, so dass in den nächsten Jahrzehnten ein landschaftsprägender Wandel der Baumartenzusammensetzung in dieser Region bevorsteht.

2. Station – Stechpalmen in Südskandinavien

Die Stechpalme gilt als klassisches Beispiel für eine klimatisch nach Norden limitierte Art. Der Verlauf der nördlichen Verbreitungsgrenze stimmt gut mit dem Verlauf der 0 °C-Januar-Isotherme überein, die als Maß für winterliche Bedingungen gilt. Diese Parallelität erwähnte erstmals Iversen (1944). Seither hat sich das Klima nachweislich erwärmt. Sollte sich die Beziehung des Arealrandes zur 0°-Januar Isotherme tatsächlich auf klimatische Ursachen zurückführen lassen, müssten eigentlich deutliche Arealverschiebungen bei der Stechpalme zu beobachten sein. In Lehrbüchern wird ihre nördliche Verbreitungsgrenze häufig von Südwest-Norwegen durch Dänemark nach Nordost-Deutschland gezogen.

Mittlerweile finden sich aber nicht nur weiter nördlich an der Westküste Norwegens neue Vorkommen, auch entlang der Südspitze Schwedens tritt die Stechpalme regelmäßig in Wäldern auf. Diese Individuen sind alle jüngeren Alters und etablierten sich erst in der Zeit nach Iversens Publikation. Sie zeigen eine deutliche Arealausdehnung in nördlich-nordöstliche Richtung auf. Werden nun auch die Klimadaten der Region auf den heutigen Zeitraum aktualisiert, so ergibt sich von neuem die Übereinstimmung zwischen Verbreitungsgrenze der Stechpalme und Verlauf der 0 °C-Januarisotherme, die Beziehung ist also nach wie vor gegeben, nur verläuft sie mittlerweile durch einen anderen geographischen Raum: ein erstaunliches Beispiel einer parallel verlaufenden Veränderung des Klimas und der tatsächlich klimalimitierten Arealgrenze (Grafik 1).

3. Station – Rotbuchen in Nordspanien

Kaum jemand kennt die Buchenwälder in Nordspanien. In den Regionen Katalonien und Navarra befindet sich die Rotbuche am oberen Rand ihrer Temperaturamplitude. Diese liegt bei einer Jahresmitteltemperatur von 13 °C -14 °C und markiert hier die Arealgrenze. In Nordspanien ist das Vorkommen der Buche auf die kühleren Gebirgslagen beschränkt. Wo es in tieferen Lagen wärmer als 13 °C -14 °C ist, schließen sich Wälder aus der immergrünen Steineiche und Calluna-Heiden an, nach oben in der Gipfelregion der Berge folgen Wacholderheiden und subalpine Rasen. Wärmere Verhältnisse in den letzten Jahrzehnten verschoben diese Höhenzonen der Vegetation um 70 m nach oben.

Steineichen verdrängen an der Untergrenze der Buchenvorkommen die Buchenbestände. Diese wiederum dringen ihrerseits in die oberhalb liegenden subalpinen Wacholderheiden und Rasen ein. Es liegt auf der Hand, dass derartige Prozesse zum allmählichen Rückgang der Buche führen, wenn nicht Gewinne an der Obergrenze der Verbreitung die Verluste an der Untergrenze ausgleichen. Einer weiteren Höhenausbreitung der Buche nach oben sind aber allein aufgrund der Gipfelhöhen topografische Grenzen gesetzt. So wird an diesem äußersten Vorposten die Lage der Buche mit Fortschreiten des Klimawandels zunehmend prekär werden.

Ökologisch besonders interessant sind die zum Verschwinden der Buche an ihrer Wärmegrenze führenden Vorgänge. Die geschlossenen Bestände lösen sich in einzelne Kleinbestände auf, die zunehmend isoliert zwischen den immer stärker dominierenden Steineichen liegen. Am Ende dieses Verinselungsprozesses hat die Steineiche die Buche komplett abgelöst.

