Die Ergebnisse der dritten Bundeswaldinventur (BWI3) sind geeignet, den Zustand und die Entwicklung der Wälder in Baden-Württemberg auch in Hinsicht der ökologischen Ziele des naturnahen Waldbaus zu bewerten. Dabei stehen die Diversität der Waldlebensräume, die Naturnähe der Baumarten, Totholzanteile und Biotopbaumvorkommen im Zentrum der Betrachtung. In der Gesamtschau der Ergebnisse lässt sich feststellen, dass die naturnahe Waldwirtschaft auf dem Weg ist, ihre gesetzten Ziele zu erreichen.

Vielfalt der Waldlebensräume und Baumarten

Naturräumlich ist Baden-Württemberg ein Land der Buchenwälder und Buchen-Tannen-Wälder, denn Buchenwaldgesellschaften werden auf 82% der Inventurpunkte als Potentielle Natürliche Vegetation (PNV) ausgewiesen. Die drei flächenstärksten Waldgesellschaften, Hainsimsen-, Waldmeister und Waldgersten-Buchenwald, bilden allein auf drei Vierteln der Waldfläche Baden-Württembergs den natürlichen Schlusswald. Die vier heimischen Tannen-Waldgesellschaften stellen auf 10% der Waldfläche die PNV dar, während die 17 übrigen in Baden-Württemberg vorkommenden Waldgesellschaften sich die restlichen 8% der Waldfläche als PNV teilen (Abb. 2).

Die seit der BWI1 feststellbare Zunahme der Buchenanteile in den Wäldern Baden-Württembergs ist also Teil einer Entwicklung zu mehr Naturnähe in der Bestockung, die teilweise auch einer natürlichen Dynamik entspringt.

In der Naturschutzbewertung sind neben den Bestockungsanteilen mehr noch die Frequenz der Baumarten und ihre räumliche Verteilung in Baden-Württemberg von Interesse, begründet durch die Bedeutung der Bäume für viele andere Organismen, für die sie Lebensstätte, Nahrungsquelle oder Brutplatz sind. Während 2002 noch die Fichte die höchste Frequenz des Artvorkommens an den Traktecken hatte, ist sie mittlerweile von der Buche als die frequenteste Baumart auf den zweiten Platz verdrängt worden (Abb. 3).

Zumindest in dieser Hinsicht hat also die Buche ihre natürliche Vorrangstellung schon wieder zurückerlangt. Hinter der Fichte folgen mit Tanne, Bergahorn und Esche weitere Baumarten, die auch in der natürlichen Bestockung entsprechende Plätze einnehmen würden. Auch in der räumlichen Verteilung ist die Buche in Baden-Württemberg in allen Naturräumen mehr oder weniger flächenhaft präsent (Abb. 4). Der Rückweg zu den natürlichen Buchenwaldgesellschaften wäre damit im regionalen Rahmen überall und jederzeit auf natürlichem Wege möglich.

Bezüglich der Mischung zeigt sich ebenfalls ein Trend zu vielfältigeren Wäldern: Wälder, in denen nur eine Baumart vorkommt, sind gegenüber 2002 noch seltener geworden, denn an 93% der Inventurpunkte finden sich mittlerweile zwei oder mehr Baumarten. Traktecken mit Vorkommen von vier bis sechs Baumarten sind heute deutlich häufiger als noch im Jahr 2002 (Abb. 5).

Naturnähe

Die Naturnähe von Wäldern zu klassifizieren ist eine schwierige und komplexe Aufgabe, weil sehr unterschiedliche Merkmale zu bewerten sind, ohne dass genügend Referenzflächen für einen natürlichen Waldzustand im Waldkleid Mitteleuropas vorhanden sind. Schon im Zuge der BWI2 war deshalb erkannt worden, dass die Naturnäheeinstufung der Wälder nur über ihre Zusammensetzung nach Baumarten erfolgen kann, weil dafür mit dem Modell der PNV eine operationale Referenz zur Verfügung steht. Dies bedeutet, dass notwendigerweise andere wesentliche Kriterien, wie zum Beispiel historische Waldkontinuität, Vorkommen sehr alter Bäume und charakterisierende Waldstrukturmerkmale, vernachlässigt werden müssen.

Die Einstufung der Naturnähe erfolgt an jeder einzelnen Wald-Traktecke des Inventurnetzes. Aus standortskundlichen Daten wird eine Waldgesellschaft als PNV bestimmt, für die regional und höhenzonal die natürlichen Haupt-, Neben- und Pionierbaumarten definiert sind. Die Bestimmung der insgesamt fünf Naturnähestufen erfolgt dann nach Schwellenwerten des Anteils der natürlichen Baumarten, die mindestens erreicht werden müssen. Für die beiden höchsten Naturnähestufen sind auch Höchstwerte für den Bestockungsanteil der ursprünglich außereuropäisch verbreiteten Baumarten formuliert (Tab. 1).

