Aufgrund des Klimawandels wird die Große Küstentanne (Abies grandis) als eine mögliche Alternative zur Fichte diskutiert. Sie besticht vor allem durch eine sehr hohe Produktivität. Zur Quantifizierung des Wachstumspotenzials von Abies grandis wurde anhand von Versuchsflächendaten aus Baden-Württemberg ein Höhenbonitätsfächer berechnet.

Die Küstentanne ist im pazifischen Nordwesten der USA sowie in Kanada (British Columbia) beheimatet. Dabei lassen sich zwei große Vorkommensbereiche unterscheiden: Küstenherkünfte mit einem Verbreitungsgebiet von Vancouver Island bis ins nördliche Kalifornien (Schwerpunkt Washington/Oregon) sowie Inlandsherkünfte mit Schwerpunkt östlich des Kaskadenkamms in Idaho und Montana.

Im Zentrum ihrer ursprünglichen Verbreitung tritt die Große Küstentanne fast immer als Mischbaumart auf, Reinbestände sind selten. Sie erträgt in ihrer Jugend Schatten und gilt als eine sehr raschwüchsige Baumart. Auf sehr guten Standorten erreicht sie in 50 Jahren eine Oberhöhe von über 40 m. Gegenüber der Douglasie startet sie zwar schneller und kulminiert früher, gilt aber in der Wuchsdynamik als grundsätzlich vergleichbar, jedoch in der Volumenleistung gegenüber der Douglasie bei gleicher Oberhöhe in der Regel um 10-20 % überlegen.

Seit etwa 1880 wird die Küstentanne in Deutschland versuchsweise angebaut. Trotz dieser langen Anbaugeschichte fallen die Ergebnisse und Einschätzungen zur Eignung dieser Baumart erstaunlich verschieden aus. Besonders in der zentralen Frage nach der Anfälligkeit gegenüber biotischen und abiotischen Risikofaktoren gehen die fachlichen Bewertungen bis heute weit auseinander. Besonders auffällig sind die Unterschiede in der Einschätzung für Norddeutschland und Süddeutschland.

Versuchsflächen in Baden-Württemberg

In der Versuchsflächendatenbank der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) liegen für Küstentanne Messdaten auf einer großen Zahl unterschiedlicher Standorte vor und bilden die Grundlage für den hier vorgestellten Bonitätsfächer (Abb. 1).

Diese Versuchsflächen decken einen weiten Bereich an Höhenstufen (100-1050 m ü.N.N.), an Temperaturen (5,5-10° C Jahresmittel) und Niederschlägen (650-1300 mm Jahressummen) ab. Im Prinzip finden sich Versuchsanlagen in allen wesentlichen Wuchsgebieten und geologischen Formationen des Südwestdeutschen Schichtstufenlandes (Oberrheinisches Tiefland, Schwarzwald, Gäulandschaften des Neckarlandes, Albvorland und Schwäbische Alb).

Bonitätsfächer

Aus diesen Versuchsbeständen an insgesamt 23 Standorten standen 4383 Höhenmessungen an Bäumen bekannten Alters aus den Jahren 1934 bis 2007 zur Verfügung. Aus diesen Einzelbaumwerten wurden für die bisherigen Messperioden in den jeweiligen verbleibenden Beständen Oberhöhenwerte für das Kollektiv der 100 durchmesserstärksten Bäume je Hektar (H100BB) ermittelt (N=106).

Die Modellierung des Höhenwachstums erfolgt auf der Basis der sogenannten GOMPERTZ-Funktion; die Parameter dieser Wachstumsfunktion wurden dabei mittels einer nichtlinearen Regressionsanalyse berechnet. Die verwendete Regressionsgleichung lautet (k=7,88):

Als Bezugspunkt der Regressionskurve (Tab. 1) wurden Bonitätsintervalle von vier Metern bei einem Basisalter von 60 Jahren festgesetzt.

Der daraus berechnete Bonitätsfächer für Baden-Württemberg (Abb. 2) zeigt deutlich das schnelle Jugendwachstum und dessen schnelle Kulmination im Alter von ca. 25 Jahren. Im Alter von 60 Jahren sind bereits große Baumhöhen – wenn auch nur auf den besten Standorten – erreichbar.

Baumarten im Vergleich

Auch im Vergleich zur Fichte fällt besonders das außerordentlich rasche Jugendwachstum der Küstentanne auf. Jedoch ist dabei zu berücksichtigen, dass für Alter über ca. 75 Jahre nur noch wenige Messwerte aus den Küstentannen-Versuchsflächen vorliegen. Die Bonitätskurven liegen hier im Wesentlichen im Extrapolationsbereich. Das rasche Höhenwachstum schlägt sich auch im Holzvorrat nieder: Nach Berechnungen von Geb et al. ist mit Abies grandis in den ersten 40 Jahren eine gegenüber der Fichte fast verdoppelte Volumenproduktivität zu erzielen.

Selbst der Bonitätsfächer der Douglasie zeigt in seinen besten Bonitäten im Alter von ca. 60-80 Jahren niedrigere Höhenwerte als derjenige der Küstentanne (Abb. 3). Vergleichbare Höhen scheinen bei der Küstentanne etwas früher als bei der Douglasie erreicht zu werden. Der hier berechnete Höhenbonitätsfächer steht überdies in guter Übereinstimmung mit den von Krumland und Eng für Kalifornien errechneten Werten, wenngleich dort auch noch höhere Bonitäten beobachtet wurden.

Hohe Leistung bei welchem Risiko?

Die Küstentanne liefert erstaunliche Zuwachsleistungen, welche den einheimischen Nadelhölzern Fichte und Weißtanne klar und der Douglasie etwas überlegen sind.

Im Gegensatz dazu fallen die Einschätzungen zur Anfälligkeit der Baumart gegenüber biotischen und abiotischen Risikofaktoren sehr unterschiedlich und zum Teil recht kritisch aus: Für Baden-Württemberg mahnen besonders die jüngsten Erkenntnisse von Huber et al. zu erhöhter Vorsicht. Insbesondere im Alter von etwa 40 Jahren erscheint die Toleranz der Küstentanne gegenüber Trocknis und Widerstandskraft gegenüber Krankheitserregern gering. Auch ihre Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel ist sehr kritisch zu sehen.

Bevor aus dem eindrucksvollen Potenzial dieser Baumart tatsächlich eine Anbauempfehlung abgeleitet werden kann, müssen somit noch die Risiken des Anbaus der Küstentanne schlüssig beantwortet werden.