Ökologische Existenzräume und -schwellen

Die Buche ist eine typische Baumart des temperaten nemoralen Waldgürtels. Unter den naturräumlichen Verhältnissen Mitteleuropas bildet die Buche in einem weiten Standortsspektrum klimazonale Wälder, in denen sie den Schlusswaldzyklus dominiert. In der meridionalen und submeridionalen Waldzone findet sie sich überwiegend in der Bergstufe. Die Amplitude der Jahresdurchschnittstemperatur beträgt in ihrem Verbreitungsgebiet 4 °C bis 13 °C, im sehr niederschlagsreichen Nordspanien und in Bergräumen Süditaliens wächst sie bei knapp 14 °C/a. Die Jahresniederschläge in ihrem natürlichen Areal liegen im Minimum bei 480 mm (Sachsen-Anhalt), nach oben gibt es keine limitierende Grenze. Areal -begrenzende Faktoren des Regionalklimas sind im Osten und Norden sowie im Hochgebirge anhaltender und starker Winterfrost mit mehr als 141 Frosttagen, Januarmittel der Lufttemperatur < - 4 °C mit Minima von -35 bis – 40 °C, regelmäßige Spätfröste nach dem Austreiben sowie eine kurze Vegetationszeit, die 217 Tage mit einem Tagesmittel > 7 °C unterschreitet.

Im Süden limitiert eine ausgeprägte Trockenheit in den Monaten Mai-Juli die Buche (Sommermittel (V-IX) der Niederschläge < 250 mm, Juni < 40 mm). In Richtung submediterraner Klimabedingungen vollzieht sich der Übergang der Buche von einer zonalen zu einer extrazonalen Baumart, beispielsweise in den französischen Westalpen in der Umgebung von Grenoble (45o n. Br.) oder im Bereich des Pieria-Gebirges in Nord-Griechenland (41o n. Br). In diesen Gebieten werden die Schatthänge von Buchenwäldern, die Sonnenhänge von laubabwerfenden Eichenwäldern beherrscht. Im Schweizer Mittelwallis kann zwischen Sitten und Derborence der Übergang von den buchenfreien Kiefern- und Flaumeichenwäldern im sommertrockenen Rhonetal zum Buchenwald im humideren Talzug der Lizerne auf einer Horizontaldistanz von nur 2 km beobachtet werden.

Möglicherweise begrenzen auch sehr milde Wintermonate das Areal der Buche im Westen und Süden, weil dann winterliche Stoffwechseltätigkeit die Energiebilanz zu stark belastet. Im Alpenraum kann regelmäßige Föhnaktivität im Frühjahr und Frühsommer, die mit sehr geringer Luftfeuchte verbunden ist und dadurch die Mortalität der Keim- und Sämlinge begünstigt, die Buche regional ausschließen oder auf windgeschützte, abgeschattete Lagen wie Schluchten beschränken (z.B. "Bündner Südtäler": Misox, Puschlav). Deutliche Vitalitätseinbußen zeigte die Buche in den letzten Jahren im Nördlichen Oberrheinischen Tiefland, die sich in verbreiteter Wipfeltrocknis und Insektenbefall äußern. Bei mittlerweile 11,5 °C Jahresmitteltemperatur und ca. 350 mm Sommerniederschlag scheint sich das Regionalklima dort einer ökologischen Schwelle für die Buchenwälder anzunähern. Lokale Trockengrenzen zu (Flaum-)Eichen-Mischwäldern sind in Baden-Württemberg von Hangstandorten mit flachgründigen Böden über durchlässigem Kalkgestein belegt. Die nutzbaren Feldkapazitäten (nFK) der Böden liegen dort bei < 65 mm (im Klettgau) bzw. < 60 mm (auf der Mittleren Schwäbischen Alb). Auf zähplastischen Tonböden des Mittleren Keupers finden sich im Weinbaugebiet des Neckarlandes (T/a 9 – 10 °C) in sonnseitiger Oberhanglage Ökotone zum Hainbuchen-Mischwald.