Weil mit dem Fortschritt der forstlichen Standortskartierung im Zeitraum zwischen der BWI2 und der BWI3 einzelne Änderungen in der Ansprache der natürlichen Waldgesellschaft verbunden waren, musste für die zeitlich vergleichenden Darstellungen die Naturnähe auf Stand des Jahres 2002 noch einmal auf der neuen Datengrundlage nachberechnet werden.

Nach dem Ergebnis der BWI3 fallen mehr als 50% der Wälder Baden-Württembergs in die Kategorien "sehr naturnah" und "naturnah". Dies ist in der Summe der höchste Wert aller deutschen Bundesländer. Im direkten Vergleich der Waldbesitzarten besitzt der Staatswald die höchsten Naturnähewerte (Abb. 6).

Dabei zeigte die Naturnähe in den letzten zehn Jahren einen zunehmenden Trend (Abb. 7), wobei dieser Trend in allen Waldbesitzarten gleichgerichtet verläuft.

Die noch wesentliche höhere Naturnähe der Baumartenanteile in der Verjüngung deutet darauf hin, dass der beobachtete Trend zu mehr Naturnähe in der Bestockung zukünftig wahrscheinlich weiter fortschreiten wird (Abb. 8).

Totholz

Vor der Interpretation der Totholzvorräte, die in der BWI3 gemessen wurden, sind einige methodische Hinweise notwendig. Von der BWI2 zur BWI3 wurde die Erfassungsschwelle für stehendes und liegendes Totholz von 20 cm auf 10 cm Durchmesser abgesenkt, und auch die Erfassungskriterien für Wurzelstöcke wurden verändert. Für den Vergleich der Werte war es deshalb erforderlich, die Werte für 2012 auch mit den alten Schwellen zu berechnen. Außerdem erwies es sich als sinnvoll, die vor dem Jahr 2002 großflächig entstandenen Sturmwurfflächen bei der Auswertung getrennt zu betrachten.

Im Gesamtwald betragen die Totholzvorräte durchschnittlich 19,5 m3/ha nach dem alten und 28,8 m3/ha nach dem neuen Berechnungsverfahren. Der Staatswald erreicht gegenüber den anderen Waldbesitzarten signifikant überdurchschnittliche Werte von 34 bzw. 24 m3/ha (Abb. 9).

Gegenüber 2002 haben die Gesamtvorräte an Totholz in Baden-Württemberg leicht zugenommen. Während auf den Sturmwurfflächen die Totholzvorräte von fast 50 m3/ha auf unter 40 m3/ha deutlich abnahmen, sind sie auf der übrigen Fläche von ca. 14 auf ca. 16 m3/ha angestiegen. In der Gesamtsumme ergibt sich dadurch die leichte Zunahme von 2012 gegenüber dem Stand von 2002. Das Totholz auf den Sturmwurfflächen befinden sich mittlerweile fast durchwegs in einem fortgeschrittenen bis moderartigen Zersetzungsstadium, während im übrigen Wald die beginnenden Zersetzungsstadien vorherrschen (Ab. 10).

Der Hauptteil der Totholzmasse findet sich im liegenden Totholz und in den Wurzelstöcken (Abb. 11).

Biotopbäume

Biotopbäume sind Baumindividuen, die durch besondere Eigenschaften anderen Organismen – zum Beispiel Vögeln, Fledermäusen, holzbewohnenden Käfern oder Pilzen – eine geeignete Lebensstätte bieten. Dazu gehören etwa Bäume mit abgestorbenen Kronenteilen, Höhlenbäume, Bäume mit besonderen Wuchsformen und Bäume, die Großhorste von Greifvogelarten tragen. Landesweit und über alle Besitzarten hinweg finden sich in Baden-Württemberg durchschnittlich etwa fünf Biotopbäume je Hektar Waldfläche (Abb. 12).

Dabei ist die Zahl der Biotopbäume im Kommunalwald etwas höher als in den anderen Waldbesitzarten. Der Grund dafür ist, dass der Kommunalwald höhere Laubholzanteile besitzt, denn nur etwa 20% des Holzvorrates der Biotopbäume gehören zum Nadelholz, 80% zum Laubholz. Das durchschnittliche Gesamtvolumen der Biotopbäume je Hektar beträgt über alle Waldbesitzarten hinweg knapp 10 Vfm (Abb. 13); das bedeutet, dass der durchschnittliche Biotopbaum in Baden-Württemberg ein Holzvolumen von etwa 2 Vfm hat.