4. Station – Waldkiefern im Wallis (Schweiz)

Das große Quertal der Rhone prägt den Kanton Wallis. Wie andere große Quertäler der Alpen zählt das zentrale Wallis zu den inneralpinen Trockentälern. Abgeschirmt von hohen Bergketten und bei verhältnismäßig geringer Höhenlage ist das Wallis niederschlagsarm und vor allem im Sommer sehr warm. Dort wird mit großem Erfolg Weinbau betrieben. An den Talflanken waren bis in die jüngste Vergangenheit Waldkiefernbestände weit verbreitet. Wie in anderen inneralpinen Trockentälern wurde seit ein paar Jahrzehnten auch hier ein vermehrtes Absterben der Waldkiefern beobachtet. Aufgrund des Klimawandels stiegen hier die Sommer- und Wintertemperaturen sowie die Anzahl heißer Tage stark an. Die Niederschläge blieben weitgehend unverändert. Heiße, trockene Sommer schwächen die Kiefern. Hinzu kommen durchlässige, steinige Böden mit geringem Wasserspeichervermögen. Die Bäume leiden häufig unter Trockenstress.

An den absterbenden Kiefern werden vermehrt Schädlinge beobachtet. Die Mistel befällt die Kiefer im Wallis klimabedingt sehr häufig. Mistelbefall führt zu einer Reduktion der Nadelmasse und in Kombination mit Trockenheit zu vermehrtem Absterben.

In den letzten Jahren wurden verschiedene Splintholznematoden (Fadenwürmer) nachgewiesen. Im Laborversuch starben befallene Jungpflanzen ab, vor allem wenn sie gleichzeitig unter Trockenheit litten.

In vielen Kiefernbeständen des Wallis findet zur Zeit ein Baumartenwechsel statt. Die Kiefern sterben vielfach ab, während sich Laubbäume wie die wärmeliebende und trockenheitstolerante Flaumeiche ausbreiten. Der Baumartenwechsel lässt sich mit alten Vegetationsaufnahmen, Luftbildern und Inventurdaten klar belegen. Die eindringenden Laubbäume setzen die lichtbedürftige Kiefer unter Druck. Trockenheit schwächt ihre Konkurrenzkraft zusätzlich. Man erwartet, dass sich mittelfristig viele Kiefern-Flaumeichen-Mischbestände nach Ausfall der Kiefer in Flaumeichenbestände umwandeln.

Das Beispiel der absterbenden Kiefernbestände im Wallis zeigt uns, dass die Waldkiefer mitnichten eine Baumart des warmen und trockenen Südens ist. Vielmehr stößt sie in den Trockentälern an die Grenzen ihrer klimatischen Toleranz. Eine aufeinanderfolgende Reihe wärmerer Jahre hat unter diesen besonderen Verhältnissen ausgereicht, das Gleichgewicht von Kiefern und verschiedenen Parasiten zu Ungunsten des Wirtes zu verschieben. Die Kiefer zieht sich relativ rasch aus den für sie unwirtlich gewordenen Gebieten zurück und überlässt besser angepassten Baumarten das Terrain.

5. Station – Hanfpalmen im Tessin

Das Tessin ist der südlichste Kanton und weist zugleich auch die tiefstgelegenen Gebiete der Schweiz auf. Der Alpenhauptkamm schirmt diese Region weitgehend vor den sehr kalten Luftmassen aus dem Norden ab. Diese klimatischen Vorteile erlauben vielen Zierpflanzen subtropischer Herkunft, dort den Winter im Freien zu überstehen, während sie nördlich der Alpen die kalte Jahreszeit in Gewächshäusern verbringen müssen.

Vom 17. bis ins frühe 19. Jahrhundert wurden viele Gärten und Parks angelegt, die noch heute wegen ihrer reichhaltigen exotischen Flora gerne besucht werden. Während die Einfuhr dieser Arten also schon Jahrhunderte zurückreicht, zeigt sich in den tiefstgelegenen Waldabschnitten an den Südufern der Seen ein ganz neues Phänomen. Wie in anderen Weltregionen hat sich auch auf der Alpensüdseite das Klima erwärmt. Diese bereits früher klimatisch privilegierte Region zeichnen jetzt eine noch längere Vegetationsperiode sowie noch mildere Winter aus. Dies kommt nicht nur den Pflanzen in Gärten und Parks zugute. Seit den 1970er Jahren treten vermehrt immergrüne Laubbaumarten auf Waldstandorten auf. Lorbeerkirsche, Echter Lorbeer, Drüsiger Kampferbaum sowie die Hanfpalme sind häufige Vertreter dieser neuen immergrünen Laubwaldgemeinschaft. Die veränderten klimatischen Bedingungen stimmen mittlerweile mit jenen des Heimatgebietes dieser immergrünen Ziergehölze überein, so dass nicht mehr nur ein Überleben in Gärten und Parks möglich ist, sondern auch die Verjüngung, Ausbreitung und Etablierung auf Waldstandorten.