Genetische Differenzierung

Die Buche ist in Mitteleuropa genetisch wenig differenziert, d. h. die genetische Variation innerhalb der Bestände ist weitaus größer als der Unterschied zwischen Beständen, auch wenn diese geographisch weit entfernt liegen. Die genetische Diversität der allermeisten Bestände ist zufriedenstellend, genetische Einengung liegt nur äußerst selten vor. Die genetische Information der Altbestände wird bei natürlicher Verjüngung vollständig an die Folgegeneration weitergegeben. Die Buchenbestände in Mitteleuropa haben daher aufgrund ihrer breiten genetischen Basis vermutlich noch ein erhebliches Anpassungspotential für Klimaverschiebungen. Bemerkenswert sind die Vorkommen der Buche im warmen (sub-)mediterranen Klimabereich, z. B. in Nordspanien, Süd-Italien und Griechenland. Diese Teilpopulationen stammen aber wahrscheinlich aus isolierten glazialen Refugien und haben sich nacheiszeitlich nicht mit der mitteleuropäischen Population vermischt. Die Angepasstheit und die Anpassungspotentiale dieser Teilpopulationen können deshalb nicht als identisch vorausgesetzt werden. Herkünfte der Buche aus dem südlichen Europa zeigten sich bei Anbauversuchen in Mitteleuropa bisher häufig als nicht ausreichend frosthart.

Naturgefahren/Waldschutz

Gemessen an ihrer hohen Frequenz und Abundanz in den mitteleuropäischen Wäldern wird die Buche in bemerkenswert geringem Maße von pathogenen Organismen bedroht. Massenvermehrungen von schädigenden Insekten haben bisher den Buchenanbau nicht wesentlich beeinträchtigt. Als schattenertragende Schlusswald-Baumart verträgt der Jungwuchs der Buche ein Freiflächenklima schlecht. Die Buche ist spätfrostempfindlich, Fröste nach dem Blattaustrieb führen zu Erfrierungen der Blätter und jungen Triebe. Starke Vitalitätseinbußen bis hin zur Wipfeltrocknis werden an älteren Bäumen bei plötzlicher Freistellung beobachtet. Hohe Empfindlichkeit besitzt die Buche wegen ihrer dünnen Borke gegenüber Rinden-(Sonnen)brand und Steinschlag.

Auch abrupte Temperaturabfälle beeinträchtigen die phytosanitäre Situation der Buche: In Folge des extremen Frostereignisses vom November 1998 im Raum Rheinland-Pfalz, Nordost-Frankreich, Ardennen-Belgien konnten in zahlreichen Beständen Rindennekrosen an Buchen beobachtet werden. Die damit einhergehende Vitälitätsminderung führte zu Sekundärbefall durch xylophage Insekten.

Die Buchenkomplexkrankheit/Buchenrindennekrose tritt meist in Erkrankungswellen auf und ist häufig mit einem Befall durch die Buchenwollschildlaus (Cryptococcus fagisuga) und rindenzerstörenden Pilzen (z. B. Neonectria coccinea) verbunden. Aktuelle Buchenrindenerkrankungen in den höheren Lagen von Nordrhein-Westfalen werden auf die anhaltend hohe Feuchte in regenreichen, milden Wintern zurückgeführt und lassen eine Zunahme von Erkrankungswellen der Buche durch Buchenrindennekrosen bei entsprechenden Klimaveränderungen erwarten.

Auf basenreichen, frischen bis staunassen Standorten kann Phytophthora cambivora örtlich/regional als Wurzel- und Wurzelhalserkrankung zum Ausfall von Buchen führen. Auch hier begünstigen zunehmend mildere und regenreiche Winter die Bedingungen für Pilzinfektionen und Pilzwachstum.

Nach dem Trockenjahr 2003 trat in Baden-Württemberg Wipfeldürre an Buche in bisher nicht beobachtetem Ausmaß auf. Davon waren dem Eindruck nach besonders Altbuchen auf besseren Standorten mit hoher Speicherfähigkeit für Bodenwasser betroffen, während sich die Bestände auf regelmäßig sommerdürren Böden widerstandsfähig zeigten. Regional stellte sich auf solchen Trockenstandorten jedoch Wipfeldürre an den etablierten, unterständigen Buchenjungwüchsen ein, was teilweise zum völligen Absterben dieser Bäume führte. Der Buchenprachtkäfer (Agrilus viride L.) war in zahlreichen Fällen am Schadbild beteiligt. Auch Buchenborkenkäfer zeigen sich seit dem Jahr 2003 in erhöhter Frequenz. Die Regeneration der betroffenen Bestände verläuft nur zögernd, der Schadholzanfall an Buche ist seit 2003 landesweit deutlich erhöht. Im Gegensatz zu den Beobachtungen in Baden-Württemberg ergaben sich in hessischen Buchenwäldern keine Hinweise auf eine schwerwiegende Einschränkung der Vitalität und oberirdischen Nettoprimärproduktion der Buche nach dem Trockenjahr 2003.

Feststellungen und waldbauliche Folgerungen für den Buchenwald im Klimawandel

Die Buche ist in fast allen Teilen ihres Verbreitungsgebiets auch eine Wirtschaftsbaumart. Zonen an ihren Arealrändern, in der sie in der zonalen Vegetation nur als akzessorische Baumart von geringer Wuchsleistung oder aber extrazonal auf begünstigten Standorten auftritt, sind nur schmal ausgebildet. Die Buche wurde außerhalb ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets kaum künstlich angebaut.