Das Beispiel der Chinesischen Hanfpalme zeigt, dass im Verlaufe des 20. Jahrhunderts die winterlichen Bedingungen zusehends günstiger wurden und die im Heimatgebiet ermittelte kritische Temperaturschwelle von ca. 2 °C bis 2,5 °C überschritten wurde (Grafik 2).

Die aus der lokalen historischen Literatur ermittelte Ausbreitungsgeschichte der Hanfpalme stimmt mit der klimatischen Entwicklung überein. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde vom Auftreten einzelner Palmensämlinge berichtet. Ihnen war es damals nicht möglich, sich gegen die etablierte Vegetation durchzusetzen, so dass sie früher oder später wieder eingingen. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dauerten die Perioden günstiger Bedingungen lange genug, um ein Aufkommen der Palmen auf Waldstandorten zu ermöglichen. Heute finden sich in Seennähe an Südhängen erste fruchtende Individuen verwilderter Palmen im Wald. Somit sind diese Palmenpopulationen unabhängig vom Samennachschub aus den Gärten und können als etabliert angesehen werden.

6. Station – Eukalypten in Australien

Die letzte Station unserer Reise liegt in Australien. Dort findet sich mit über 800 Arten ein sehr großer Reichtum an Eukalypten. Viele Eukalyptusarten weisen kleine Areale auf, viele sind außerordentlich spezialisiert, auch im Hinblick auf ihre klimatischen Ansprüche Über 20 % der Eukalypten haben in ihrem Verbreitungsgebiet eine Temperaturamplitude von weniger als einem Grad. Auch bei den Niederschlagssummen zeigt ein Viertel der Arten eine Variationsbreite von weniger als 20 %. Ihre klimabezogenen ökologischen Nischen sind also zum Teil außerordentlich klein.

Aufgrund der besonderen Vegetationsgeschichte Australiens konnte sich die Gattung Eukalyptus über einen langen Zeitraum und von den Eiszeiten nur wenig gestört in viele Arten aufspalten. Dies unterscheidet sie von den meisten mitteleuropäischen Baumgattungen, die eine wesentlich geringere Differenzierung aufweisen und auch innerhalb der Arten sehr viel größere Nischen besetzen. So weist unsere Rotbuche eine Temperaturamplitude von 10 Grad auf.

Die Anfälligkeit von Bäumen gegenüber einem Klimawandel steigt umso mehr, je näher sie sich am kritischen Nischenrand befinden. Je kleiner die Nische der Baumart, desto größer ist bei gleichem Ausmaß des Klimawandels die Wahrscheinlichkeit, über den Rand der Nische hinausgedrängt zu werden. Viele Eukalyptusarten geraten schon bei mäßigem Klimawandel unter Bedingungen, die sie bis jetzt nirgendwo ertragen mussten. Ihre ausgeprägte Spezialisierung lässt sie so zu leichten Opfern des Klimawandels werden, wenn es ihnen nicht gelingt, sich an die ungewohnten Verhältnisse anzupassen oder auszuwandern, um dem Wandel auszuweichen. Form, Position und Größe der ökologischen Nische bestimmen zusammen mit dem Ausmaß der Klimaänderung das Risiko für die jeweilige Art. Man rechnet in Australien mit deutlichen Veränderungen in der Baumflora, ein komplettes Aussterben mancher Arten scheint nicht unwahrscheinlich.

Die hohe Anfälligkeit der Eukalyptenflora Australiens gegenüber dem Klimawandel wurde bisher nur vorhergesagt. Berichte zu Vitalitätseinbußen, Arealverschiebungen oder gar Aussterbeprozessen liegen bis jetzt noch nicht vor. Es leuchtet jedoch ein, dass unter den dort gegebenen Verhältnissen durchaus mit dem Schlimmsten zu rechnen ist, was einer Baumart zustoßen kann. Aus diesem Grund nahmen wir auch diese exotische Station in unsere Reiseroute auf. Die dortige Forstwirtschaft mag einen drohenden Artenverlust verschmerzen können, für die Lebensgemeinschaften bedeutet er jedoch unwiederbringliche Verluste an Biodiversität.

Hier endet unsere Reise und es bleibt viel zu tun ...