Die Buche verfügt in den meisten Regionen Mitteleuropas noch über eine sehr hohe Anpassungsfähigkeit an Klimaveränderungen. Ihre Konkurrenzkraft wird in den submontan-montanen Höhenlagen mittelfristig noch zunehmen, in den höchsten Lagen der Mittelgebirge und in den Alpen ist künftig mit einer Erweiterung des Areals zu rechnen. Die Buche kann dort wegen ihrer breiten Standortsamplitude und ihrer zufriedenstellenden genetischen Variation auch in Zukunft für den Anbau empfohlen werden. In den trockensten und wärmsten Naturräumen (Klimaperiode 1961-90: Jahresmittel T > 9,5 °C und Sommerniederschläge < 350 mm) sowie allgemein auf zähplastischen Tonböden der kollinen und submontanen Höhenstufe ist Zurückhaltung geboten. Hier sind vermehrt die Baumarten der wärmetoleranten Eichen- und Hainbuchen-Mischwälder in den Beständen zu beteiligen.

Der Buche kommt aufgrund ihrer breiten Angepasstheit und der daraus resultierenden Konkurrenzstärke eine zentrale Rolle beim klimagerechten Waldumbau zu. Ihre Einbringung auf der Freifläche ist schwierig, weshalb der Umbau auf buchenreichere Bestände rechtzeitig unter Schirm oder mit Vorwald begonnen werden muss. Mittelalte Kiefern- und Fichten-Reinbestandeskomplexe, die durch die Klimaänderung zu Risikobestockungen werden, sollten im mittleren Standortspektrum mit mindestens 20 % Buchenanteilen durch Vorbauten ausgestattet werden, um der nachfolgenden Generation die Option zur Rückkehr in die natürliche Bestockung zu ermöglichen. Bei natürlicher Verjüngung ist ein kleinräumiges Vorgehen empfehlenswert.

Im Zuge der Verjüngung sollte aus genetischer Sicht versucht werden, die natürliche Verjüngung des standörtlich angepassten autochthonen Materials zu nutzen. Bei künstlicher Einbringung der Buche ist auf die genetische Qualität und Diversität des Vermehrungsgutes zu achten, dies bedeutet die Auswahl geeigneter Erntebestände und die Beerntung einer möglichst großen Anzahl Buchen je Bestand. Es soll nur herkunftsgesichertes Material gemäß den Herkunftsempfehlungen nach dem Gesetz über Forstliches Vermehrungsgut verwendet werden. Der Gewinnung von Wildlingen und der Saat kann besondere Bedeutung zukommen. Eine Anreicherung mit Genotypen aus anderen Teilen des Verbreitungsgebietes (z. B. Südeuropa) ist derzeit noch nicht ausreichend durch wissenschaftliche Arbeiten vorbereitet, könnte aber zukünftig regional notwendig werden. Zur langfristigen Sicherung der genetischen Variabilität muss die Buche mindestens gruppenweise eingemischt werden.

Ausblick

Das weitere Schicksal der Buche in Mitteleuropa wird sich daran entscheiden, in welchem Ausmaß sich die Temperaturen und die sommerlichen Niederschläge im 21. Jahrhundert verändern werden. Ein Anstieg der jährlichen Mitteltemperaturen bis 2 °C ohne oder bei nur geringen Rückgängen der Sommerniederschläge wird in den meisten Regionen den Waldbau mit der Buche nicht grundsätzlich ausschließen. Phytosanitäre Probleme werden aber den Anpassungsprozess an die sich verändernde Umwelt begleiten. In den bereits heute warm-trockenen Naturräumen wird die Buche dann aber auf wenige besonders günstige Standorte zurückgeführt werden müssen.

Ein Anstieg der Jahresmitteltemperatur bis zum Jahr 2100 um oder über 4 °C, mit den damit verbundenen Witterungsextremen, oder eine Verringerung der Sommerfeuchte um 30 % oder mehr würde hingegen drastische Folgen zeigen. In den kollinen und in den niederschlagsarmen submontanen Regionen wäre dem Buchenwald damit die Existenzgrundlage entzogen. Eine schrittweise Anpassung der Wälder mit Mitteln des naturnahen Waldbaues wäre dort nicht mehr möglich. Aber auch die Konsequenzen für flächenhafte Naturschutzkonzepte, wie z. B. den Schutz der Buchenwald-Lebensraumtypen im Natura2000-Programm, sind bisher noch kaum einmal angedacht.